nem Einzigen, es sey für Einen Kriegszug, für mehrere; dem tüchtigen Manne verleiht sie den gefährlichen Posten auf Lebenszeit, auch wohl endlich für seine Nachkommen. Und so verschafft sich der Einzelne, durch die Fähigkeit Krieg zu führen, das Recht den Krieg zu erklären.
Hieraus fliesst nun ferner die Befugniss jeden Staatsbürger, der ohnehin als kampf- lustig und streitfertig angesehen werden darf, in die Schlacht zu rufen, zu fordern, zu zwingen. Diese Conscription musste von jeher, wenn sie sich gerecht und wirksam erzeigen wollte, unbarmherzig seyn. Der erste Darius rüstet sich gegen verdächtige Nachbarn, das unzählige Volk gehorcht dem Wink. Ein Greis liefert drey Söhne, er bittet den Jüngsten vom Feldzuge zu be- freyen, der König sendet ihm den Knaben in Stücken zerhauen zurück. Hier ist also das Recht über Leben und Tod schon aus- gesprochen. In der Schlacht selbst leidets keine Frage: denn wird nicht oft willkühr- lich, ungeschickt ein ganzer Heerestheil vergebens aufgeopfert, und niemand fordert Rechenschaft vom Anführer.
nem Einzigen, es sey für Einen Kriegszug, für mehrere; dem tüchtigen Manne verleiht sie den gefährlichen Posten auf Lebenszeit, auch wohl endlich für seine Nachkommen. Und so verschafft sich der Einzelne, durch die Fähigkeit Krieg zu führen, das Recht den Krieg zu erklären.
Hieraus flieſst nun ferner die Befugniſs jeden Staatsbürger, der ohnehin als kampf- lustig und streitfertig angesehen werden darf, in die Schlacht zu rufen, zu fordern, zu zwingen. Diese Conscription muſste von jeher, wenn sie sich gerecht und wirksam erzeigen wollte, unbarmherzig seyn. Der erste Darius rüstet sich gegen verdächtige Nachbarn, das unzählige Volk gehorcht dem Wink. Ein Greis liefert drey Söhne, er bittet den Jüngsten vom Feldzuge zu be- freyen, der König sendet ihm den Knaben in Stücken zerhauen zurück. Hier ist also das Recht über Leben und Tod schon aus- gesprochen. In der Schlacht selbst leidets keine Frage: denn wird nicht oft willkühr- lich, ungeschickt ein ganzer Heerestheil vergebens aufgeopfert, und niemand fordert Rechenschaft vom Anführer.
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nem Einzigen, es sey für Einen Kriegszug,
für mehrere; dem tüchtigen Manne verleiht
sie den gefährlichen Posten auf Lebenszeit,
auch wohl endlich für seine Nachkommen.
Und so verschafft sich der Einzelne, durch
die Fähigkeit Krieg zu führen, das Recht
den Krieg zu erklären.
Hieraus flieſst nun ferner die Befugniſs
jeden Staatsbürger, der ohnehin als kampf-
lustig und streitfertig angesehen werden
darf, in die Schlacht zu rufen, zu fordern,
zu zwingen. Diese Conscription muſste von
jeher, wenn sie sich gerecht und wirksam
erzeigen wollte, unbarmherzig seyn. Der
erste Darius rüstet sich gegen verdächtige
Nachbarn, das unzählige Volk gehorcht dem
Wink. Ein Greis liefert drey Söhne, er
bittet den Jüngsten vom Feldzuge zu be-
freyen, der König sendet ihm den Knaben
in Stücken zerhauen zurück. Hier ist also
das Recht über Leben und Tod schon aus-
gesprochen. In der Schlacht selbst leidets
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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/281>, abgerufen am 22.12.2024.
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