Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.dass Wortbezüge der Persischen Dichtkunst Das Band gilt auch für jede Art von 35
daſs Wortbezüge der Persischen Dichtkunst Das Band gilt auch für jede Art von 35
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daſs Wortbezüge der Persischen Dichtkunst
ein inneres anmuthiges Leben verleihen,
sie kommen oft vor und erfreuen uns durch
sinnigen Anklang.
Das Band gilt auch für jede Art von
Bezirkung, die einen Eingang hat und
deſswegen wohl auch eines Pförtners bedarf,
wie das Original sich ausdrückt und sagt:
„dessen Vorhang (oder Thor) die Sonne
aufhebt (öffnet)“, denn das Thor vieler
orientalischen Gemächer bildet ein Vorhang;
der Halter und Aufheber des Vorhanges ist
daher der Pförtner. Unter Mani ist Ma-
nes gemeint, Sectenhaupt der Manichaer,
er soll ein geschickter Maler gewesen seyn,
und seine seltsamen Irrlehren hauptsächlich
durch Gemälde verbreitet haben. Er steht
hier wie wir Apelles und Raphael sagen
würden. Bey dem Wort Herrscher-
perlen fühlt sich die Einbildungskraft
seltsam angeregt. Perlen gelten auch für
Tropfen und so wird ein Perlenmeer denk-
bar, in welches die gnädige Majestät den
Günstling untertaucht. Zieht sie ihn wieder
hervor, so bleiben die Tropfen an ihm
hängen, und er ist köstlich geschmückt
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/555>, abgerufen am 23.07.2024. |