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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

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es wegen Lüsternheit grosse Plage erlitten,
durch den Namen Gelüstgräber, dann
zogen sie gen Hazaroth, und lagerten
sich ferner in der Wüste Paran. Dieser
zurückgelegte Weg bleibt unbezweifelt. Sie
waren nun schon nah an dem Ziel ihrer
Reise, nur stand ihnen das Gebirg entge-
gen, wodurch das Land Canaan von der
Wüste getrennt wird. Man beschloss Kund-
schafter auszuschicken und rückte indessen
weiter vor bis Kades. Hierhin kehrten
die Botschafter zurück, brachten Nachrich-
ten von der Vortrefflichkeit des Landes,
aber leider auch von der Furchtbarkeit der
Einwohner. Hier entstand nun abermals
ein trauriger Zwiespalt und der Wettstreit
von Glauben und Unglauben begann aufs
neue.

Unglücklicher Weise hatte Moses noch
weniger Feldherren- als Regententalente.
Schon während des Streites gegen die Ama-
lekiter begab er sich auf den Berg um zu
beten, mittlerweile Josua an der Spitze des
Heers den lange hin- und wieder schwan-
kenden Sieg endlich dem Feinde abgewann.
Nun zu Kades befand man sich wieder in

es wegen Lüsternheit groſse Plage erlitten,
durch den Namen Gelüstgräber, dann
zogen sie gen Hazaroth, und lagerten
sich ferner in der Wüste Paran. Dieser
zurückgelegte Weg bleibt unbezweifelt. Sie
waren nun schon nah an dem Ziel ihrer
Reise, nur stand ihnen das Gebirg entge-
gen, wodurch das Land Canaan von der
Wüste getrennt wird. Man beschloſs Kund-
schafter auszuschicken und rückte indessen
weiter vor bis Kades. Hierhin kehrten
die Botschafter zurück, brachten Nachrich-
ten von der Vortrefflichkeit des Landes,
aber leider auch von der Furchtbarkeit der
Einwohner. Hier entstand nun abermals
ein trauriger Zwiespalt und der Wettstreit
von Glauben und Unglauben begann aufs
neue.

Unglücklicher Weise hatte Moses noch
weniger Feldherren- als Regententalente.
Schon während des Streites gegen die Ama-
lekiter begab er sich auf den Berg um zu
beten, mittlerweile Josua an der Spitze des
Heers den lange hin- und wieder schwan-
kenden Sieg endlich dem Feinde abgewann.
Nun zu Kades befand man sich wieder in

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[439[441]/0451] es wegen Lüsternheit groſse Plage erlitten, durch den Namen Gelüstgräber, dann zogen sie gen Hazaroth, und lagerten sich ferner in der Wüste Paran. Dieser zurückgelegte Weg bleibt unbezweifelt. Sie waren nun schon nah an dem Ziel ihrer Reise, nur stand ihnen das Gebirg entge- gen, wodurch das Land Canaan von der Wüste getrennt wird. Man beschloſs Kund- schafter auszuschicken und rückte indessen weiter vor bis Kades. Hierhin kehrten die Botschafter zurück, brachten Nachrich- ten von der Vortrefflichkeit des Landes, aber leider auch von der Furchtbarkeit der Einwohner. Hier entstand nun abermals ein trauriger Zwiespalt und der Wettstreit von Glauben und Unglauben begann aufs neue. Unglücklicher Weise hatte Moses noch weniger Feldherren- als Regententalente. Schon während des Streites gegen die Ama- lekiter begab er sich auf den Berg um zu beten, mittlerweile Josua an der Spitze des Heers den lange hin- und wieder schwan- kenden Sieg endlich dem Feinde abgewann. Nun zu Kades befand man sich wieder in

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 439[441]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/451>, abgerufen am 16.06.2024.