Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819.Und so möcht' ich alle Freunde Jung und alt in Eins versammlen, Gar zu gern in deutscher Sprache Paradieses-Worte stammlen. Doch man horcht nun Dialekten Wie sich Mensch und Engel kosen, Der Grammatik, der versteckten, Declinirend Mohn und Rosen. Mag man ferner auch in Blicken Sich rhetorisch gern ergehen, Und zu himmlischem Entzücken Ohne Klang und Ton erhöhen. Ton und Klang jedoch entwindet Sich dem Worte selbstverständlich, Und entschiedener empfindet Der Verklärte sich unendlich. Ist somit dem Fünf der Sinne Vorgesehn im Paradiese, Sicher ist es ich gewinne Einen Sinn für alle diese. Und so möcht’ ich alle Freunde Jung und alt in Eins versammlen, Gar zu gern in deutscher Sprache Paradieses-Worte stammlen. Doch man horcht nun Dialekten Wie sich Mensch und Engel kosen, Der Grammatik, der versteckten, Declinirend Mohn und Rosen. Mag man ferner auch in Blicken Sich rhetorisch gern ergehen, Und zu himmlischem Entzücken Ohne Klang und Ton erhöhen. Ton und Klang jedoch entwindet Sich dem Worte selbstverständlich, Und entschiedener empfindet Der Verklärte sich unendlich. Ist somit dem Fünf der Sinne Vorgesehn im Paradiese, Sicher ist es ich gewinne Einen Sinn für alle diese. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0243" n="233"/> <lg n="5"> <l>Und so möcht’ ich alle Freunde</l><lb/> <l>Jung und alt in Eins versammlen,</l><lb/> <l>Gar zu gern in deutscher Sprache</l><lb/> <l>Paradieses-Worte stammlen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Doch man horcht nun Dialekten</l><lb/> <l>Wie sich Mensch und Engel kosen,</l><lb/> <l>Der Grammatik, der versteckten,</l><lb/> <l>Declinirend Mohn und Rosen.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Mag man ferner auch in Blicken</l><lb/> <l>Sich rhetorisch gern ergehen,</l><lb/> <l>Und zu himmlischem Entzücken</l><lb/> <l>Ohne Klang und Ton erhöhen.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Ton und Klang jedoch entwindet</l><lb/> <l>Sich dem Worte selbstverständlich,</l><lb/> <l>Und entschiedener empfindet</l><lb/> <l>Der Verklärte sich unendlich.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Ist somit dem Fünf der Sinne</l><lb/> <l>Vorgesehn im Paradiese,</l><lb/> <l>Sicher ist es ich gewinne</l><lb/> <l>Einen Sinn für alle diese.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [233/0243]
Und so möcht’ ich alle Freunde
Jung und alt in Eins versammlen,
Gar zu gern in deutscher Sprache
Paradieses-Worte stammlen.
Doch man horcht nun Dialekten
Wie sich Mensch und Engel kosen,
Der Grammatik, der versteckten,
Declinirend Mohn und Rosen.
Mag man ferner auch in Blicken
Sich rhetorisch gern ergehen,
Und zu himmlischem Entzücken
Ohne Klang und Ton erhöhen.
Ton und Klang jedoch entwindet
Sich dem Worte selbstverständlich,
Und entschiedener empfindet
Der Verklärte sich unendlich.
Ist somit dem Fünf der Sinne
Vorgesehn im Paradiese,
Sicher ist es ich gewinne
Einen Sinn für alle diese.
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Zitationshilfe: | Goethe, Johann Wolfgang von: West-östlicher Divan. Stuttgart, 1819, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_divan_1819/243>, abgerufen am 23.07.2024. |