Physische Farben nennen wir diejenigen, zu deren Hervorbringung gewisse materielle Mittel nöthig sind, welche aber selbst keine Farbe haben, und theils durch- sichtig, theils trüb und durchscheinend, theils völlig undurchsichtig seyn können. Dergleichen Farben wer- den also in unserm Auge durch solche äußere bestimmte Anlässe erzeugt, oder, wenn sie schon auf irgend eine Weise außer uns erzeugt sind, in unser Auge zurückge- worfen. Ob wir nun schon hiedurch denselben eine Art von Objectivität zuschreiben, so bleibt doch das Vorübergehende, Nichtfestzuhaltende meistens ihr Kenn- zeichen.
137.
Sie heißen daher auch bey den frühern Naturfor- schern Colores apparentes, fluxi, fugitivi, phanta- stici, falsi, variantes. Zugleich werden sie speciosi und emphatici, wegen ihrer auffallenden Herrlichkeit, genannt. Sie schließen sich unmittelbar an die physio-
Zweyte Abtheilung. Phyſiſche Farben.
136.
Phyſiſche Farben nennen wir diejenigen, zu deren Hervorbringung gewiſſe materielle Mittel noͤthig ſind, welche aber ſelbſt keine Farbe haben, und theils durch- ſichtig, theils truͤb und durchſcheinend, theils voͤllig undurchſichtig ſeyn koͤnnen. Dergleichen Farben wer- den alſo in unſerm Auge durch ſolche aͤußere beſtimmte Anlaͤſſe erzeugt, oder, wenn ſie ſchon auf irgend eine Weiſe außer uns erzeugt ſind, in unſer Auge zuruͤckge- worfen. Ob wir nun ſchon hiedurch denſelben eine Art von Objectivitaͤt zuſchreiben, ſo bleibt doch das Voruͤbergehende, Nichtfeſtzuhaltende meiſtens ihr Kenn- zeichen.
137.
Sie heißen daher auch bey den fruͤhern Naturfor- ſchern Colores apparentes, fluxi, fugitivi, phanta- stici, falsi, variantes. Zugleich werden ſie speciosi und emphatici, wegen ihrer auffallenden Herrlichkeit, genannt. Sie ſchließen ſich unmittelbar an die phyſio-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0106"n="[52]"/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Zweyte Abtheilung.<lb/>
Phyſiſche Farben</hi>.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head>136.</head><lb/><p>Phyſiſche Farben nennen wir diejenigen, zu deren<lb/>
Hervorbringung gewiſſe materielle Mittel noͤthig ſind,<lb/>
welche aber ſelbſt keine Farbe haben, und theils durch-<lb/>ſichtig, theils truͤb und durchſcheinend, theils voͤllig<lb/>
undurchſichtig ſeyn koͤnnen. Dergleichen Farben wer-<lb/>
den alſo in unſerm Auge durch ſolche aͤußere beſtimmte<lb/>
Anlaͤſſe erzeugt, oder, wenn ſie ſchon auf irgend eine<lb/>
Weiſe außer uns erzeugt ſind, in unſer Auge zuruͤckge-<lb/>
worfen. Ob wir nun ſchon hiedurch denſelben eine<lb/>
Art von Objectivitaͤt zuſchreiben, ſo bleibt doch das<lb/>
Voruͤbergehende, Nichtfeſtzuhaltende meiſtens ihr Kenn-<lb/>
zeichen.</p></div><lb/><divn="3"><head>137.</head><lb/><p>Sie heißen daher auch bey den fruͤhern Naturfor-<lb/>ſchern <hirendition="#aq">Colores apparentes, fluxi, fugitivi, phanta-<lb/>
stici, falsi, variantes.</hi> Zugleich werden ſie <hirendition="#aq">speciosi</hi><lb/>
und <hirendition="#aq">emphatici,</hi> wegen ihrer auffallenden Herrlichkeit,<lb/>
genannt. Sie ſchließen ſich unmittelbar an die phyſio-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[[52]/0106]
Zweyte Abtheilung.
Phyſiſche Farben.
136.
Phyſiſche Farben nennen wir diejenigen, zu deren
Hervorbringung gewiſſe materielle Mittel noͤthig ſind,
welche aber ſelbſt keine Farbe haben, und theils durch-
ſichtig, theils truͤb und durchſcheinend, theils voͤllig
undurchſichtig ſeyn koͤnnen. Dergleichen Farben wer-
den alſo in unſerm Auge durch ſolche aͤußere beſtimmte
Anlaͤſſe erzeugt, oder, wenn ſie ſchon auf irgend eine
Weiſe außer uns erzeugt ſind, in unſer Auge zuruͤckge-
worfen. Ob wir nun ſchon hiedurch denſelben eine
Art von Objectivitaͤt zuſchreiben, ſo bleibt doch das
Voruͤbergehende, Nichtfeſtzuhaltende meiſtens ihr Kenn-
zeichen.
137.
Sie heißen daher auch bey den fruͤhern Naturfor-
ſchern Colores apparentes, fluxi, fugitivi, phanta-
stici, falsi, variantes. Zugleich werden ſie speciosi
und emphatici, wegen ihrer auffallenden Herrlichkeit,
genannt. Sie ſchließen ſich unmittelbar an die phyſio-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. [52]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/106>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.