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Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.

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begünstigt, von den Sassaniden wieder her-
vorgehoben und versammlet, bewiesen sie
sich immer fest auf ihren Grundsätzen, und
widerstrebten dem Regenten der diesen zu-
widerhandelte. Wie sie denn die Verbin-
dung des Chosru mit der schönen Schirin,
einer Christin, auf alle Weise beyden Thei-
len widersetzlich verleideten.

Endlich von den Arabern auf immer
verdrängt und nach Indien vertrieben und
was von ihnen oder ihren Geistesverwand-
ten in Persien zurückblieb bis auf den heu-
tigen Tag verachtet und beschimpft, bald
geduldet, bald verfolgt nach Willkühr der
Herrscher, hält sich noch diese Religion
hie und da in der frühesten Reinheit, selbst
in kümmerlichen Winkeln, wie der Dich-
ter solches durch das Vermächtniss des
alten Parsen
auszudrücken gesucht hat.

Dass man daher dieser Religion durch
lange Zeiten durch sehr viel schuldig gewor-
den, dass in ihr die Möglichkeit einer höhern
Cultur lag, die sich im westlichen Theile
der östlichen Welt verbreitet, ist wohl
nicht zu bezweifeln. Zwar ist es höchst
schwierig einen Begriff zu geben, wie und

begünstigt, von den Sassaniden wieder her-
vorgehoben und versammlet, bewiesen sie
sich immer fest auf ihren Grundsätzen, und
widerstrebten dem Regenten der diesen zu-
widerhandelte. Wie sie denn die Verbin-
dung des Chosru mit der schönen Schirin,
einer Christin, auf alle Weise beyden Thei-
len widersetzlich verleideten.

Endlich von den Arabern auf immer
verdrängt und nach Indien vertrieben und
was von ihnen oder ihren Geistesverwand-
ten in Persien zurückblieb bis auf den heu-
tigen Tag verachtet und beschimpft, bald
geduldet, bald verfolgt nach Willkühr der
Herrscher, hält sich noch diese Religion
hie und da in der frühesten Reinheit, selbst
in kümmerlichen Winkeln, wie der Dich-
ter solches durch das Vermächtniſs des
alten Parsen
auszudrücken gesucht hat.

Daſs man daher dieser Religion durch
lange Zeiten durch sehr viel schuldig gewor-
den, daſs in ihr die Möglichkeit einer höhern
Cultur lag, die sich im westlichen Theile
der östlichen Welt verbreitet, ist wohl
nicht zu bezweifeln. Zwar ist es höchst
schwierig einen Begriff zu geben, wie und

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[268/0278] begünstigt, von den Sassaniden wieder her- vorgehoben und versammlet, bewiesen sie sich immer fest auf ihren Grundsätzen, und widerstrebten dem Regenten der diesen zu- widerhandelte. Wie sie denn die Verbin- dung des Chosru mit der schönen Schirin, einer Christin, auf alle Weise beyden Thei- len widersetzlich verleideten. Endlich von den Arabern auf immer verdrängt und nach Indien vertrieben und was von ihnen oder ihren Geistesverwand- ten in Persien zurückblieb bis auf den heu- tigen Tag verachtet und beschimpft, bald geduldet, bald verfolgt nach Willkühr der Herrscher, hält sich noch diese Religion hie und da in der frühesten Reinheit, selbst in kümmerlichen Winkeln, wie der Dich- ter solches durch das Vermächtniſs des alten Parsen auszudrücken gesucht hat. Daſs man daher dieser Religion durch lange Zeiten durch sehr viel schuldig gewor- den, daſs in ihr die Möglichkeit einer höhern Cultur lag, die sich im westlichen Theile der östlichen Welt verbreitet, ist wohl nicht zu bezweifeln. Zwar ist es höchst schwierig einen Begriff zu geben, wie und

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/278>, abgerufen am 16.06.2024.