Die Besonnenheit des Dichters bezieht sich eigentlich auf die Form, den Stoff giebt ihm die Welt nur allzufreygebig, der Ge- halt entspringt freywillig aus der Fülle sei- nes Innern; bewusstlos begegnen beyde ein- ander und zuletzt weiss man nicht, wem eigentlich der Reichthum angehöre.
Aber die Form, ob sie schon vorzüg- lich im Genie liegt, will erkannt, will bedacht seyn, und hier wird Besonnenheit gefor- dert, dass Form, Stoff und Gehalt sich zu einander schicken, sich in einander fügen, sich einander durchdringen.
Der Dichter steht viel zu hoch als dass er Parthey machen sollte. Heiterkeit und Bewusstseyn sind die schönen Gaben, für die er dem Schöpfer dankt: Bewusstseyn, dass er vor dem Furchtbaren nicht erschre- cke, Heiterkeit, dass er alles erfreulich dar- zustellen wisse.
Eingeschaltetes.
Die Besonnenheit des Dichters bezieht sich eigentlich auf die Form, den Stoff giebt ihm die Welt nur allzufreygebig, der Ge- halt entspringt freywillig aus der Fülle sei- nes Innern; bewuſstlos begegnen beyde ein- ander und zuletzt weiſs man nicht, wem eigentlich der Reichthum angehöre.
Aber die Form, ob sie schon vorzüg- lich im Genie liegt, will erkannt, will bedacht seyn, und hier wird Besonnenheit gefor- dert, daſs Form, Stoff und Gehalt sich zu einander schicken, sich in einander fügen, sich einander durchdringen.
Der Dichter steht viel zu hoch als daſs er Parthey machen sollte. Heiterkeit und Bewuſstseyn sind die schönen Gaben, für die er dem Schöpfer dankt: Bewuſstseyn, daſs er vor dem Furchtbaren nicht erschre- cke, Heiterkeit, daſs er alles erfreulich dar- zustellen wisse.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0370"n="360"/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#i"><hirendition="#g">Eingeschaltetes</hi></hi>.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Die Besonnenheit des Dichters bezieht<lb/>
sich eigentlich auf die Form, den Stoff giebt<lb/>
ihm die Welt nur allzufreygebig, der Ge-<lb/>
halt entspringt freywillig aus der Fülle sei-<lb/>
nes Innern; bewuſstlos begegnen beyde ein-<lb/>
ander und zuletzt weiſs man nicht, wem<lb/>
eigentlich der Reichthum angehöre.</p><lb/><p>Aber die Form, ob sie schon vorzüg-<lb/>
lich im Genie liegt, will erkannt, will bedacht<lb/>
seyn, und hier wird Besonnenheit gefor-<lb/>
dert, daſs Form, Stoff und Gehalt sich zu<lb/>
einander schicken, sich in einander fügen,<lb/>
sich einander durchdringen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Der Dichter steht viel zu hoch als daſs<lb/>
er Parthey machen sollte. Heiterkeit und<lb/>
Bewuſstseyn sind die schönen Gaben, für<lb/>
die er dem Schöpfer dankt: Bewuſstseyn,<lb/>
daſs er vor dem Furchtbaren nicht erschre-<lb/>
cke, Heiterkeit, daſs er alles erfreulich dar-<lb/>
zustellen wisse.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[360/0370]
Eingeschaltetes.
Die Besonnenheit des Dichters bezieht
sich eigentlich auf die Form, den Stoff giebt
ihm die Welt nur allzufreygebig, der Ge-
halt entspringt freywillig aus der Fülle sei-
nes Innern; bewuſstlos begegnen beyde ein-
ander und zuletzt weiſs man nicht, wem
eigentlich der Reichthum angehöre.
Aber die Form, ob sie schon vorzüg-
lich im Genie liegt, will erkannt, will bedacht
seyn, und hier wird Besonnenheit gefor-
dert, daſs Form, Stoff und Gehalt sich zu
einander schicken, sich in einander fügen,
sich einander durchdringen.
Der Dichter steht viel zu hoch als daſs
er Parthey machen sollte. Heiterkeit und
Bewuſstseyn sind die schönen Gaben, für
die er dem Schöpfer dankt: Bewuſstseyn,
daſs er vor dem Furchtbaren nicht erschre-
cke, Heiterkeit, daſs er alles erfreulich dar-
zustellen wisse.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/370>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.