Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

unterbrochen thätig benutzt, um von allen
Zuständen und Verhältnissen genau Nach-
richt einzuziehen. Wie lebendig sind da-
her seine Darstellungen! wie genau seine
Nachrichten! Endlich, nachdem er alles
ausgekostet, fehlt ihm noch der Gipfel des
ganzen Zustandes, die persönliche Bekannt-
schaft des von ihm so hoch bewunderten
Kaisers, der Begriff wie es bey Hof, im
Gefecht, bey der Armee zugehe.

In dem Lande Mazenderan, der süd-
lichen Küste des Caspischen Meers, in ei-
ner, freylich sumpfigen, ungesunden Ge-
gend, legte sich der thätige unruhige Fürst
abermals eine grosse Stadt an, Ferhabad
benannt, und bevölkerte sie mit beorderten
Bürgern; sogleich in der Nähe erbaut er
sich manchen Bergsitz auf den Höhen des
amphitheatralischen Kessels, nicht allzuweit
von seinen Gegnern den Russen und Türken,
in einer durch Bergrücken geschützten Lage.
Dort residirt er gewöhnlich und della Valle
sucht ihn auf. Mit Maani kommt er an, wird
wohl empfangen, nach einem orientalisch
klugen, vorsichtigen Zaudern, dem Könige
vorgestellt, gewinnt dessen Gunst und wird

unterbrochen thätig benutzt, um von allen
Zuständen und Verhältnissen genau Nach-
richt einzuziehen. Wie lebendig sind da-
her seine Darstellungen! wie genau seine
Nachrichten! Endlich, nachdem er alles
ausgekostet, fehlt ihm noch der Gipfel des
ganzen Zustandes, die persönliche Bekannt-
schaft des von ihm so hoch bewunderten
Kaisers, der Begriff wie es bey Hof, im
Gefecht, bey der Armee zugehe.

In dem Lande Mazenderan, der süd-
lichen Küste des Caspischen Meers, in ei-
ner, freylich sumpfigen, ungesunden Ge-
gend, legte sich der thätige unruhige Fürst
abermals eine groſse Stadt an, Ferhabad
benannt, und bevölkerte sie mit beorderten
Bürgern; sogleich in der Nähe erbaut er
sich manchen Bergsitz auf den Höhen des
amphitheatralischen Kessels, nicht allzuweit
von seinen Gegnern den Russen und Türken,
in einer durch Bergrücken geschützten Lage.
Dort residirt er gewöhnlich und della Valle
sucht ihn auf. Mit Maani kommt er an, wird
wohl empfangen, nach einem orientalisch
klugen, vorsichtigen Zaudern, dem Könige
vorgestellt, gewinnt dessen Gunst und wird

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0485" n="473[475]"/>
unterbrochen thätig benutzt, um von allen<lb/>
Zuständen und Verhältnissen genau Nach-<lb/>
richt einzuziehen. Wie lebendig sind da-<lb/>
her seine Darstellungen! wie genau seine<lb/>
Nachrichten! Endlich, nachdem er alles<lb/>
ausgekostet, fehlt ihm noch der Gipfel des<lb/>
ganzen Zustandes, die persönliche Bekannt-<lb/>
schaft des von ihm so hoch bewunderten<lb/>
Kaisers, der Begriff wie es bey Hof, im<lb/>
Gefecht, bey der Armee zugehe.</p><lb/>
          <p>In dem Lande Mazenderan, der süd-<lb/>
lichen Küste des Caspischen Meers, in ei-<lb/>
ner, freylich sumpfigen, ungesunden Ge-<lb/>
gend, legte sich der thätige unruhige Fürst<lb/>
abermals eine gro&#x017F;se Stadt an, Ferhabad<lb/>
benannt, und bevölkerte sie mit beorderten<lb/>
Bürgern; sogleich in der Nähe erbaut er<lb/>
sich manchen Bergsitz auf den Höhen des<lb/>
amphitheatralischen Kessels, nicht allzuweit<lb/>
von seinen Gegnern den Russen und Türken,<lb/>
in einer durch Bergrücken geschützten Lage.<lb/>
Dort residirt er gewöhnlich und della Valle<lb/>
sucht ihn auf. Mit Maani kommt er an, wird<lb/>
wohl empfangen, nach einem orientalisch<lb/>
klugen, vorsichtigen Zaudern, dem Könige<lb/>
vorgestellt, gewinnt dessen Gunst und wird<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[473[475]/0485] unterbrochen thätig benutzt, um von allen Zuständen und Verhältnissen genau Nach- richt einzuziehen. Wie lebendig sind da- her seine Darstellungen! wie genau seine Nachrichten! Endlich, nachdem er alles ausgekostet, fehlt ihm noch der Gipfel des ganzen Zustandes, die persönliche Bekannt- schaft des von ihm so hoch bewunderten Kaisers, der Begriff wie es bey Hof, im Gefecht, bey der Armee zugehe. In dem Lande Mazenderan, der süd- lichen Küste des Caspischen Meers, in ei- ner, freylich sumpfigen, ungesunden Ge- gend, legte sich der thätige unruhige Fürst abermals eine groſse Stadt an, Ferhabad benannt, und bevölkerte sie mit beorderten Bürgern; sogleich in der Nähe erbaut er sich manchen Bergsitz auf den Höhen des amphitheatralischen Kessels, nicht allzuweit von seinen Gegnern den Russen und Türken, in einer durch Bergrücken geschützten Lage. Dort residirt er gewöhnlich und della Valle sucht ihn auf. Mit Maani kommt er an, wird wohl empfangen, nach einem orientalisch klugen, vorsichtigen Zaudern, dem Könige vorgestellt, gewinnt dessen Gunst und wird

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/485
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 473[475]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/485>, abgerufen am 16.06.2024.