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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

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und Kleinen alles baar bezahlt werden muss;
wesshalb denn nicht allein alle auf dem
Wege liegenden Städte sich mit Vorräthen
reichlich versehen, sondern auch aus be-
nachbarten und entfernteren Provinzen Le-
bensmittel und Bedürfnisse unversiegbar zu-
fliessen.

Was aber lassen sich für strategische,
was für tactische Operationen von einer
solchen organisirten Unordnung erwarten?
besonders wenn man erfährt dass alle Volks-
Stamm- und Waffenabtheilungen sich im
Gefecht vermischen und ohne bestimmten
Vorder-, Neben- und Hintermann, wie es
der Zufall giebt, durcheinander kämpfen;
daher denn ein glücklich errungener Sieg
so leicht umschlagen und eine einzige ver-
lorne Schlacht auf viele Jahre hinaus das
Schicksal eines Reiches bestimmen kann.

Diesmal aber kommt es zu keinem sol-
chen furchtbaren Faust- und Waffengemen-
ge. Zwar dringt man, mit undenkbarer
Beschwerniss, durchs Gebirge; aber man
zaudert, weicht zurück, macht sogar An-
stalten die eigenen Städte zu zerstören, da-
mit der Feind in verwüsteten Landstrecken

und Kleinen alles baar bezahlt werden muſs;
weſshalb denn nicht allein alle auf dem
Wege liegenden Städte sich mit Vorräthen
reichlich versehen, sondern auch aus be-
nachbarten und entfernteren Provinzen Le-
bensmittel und Bedürfnisse unversiegbar zu-
flieſsen.

Was aber lassen sich für strategische,
was für tactische Operationen von einer
solchen organisirten Unordnung erwarten?
besonders wenn man erfährt daſs alle Volks-
Stamm- und Waffenabtheilungen sich im
Gefecht vermischen und ohne bestimmten
Vorder-, Neben- und Hintermann, wie es
der Zufall giebt, durcheinander kämpfen;
daher denn ein glücklich errungener Sieg
so leicht umschlagen und eine einzige ver-
lorne Schlacht auf viele Jahre hinaus das
Schicksal eines Reiches bestimmen kann.

Diesmal aber kommt es zu keinem sol-
chen furchtbaren Faust- und Waffengemen-
ge. Zwar dringt man, mit undenkbarer
Beschwerniſs, durchs Gebirge; aber man
zaudert, weicht zurück, macht sogar An-
stalten die eigenen Städte zu zerstören, da-
mit der Feind in verwüsteten Landstrecken

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[478[480]/0490] und Kleinen alles baar bezahlt werden muſs; weſshalb denn nicht allein alle auf dem Wege liegenden Städte sich mit Vorräthen reichlich versehen, sondern auch aus be- nachbarten und entfernteren Provinzen Le- bensmittel und Bedürfnisse unversiegbar zu- flieſsen. Was aber lassen sich für strategische, was für tactische Operationen von einer solchen organisirten Unordnung erwarten? besonders wenn man erfährt daſs alle Volks- Stamm- und Waffenabtheilungen sich im Gefecht vermischen und ohne bestimmten Vorder-, Neben- und Hintermann, wie es der Zufall giebt, durcheinander kämpfen; daher denn ein glücklich errungener Sieg so leicht umschlagen und eine einzige ver- lorne Schlacht auf viele Jahre hinaus das Schicksal eines Reiches bestimmen kann. Diesmal aber kommt es zu keinem sol- chen furchtbaren Faust- und Waffengemen- ge. Zwar dringt man, mit undenkbarer Beschwerniſs, durchs Gebirge; aber man zaudert, weicht zurück, macht sogar An- stalten die eigenen Städte zu zerstören, da- mit der Feind in verwüsteten Landstrecken

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 478[480]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/490>, abgerufen am 25.11.2024.