in Ausbreitung seines Glaubens und Zerstö- rung des Götzendienstes. Der Glaube an den einigen Gott wirkt immer geisterhebend, indem er den Menschen auf die Einheit seines eignen Innern zurückweist. Näher steht der Nationalprophete, der nur Anhäng- lichkeit und Förmlichkeiten fordert und eine Religion auszubreiten befiehlt, die, wie eine jede, zu unendlichen Auslegungen und Missdeutungen dem Secten- und Par- teygeist Raum lässt und demohngeachtet im- mer dieselbige bleibt.
Eine solche einfache Gottesverehrung musste mit dem Indischen Götzendienste im herbsten Widerspruch stehen, Gegenwir- kung und Kampf, ja blutige Vernichtungs- kriege hervorrufen, wobey sich der Eifer des Zerstörens und Bekehrens noch durch Gewinn unendlicher Schätze erhöht fühlte. Ungeheure, fratzenhafte Bilder, deren hoh- ler Körper mit Gold und Juwelen ausge- füllt erfunden ward, schlug man in Stücke und sendete sie, geviertheilt, verschiedene Schwellen Mahometanischer Heilorte zu pflastern.' Noch jetzt sind die Indischen Ungeheuer jedem reinen Gefühle verhasst,
in Ausbreitung seines Glaubens und Zerstö- rung des Götzendienstes. Der Glaube an den einigen Gott wirkt immer geisterhebend, indem er den Menschen auf die Einheit seines eignen Innern zurückweist. Näher steht der Nationalprophete, der nur Anhäng- lichkeit und Förmlichkeiten fordert und eine Religion auszubreiten befiehlt, die, wie eine jede, zu unendlichen Auslegungen und Miſsdeutungen dem Secten- und Par- teygeist Raum läſst und demohngeachtet im- mer dieselbige bleibt.
Eine solche einfache Gottesverehrung muſste mit dem Indischen Götzendienste im herbsten Widerspruch stehen, Gegenwir- kung und Kampf, ja blutige Vernichtungs- kriege hervorrufen, wobey sich der Eifer des Zerstörens und Bekehrens noch durch Gewinn unendlicher Schätze erhöht fühlte. Ungeheure, fratzenhafte Bilder, deren hoh- ler Körper mit Gold und Juwelen ausge- füllt erfunden ward, schlug man in Stücke und sendete sie, geviertheilt, verschiedene Schwellen Mahometanischer Heilorte zu pflastern.’ Noch jetzt sind die Indischen Ungeheuer jedem reinen Gefühle verhaſst,
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in Ausbreitung seines Glaubens und Zerstö-
rung des Götzendienstes. Der Glaube an
den einigen Gott wirkt immer geisterhebend,
indem er den Menschen auf die Einheit
seines eignen Innern zurückweist. Näher
steht der Nationalprophete, der nur Anhäng-
lichkeit und Förmlichkeiten fordert und
eine Religion auszubreiten befiehlt, die,
wie eine jede, zu unendlichen Auslegungen
und Miſsdeutungen dem Secten- und Par-
teygeist Raum läſst und demohngeachtet im-
mer dieselbige bleibt.
Eine solche einfache Gottesverehrung
muſste mit dem Indischen Götzendienste im
herbsten Widerspruch stehen, Gegenwir-
kung und Kampf, ja blutige Vernichtungs-
kriege hervorrufen, wobey sich der Eifer
des Zerstörens und Bekehrens noch durch
Gewinn unendlicher Schätze erhöht fühlte.
Ungeheure, fratzenhafte Bilder, deren hoh-
ler Körper mit Gold und Juwelen ausge-
füllt erfunden ward, schlug man in Stücke
und sendete sie, geviertheilt, verschiedene
Schwellen Mahometanischer Heilorte zu
pflastern.’ Noch jetzt sind die Indischen
Ungeheuer jedem reinen Gefühle verhaſst,
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/303>, abgerufen am 22.12.2024.
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