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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

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sucht sie eher auf und beträgt sich überall
edel und ruhig; sie besteigt auf Mannsweise
das Pferd, weiss es zu bezähmen und anzutrei-
ben, und so bleibt sie eine muntere aufregende
Gefährtin. Eben so wichtig ist es, dass
sie unterwegs mit den sämmtlichen Frauen
in Berührung kommt, und ihr Gatte da-
her von den Männern gut aufgenommen,
bewirthet und unterhalten wird, indem sie
sich auf Frauenweise mit den Gattinnen zu
bethun und zu beschäftigen weiss.

Nun geniesst aber erst das junge Paar
eines, bey den bisherigen Wanderungen im
türkischen Reiche, unbekannten Glücks. Sie
betreten Persien im dreyssigsten Jahre der
Regierung Abbas des zweyten, der sich,
wie Peter und Friedrich, den Namen des
Grossen verdiente. Nach einer gefahrvollen,
bänglichen Jugend wird er sogleich beym
Antritt seiner Regierung aufs deutlichste
gewahr, wie er, um sein Reich zu beschü-
tzen, die Gränzen erweitern müsse, und
was für Mittel es gebe auch innerliche
Herrschaft zu sichern; zugleich geht Sinnen
und Trachten dahin das entvölkerte Reich
durch Fremdlinge wieder herzustellen und

sucht sie eher auf und beträgt sich überall
edel und ruhig; sie besteigt auf Mannsweise
das Pferd, weiſs es zu bezähmen und anzutrei-
ben, und so bleibt sie eine muntere aufregende
Gefährtin. Eben so wichtig ist es, daſs
sie unterwegs mit den sämmtlichen Frauen
in Berührung kommt, und ihr Gatte da-
her von den Männern gut aufgenommen,
bewirthet und unterhalten wird, indem sie
sich auf Frauenweise mit den Gattinnen zu
bethun und zu beschäftigen weiſs.

Nun genieſst aber erst das junge Paar
eines, bey den bisherigen Wanderungen im
türkischen Reiche, unbekannten Glücks. Sie
betreten Persien im dreyſsigsten Jahre der
Regierung Abbas des zweyten, der sich,
wie Peter und Friedrich, den Namen des
Groſsen verdiente. Nach einer gefahrvollen,
bänglichen Jugend wird er sogleich beym
Antritt seiner Regierung aufs deutlichste
gewahr, wie er, um sein Reich zu beschü-
tzen, die Gränzen erweitern müsse, und
was für Mittel es gebe auch innerliche
Herrschaft zu sichern; zugleich geht Sinnen
und Trachten dahin das entvölkerte Reich
durch Fremdlinge wieder herzustellen und

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[471[473]/0483] sucht sie eher auf und beträgt sich überall edel und ruhig; sie besteigt auf Mannsweise das Pferd, weiſs es zu bezähmen und anzutrei- ben, und so bleibt sie eine muntere aufregende Gefährtin. Eben so wichtig ist es, daſs sie unterwegs mit den sämmtlichen Frauen in Berührung kommt, und ihr Gatte da- her von den Männern gut aufgenommen, bewirthet und unterhalten wird, indem sie sich auf Frauenweise mit den Gattinnen zu bethun und zu beschäftigen weiſs. Nun genieſst aber erst das junge Paar eines, bey den bisherigen Wanderungen im türkischen Reiche, unbekannten Glücks. Sie betreten Persien im dreyſsigsten Jahre der Regierung Abbas des zweyten, der sich, wie Peter und Friedrich, den Namen des Groſsen verdiente. Nach einer gefahrvollen, bänglichen Jugend wird er sogleich beym Antritt seiner Regierung aufs deutlichste gewahr, wie er, um sein Reich zu beschü- tzen, die Gränzen erweitern müsse, und was für Mittel es gebe auch innerliche Herrschaft zu sichern; zugleich geht Sinnen und Trachten dahin das entvölkerte Reich durch Fremdlinge wieder herzustellen und

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 471[473]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/483>, abgerufen am 16.06.2024.