Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

bey würdiger Gelegenheit angewendet, zu-
letzt immer häufiger gebraucht und gemiss-
braucht. So sagt Hafis wirklich possen-
haft:

Mein Kopf im Staub des Weges
Des Wirthes seyn wird.

Ein tieferes Studium würde vielleicht
die Vermuthung bestätigen, dass frühere
Dichter mit solchen Ausdrücken viel be-
scheidener verfahren und nur spätere, auf
demselben Schauplatz in derselben Sprache
sich ergehend, endlich auch solche Miss-
bräuche, nicht einmal recht im Ernst, son-
dern parodistisch beliebt, bis sich end-
lich die Tropen dergestalt vom Gegenstand
weg verlieren, dass kein Verhältniss mehr
weder gedacht noch empfunden werden
kann.

Und so schliessen wir denn mit den lieb-
lichen Zeilen Enweris, welcher, so anmu-
thig als schicklich, einen werthen Dichter
seiner Zeit verehrt:

bey würdiger Gelegenheit angewendet, zu-
letzt immer häufiger gebraucht und gemiſs-
braucht. So sagt Hafis wirklich possen-
haft:

Mein Kopf im Staub des Weges
Des Wirthes seyn wird.

Ein tieferes Studium würde vielleicht
die Vermuthung bestätigen, daſs frühere
Dichter mit solchen Ausdrücken viel be-
scheidener verfahren und nur spätere, auf
demselben Schauplatz in derselben Sprache
sich ergehend, endlich auch solche Miſs-
bräuche, nicht einmal recht im Ernst, son-
dern parodistisch beliebt, bis sich end-
lich die Tropen dergestalt vom Gegenstand
weg verlieren, daſs kein Verhältniſs mehr
weder gedacht noch empfunden werden
kann.

Und so schlieſsen wir denn mit den lieb-
lichen Zeilen Enweris, welcher, so anmu-
thig als schicklich, einen werthen Dichter
seiner Zeit verehrt:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0354" n="344"/>
bey würdiger Gelegenheit angewendet, zu-<lb/>
letzt immer häufiger gebraucht und gemi&#x017F;s-<lb/>
braucht. So sagt Hafis wirklich possen-<lb/>
haft:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Mein Kopf im Staub des Weges</l><lb/>
            <l>Des Wirthes seyn wird.</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Ein tieferes Studium würde vielleicht<lb/>
die Vermuthung bestätigen, da&#x017F;s frühere<lb/>
Dichter mit solchen Ausdrücken viel be-<lb/>
scheidener verfahren und nur spätere, auf<lb/>
demselben Schauplatz in derselben Sprache<lb/>
sich ergehend, endlich auch solche Mi&#x017F;s-<lb/>
bräuche, nicht einmal recht im Ernst, son-<lb/>
dern parodistisch beliebt, bis sich end-<lb/>
lich die Tropen dergestalt vom Gegenstand<lb/>
weg verlieren, da&#x017F;s kein Verhältni&#x017F;s mehr<lb/>
weder gedacht noch empfunden werden<lb/>
kann.</p><lb/>
          <p>Und so schlie&#x017F;sen wir denn mit den lieb-<lb/>
lichen Zeilen Enweris, welcher, so anmu-<lb/>
thig als schicklich, einen werthen Dichter<lb/>
seiner Zeit verehrt:</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[344/0354] bey würdiger Gelegenheit angewendet, zu- letzt immer häufiger gebraucht und gemiſs- braucht. So sagt Hafis wirklich possen- haft: Mein Kopf im Staub des Weges Des Wirthes seyn wird. Ein tieferes Studium würde vielleicht die Vermuthung bestätigen, daſs frühere Dichter mit solchen Ausdrücken viel be- scheidener verfahren und nur spätere, auf demselben Schauplatz in derselben Sprache sich ergehend, endlich auch solche Miſs- bräuche, nicht einmal recht im Ernst, son- dern parodistisch beliebt, bis sich end- lich die Tropen dergestalt vom Gegenstand weg verlieren, daſs kein Verhältniſs mehr weder gedacht noch empfunden werden kann. Und so schlieſsen wir denn mit den lieb- lichen Zeilen Enweris, welcher, so anmu- thig als schicklich, einen werthen Dichter seiner Zeit verehrt:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/354
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/354>, abgerufen am 29.11.2024.