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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

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ten Epoche, paraphrastisch und suppleto-
risch, sie schmeichelt durch den fünffüssi-
gen Jambus dem nordöstlichen Ohr und
Sinn. Unserm Kosegarten dagegen ver-
danke ich wenige Verse unmittelbar aus
der Ursprache, welche freylich einen ganz
andern Aufschluss geben. Ueberdiess hat
sich der Engländer Transpositionen der
Motive erlaubt, die der geübte ästhetische
Blick sogleich entdeckt und missbilligt.

Warum wir aber die dritte Epoche
auch zugleich die letzte genannt, erklären
wir noch mit Wenigem. Eine Ueberse-
tzung die sich mit dem Original zu iden-
tificiren strebt nähert sich zuletzt der Inter-
linear-Version und erleichtert höchlich das
Verständniss des Originals, hiedurch wer-
den wir an den Grundtext hinangeführt, ja
getrieben und so ist denn zuletzt der ganze
Zirkel abgeschlossen, in welchem sich die
Annäherung des Fremden und Einheimi-
schen, des Bekannten und Unbekannten
bewegt.


ten Epoche, paraphrastisch und suppleto-
risch, sie schmeichelt durch den fünffüſsi-
gen Jambus dem nordöstlichen Ohr und
Sinn. Unserm Kosegarten dagegen ver-
danke ich wenige Verse unmittelbar aus
der Ursprache, welche freylich einen ganz
andern Aufschluſs geben. Ueberdieſs hat
sich der Engländer Transpositionen der
Motive erlaubt, die der geübte ästhetische
Blick sogleich entdeckt und miſsbilligt.

Warum wir aber die dritte Epoche
auch zugleich die letzte genannt, erklären
wir noch mit Wenigem. Eine Ueberse-
tzung die sich mit dem Original zu iden-
tificiren strebt nähert sich zuletzt der Inter-
linear-Version und erleichtert höchlich das
Verständniſs des Originals, hiedurch wer-
den wir an den Grundtext hinangeführt, ja
getrieben und so ist denn zuletzt der ganze
Zirkel abgeschlossen, in welchem sich die
Annäherung des Fremden und Einheimi-
schen, des Bekannten und Unbekannten
bewegt.


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[532/0542] ten Epoche, paraphrastisch und suppleto- risch, sie schmeichelt durch den fünffüſsi- gen Jambus dem nordöstlichen Ohr und Sinn. Unserm Kosegarten dagegen ver- danke ich wenige Verse unmittelbar aus der Ursprache, welche freylich einen ganz andern Aufschluſs geben. Ueberdieſs hat sich der Engländer Transpositionen der Motive erlaubt, die der geübte ästhetische Blick sogleich entdeckt und miſsbilligt. Warum wir aber die dritte Epoche auch zugleich die letzte genannt, erklären wir noch mit Wenigem. Eine Ueberse- tzung die sich mit dem Original zu iden- tificiren strebt nähert sich zuletzt der Inter- linear-Version und erleichtert höchlich das Verständniſs des Originals, hiedurch wer- den wir an den Grundtext hinangeführt, ja getrieben und so ist denn zuletzt der ganze Zirkel abgeschlossen, in welchem sich die Annäherung des Fremden und Einheimi- schen, des Bekannten und Unbekannten bewegt.

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/542>, abgerufen am 01.06.2024.