che haben wir in Deutschland erlebt, wo vor funfzig Jahren die Erziehung dahin ge- richtet war, die sämmtlichen Heranwach- senden bibelfest zu machen; man lernte nicht allein bedeutende Sprüche auswendig, sondern erlangte zugleich von dem übrigen genugsame Kenntniss. Nun gab es mehrere Menschen, die eine grosse Fertigkeit hatten auf alles was vorkam biblische Sprüche an- zuwenden und die heilige Schrift in der Conversation zu verbrauchen. Nicht zu läugnen ist, dass hieraus die witzigsten, anmuthigsten Erwiederungen entstanden, wie denn noch heutiges Tags gewisse ewig anwendbare Hauptstellen hie und da im Ge- spräch vorkommen.
Gleicherweise bedient man sich classi- scher Worte, wodurch wir Gefühl und Er- eigniss als ewig wiederkehrend bezeichnen und aussprechen.
Auch wir vor funfzig Jahren, als Jüng- linge, die einheimischen Dichter vereh- rend, belebten das Gedächtniss durch ihre Schriften und erzeigten ihnen den schön- sten Beyfall, indem wir unsere Gedanken durch ihre gewählten und gebildeten Worte
che haben wir in Deutschland erlebt, wo vor funfzig Jahren die Erziehung dahin ge- richtet war, die sämmtlichen Heranwach- senden bibelfest zu machen; man lernte nicht allein bedeutende Sprüche auswendig, sondern erlangte zugleich von dem übrigen genugsame Kenntniſs. Nun gab es mehrere Menschen, die eine groſse Fertigkeit hatten auf alles was vorkam biblische Sprüche an- zuwenden und die heilige Schrift in der Conversation zu verbrauchen. Nicht zu läugnen ist, daſs hieraus die witzigsten, anmuthigsten Erwiederungen entstanden, wie denn noch heutiges Tags gewisse ewig anwendbare Hauptstellen hie und da im Ge- spräch vorkommen.
Gleicherweise bedient man sich classi- scher Worte, wodurch wir Gefühl und Er- eigniſs als ewig wiederkehrend bezeichnen und aussprechen.
Auch wir vor funfzig Jahren, als Jüng- linge, die einheimischen Dichter vereh- rend, belebten das Gedächtniſs durch ihre Schriften und erzeigten ihnen den schön- sten Beyfall, indem wir unsere Gedanken durch ihre gewählten und gebildeten Worte
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[393/0403]
che haben wir in Deutschland erlebt, wo
vor funfzig Jahren die Erziehung dahin ge-
richtet war, die sämmtlichen Heranwach-
senden bibelfest zu machen; man lernte
nicht allein bedeutende Sprüche auswendig,
sondern erlangte zugleich von dem übrigen
genugsame Kenntniſs. Nun gab es mehrere
Menschen, die eine groſse Fertigkeit hatten
auf alles was vorkam biblische Sprüche an-
zuwenden und die heilige Schrift in der
Conversation zu verbrauchen. Nicht zu
läugnen ist, daſs hieraus die witzigsten,
anmuthigsten Erwiederungen entstanden,
wie denn noch heutiges Tags gewisse ewig
anwendbare Hauptstellen hie und da im Ge-
spräch vorkommen.
Gleicherweise bedient man sich classi-
scher Worte, wodurch wir Gefühl und Er-
eigniſs als ewig wiederkehrend bezeichnen
und aussprechen.
Auch wir vor funfzig Jahren, als Jüng-
linge, die einheimischen Dichter vereh-
rend, belebten das Gedächtniſs durch ihre
Schriften und erzeigten ihnen den schön-
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/403>, abgerufen am 21.11.2024.
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