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Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810.

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130.

Die Gegenstände werden von Kranken auch manch-
mal vielfärbig gesehen. Boyle erzählt von einer Dame,
daß sie nach einem Sturze, wobey ein Auge gequetscht
worden, die Gegenstände, besonders aber die weißen,
lebhaft bis zum Unerträglichen, schimmern gesehen.

131.

Die Aerzte nennen Chrupsie, wenn in typhischen
Krankheiten, besonders der Augen, die Patienten an
den Rändern der Bilder, wo Hell und Dunkel an ein-
ander gränzen, farbige Umgebungen zu sehen versichern.
Wahrscheinlich entsteht in den Liquoren eine Verände-
rung, wodurch ihre Achromasie aufgehoben wird.

132.

Beym grauen Staar läßt eine starkgetrübte Kry-
stalllinse den Kranken einen rothen Schein sehen. In
einem solchen Falle, der durch Electricität behandelt
wurde, veränderte sich der rothe Schein nach und nach
in einen gelben, zuletzt in einen weißen, und der
Kranke fing an wieder Gegenstände gewahr zu werden;
woraus man schließen konnte, daß der trübe Zustand
der Linse sich nach und nach der Durchsichtigkeit nä-
here. Diese Erscheinung wird sich, sobald wir mit
den physischen Farben nähere Bekanntschaft gemacht,
bequem ableiten lassen.

133.

Kann man nun annehmen, daß ein gelbsüchtiger
Kranker durch einen wirklich gelbgefärbten Liquor hin-

130.

Die Gegenſtaͤnde werden von Kranken auch manch-
mal vielfaͤrbig geſehen. Boyle erzaͤhlt von einer Dame,
daß ſie nach einem Sturze, wobey ein Auge gequetſcht
worden, die Gegenſtaͤnde, beſonders aber die weißen,
lebhaft bis zum Unertraͤglichen, ſchimmern geſehen.

131.

Die Aerzte nennen Chrupſie, wenn in typhiſchen
Krankheiten, beſonders der Augen, die Patienten an
den Raͤndern der Bilder, wo Hell und Dunkel an ein-
ander graͤnzen, farbige Umgebungen zu ſehen verſichern.
Wahrſcheinlich entſteht in den Liquoren eine Veraͤnde-
rung, wodurch ihre Achromaſie aufgehoben wird.

132.

Beym grauen Staar laͤßt eine ſtarkgetruͤbte Kry-
ſtalllinſe den Kranken einen rothen Schein ſehen. In
einem ſolchen Falle, der durch Electricitaͤt behandelt
wurde, veraͤnderte ſich der rothe Schein nach und nach
in einen gelben, zuletzt in einen weißen, und der
Kranke fing an wieder Gegenſtaͤnde gewahr zu werden;
woraus man ſchließen konnte, daß der truͤbe Zuſtand
der Linſe ſich nach und nach der Durchſichtigkeit naͤ-
here. Dieſe Erſcheinung wird ſich, ſobald wir mit
den phyſiſchen Farben naͤhere Bekanntſchaft gemacht,
bequem ableiten laſſen.

133.

Kann man nun annehmen, daß ein gelbſuͤchtiger
Kranker durch einen wirklich gelbgefaͤrbten Liquor hin-

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[50/0104] 130. Die Gegenſtaͤnde werden von Kranken auch manch- mal vielfaͤrbig geſehen. Boyle erzaͤhlt von einer Dame, daß ſie nach einem Sturze, wobey ein Auge gequetſcht worden, die Gegenſtaͤnde, beſonders aber die weißen, lebhaft bis zum Unertraͤglichen, ſchimmern geſehen. 131. Die Aerzte nennen Chrupſie, wenn in typhiſchen Krankheiten, beſonders der Augen, die Patienten an den Raͤndern der Bilder, wo Hell und Dunkel an ein- ander graͤnzen, farbige Umgebungen zu ſehen verſichern. Wahrſcheinlich entſteht in den Liquoren eine Veraͤnde- rung, wodurch ihre Achromaſie aufgehoben wird. 132. Beym grauen Staar laͤßt eine ſtarkgetruͤbte Kry- ſtalllinſe den Kranken einen rothen Schein ſehen. In einem ſolchen Falle, der durch Electricitaͤt behandelt wurde, veraͤnderte ſich der rothe Schein nach und nach in einen gelben, zuletzt in einen weißen, und der Kranke fing an wieder Gegenſtaͤnde gewahr zu werden; woraus man ſchließen konnte, daß der truͤbe Zuſtand der Linſe ſich nach und nach der Durchſichtigkeit naͤ- here. Dieſe Erſcheinung wird ſich, ſobald wir mit den phyſiſchen Farben naͤhere Bekanntſchaft gemacht, bequem ableiten laſſen. 133. Kann man nun annehmen, daß ein gelbſuͤchtiger Kranker durch einen wirklich gelbgefaͤrbten Liquor hin-

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre. Bd. 1. Tübingen, 1810, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_farbenlehre01_1810/104>, abgerufen am 21.11.2024.