Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

nem Einzigen, es sey für Einen Kriegszug,
für mehrere; dem tüchtigen Manne verleiht
sie den gefährlichen Posten auf Lebenszeit,
auch wohl endlich für seine Nachkommen.
Und so verschafft sich der Einzelne, durch
die Fähigkeit Krieg zu führen, das Recht
den Krieg zu erklären.

Hieraus fliesst nun ferner die Befugniss
jeden Staatsbürger, der ohnehin als kampf-
lustig und streitfertig angesehen werden
darf, in die Schlacht zu rufen, zu fordern,
zu zwingen. Diese Conscription musste von
jeher, wenn sie sich gerecht und wirksam
erzeigen wollte, unbarmherzig seyn. Der
erste Darius rüstet sich gegen verdächtige
Nachbarn, das unzählige Volk gehorcht dem
Wink. Ein Greis liefert drey Söhne, er
bittet den Jüngsten vom Feldzuge zu be-
freyen, der König sendet ihm den Knaben
in Stücken zerhauen zurück. Hier ist also
das Recht über Leben und Tod schon aus-
gesprochen. In der Schlacht selbst leidets
keine Frage: denn wird nicht oft willkühr-
lich, ungeschickt ein ganzer Heerestheil
vergebens aufgeopfert, und niemand fordert
Rechenschaft vom Anführer.

nem Einzigen, es sey für Einen Kriegszug,
für mehrere; dem tüchtigen Manne verleiht
sie den gefährlichen Posten auf Lebenszeit,
auch wohl endlich für seine Nachkommen.
Und so verschafft sich der Einzelne, durch
die Fähigkeit Krieg zu führen, das Recht
den Krieg zu erklären.

Hieraus flieſst nun ferner die Befugniſs
jeden Staatsbürger, der ohnehin als kampf-
lustig und streitfertig angesehen werden
darf, in die Schlacht zu rufen, zu fordern,
zu zwingen. Diese Conscription muſste von
jeher, wenn sie sich gerecht und wirksam
erzeigen wollte, unbarmherzig seyn. Der
erste Darius rüstet sich gegen verdächtige
Nachbarn, das unzählige Volk gehorcht dem
Wink. Ein Greis liefert drey Söhne, er
bittet den Jüngsten vom Feldzuge zu be-
freyen, der König sendet ihm den Knaben
in Stücken zerhauen zurück. Hier ist also
das Recht über Leben und Tod schon aus-
gesprochen. In der Schlacht selbst leidets
keine Frage: denn wird nicht oft willkühr-
lich, ungeschickt ein ganzer Heerestheil
vergebens aufgeopfert, und niemand fordert
Rechenschaft vom Anführer.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0281" n="271"/>
nem Einzigen, es sey für Einen Kriegszug,<lb/>
für mehrere; dem tüchtigen Manne verleiht<lb/>
sie den gefährlichen Posten auf Lebenszeit,<lb/>
auch wohl endlich für seine Nachkommen.<lb/>
Und so verschafft sich der Einzelne, durch<lb/>
die Fähigkeit Krieg zu führen, das Recht<lb/>
den Krieg zu erklären.</p><lb/>
          <p>Hieraus flie&#x017F;st nun ferner die Befugni&#x017F;s<lb/>
jeden Staatsbürger, der ohnehin als kampf-<lb/>
lustig und streitfertig angesehen werden<lb/>
darf, in die Schlacht zu rufen, zu fordern,<lb/>
zu zwingen. Diese Conscription mu&#x017F;ste von<lb/>
jeher, wenn sie sich gerecht und wirksam<lb/>
erzeigen wollte, unbarmherzig seyn. Der<lb/>
erste Darius rüstet sich gegen verdächtige<lb/>
Nachbarn, das unzählige Volk gehorcht dem<lb/>
Wink. Ein Greis liefert drey Söhne, er<lb/>
bittet den Jüngsten vom Feldzuge zu be-<lb/>
freyen, der König sendet ihm den Knaben<lb/>
in Stücken zerhauen zurück. Hier ist also<lb/>
das Recht über Leben und Tod schon aus-<lb/>
gesprochen. In der Schlacht selbst leidets<lb/>
keine Frage: denn wird nicht oft willkühr-<lb/>
lich, ungeschickt ein ganzer Heerestheil<lb/>
vergebens aufgeopfert, und niemand fordert<lb/>
Rechenschaft vom Anführer.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0281] nem Einzigen, es sey für Einen Kriegszug, für mehrere; dem tüchtigen Manne verleiht sie den gefährlichen Posten auf Lebenszeit, auch wohl endlich für seine Nachkommen. Und so verschafft sich der Einzelne, durch die Fähigkeit Krieg zu führen, das Recht den Krieg zu erklären. Hieraus flieſst nun ferner die Befugniſs jeden Staatsbürger, der ohnehin als kampf- lustig und streitfertig angesehen werden darf, in die Schlacht zu rufen, zu fordern, zu zwingen. Diese Conscription muſste von jeher, wenn sie sich gerecht und wirksam erzeigen wollte, unbarmherzig seyn. Der erste Darius rüstet sich gegen verdächtige Nachbarn, das unzählige Volk gehorcht dem Wink. Ein Greis liefert drey Söhne, er bittet den Jüngsten vom Feldzuge zu be- freyen, der König sendet ihm den Knaben in Stücken zerhauen zurück. Hier ist also das Recht über Leben und Tod schon aus- gesprochen. In der Schlacht selbst leidets keine Frage: denn wird nicht oft willkühr- lich, ungeschickt ein ganzer Heerestheil vergebens aufgeopfert, und niemand fordert Rechenschaft vom Anführer.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/281
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/281>, abgerufen am 22.12.2024.