Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

Dieser hatte mit seinem Vater siebenzehn Jahre lang von
1275 an am Hofe des großen Chan Cublai verweilt,
wußte sich bei ihm in großes Ansehen zu setzen, so daß er
in den mannigfaltigen Geschäften, zu denen er gebraucht
wurde, beinahe alle die Gegenden besuchte, die später
auch Montevilla sah, und kehrte im Jahr 1295 über
Indien nach Venedig zürück. Sein Aufenthalt an die-
sem Hofe fiel eben in die Periode des höchsten Glanzes
jenes großen Tartarreiches, das der Schrecken der gan-
zen alten Welt im Mittelalter war. Nie hat die Ge-
schichte eine größere Herrschaft gesehen. Während die
Gränzen nordwärts bis ans Eismeer gingen, und des
großen Chan's Untergebne dort auf Hundeschlitten
Zobel, Hermeline und blaue Füchse zum Tribut für
ihren Fürsten jagten, hatte er südwärts von dem größten
Theile von Indien sich Meister gemacht, und die Edel-
gesteine, die Perlen und Gewürze dieses Landes strömten
gegen Rindenassignaten in seinen Schatz, und selbst die
Inseln erfuhren häufig die Stärke seines Arms; während
er auf gleiche Weise ostwärts China eroberte, und Ar-
meen über das Meer zur gleichen Bezwingung Japans
oder Zipangri's aussendete, drang er westwärts durch das
eiserne Thor in Vorderasien ein, zerstörte das Reich der
Caliphen in Bagdad, kämpfte oft und heftig mit den
Sultanen in Aegypten um Syrien und Palästina, und

Dieſer hatte mit ſeinem Vater ſiebenzehn Jahre lang von
1275 an am Hofe des großen Chan Cublai verweilt,
wußte ſich bei ihm in großes Anſehen zu ſetzen, ſo daß er
in den mannigfaltigen Geſchäften, zu denen er gebraucht
wurde, beinahe alle die Gegenden beſuchte, die ſpäter
auch Montevilla ſah, und kehrte im Jahr 1295 über
Indien nach Venedig zürück. Sein Aufenthalt an die-
ſem Hofe fiel eben in die Periode des höchſten Glanzes
jenes großen Tartarreiches, das der Schrecken der gan-
zen alten Welt im Mittelalter war. Nie hat die Ge-
ſchichte eine größere Herrſchaft geſehen. Während die
Gränzen nordwärts bis ans Eismeer gingen, und des
großen Chan’s Untergebne dort auf Hundeſchlitten
Zobel, Hermeline und blaue Füchſe zum Tribut für
ihren Fürſten jagten, hatte er ſüdwärts von dem größten
Theile von Indien ſich Meiſter gemacht, und die Edel-
geſteine, die Perlen und Gewürze dieſes Landes ſtrömten
gegen Rindenaſſignaten in ſeinen Schatz, und ſelbſt die
Inſeln erfuhren häufig die Stärke ſeines Arms; während
er auf gleiche Weiſe oſtwärts China eroberte, und Ar-
meen über das Meer zur gleichen Bezwingung Japans
oder Zipangri’s ausſendete, drang er weſtwärts durch das
eiſerne Thor in Vorderaſien ein, zerſtörte das Reich der
Caliphen in Bagdad, kämpfte oft und heftig mit den
Sultanen in Aegypten um Syrien und Paläſtina, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0082" n="64"/>
Die&#x017F;er hatte mit &#x017F;einem Vater &#x017F;iebenzehn Jahre lang von<lb/>
1275 an am Hofe des großen Chan Cublai verweilt,<lb/>
wußte &#x017F;ich bei ihm in großes An&#x017F;ehen zu &#x017F;etzen, &#x017F;o daß er<lb/>
in den mannigfaltigen Ge&#x017F;chäften, zu denen er gebraucht<lb/>
wurde, beinahe alle die Gegenden be&#x017F;uchte, die &#x017F;päter<lb/>
auch Montevilla &#x017F;ah, und kehrte im Jahr 1295 über<lb/>
Indien nach Venedig zürück. Sein Aufenthalt an die-<lb/>
&#x017F;em Hofe fiel eben in die Periode des höch&#x017F;ten Glanzes<lb/>
jenes großen Tartarreiches, das der Schrecken der gan-<lb/>
zen alten Welt im Mittelalter war. Nie hat die Ge-<lb/>
&#x017F;chichte eine größere Herr&#x017F;chaft ge&#x017F;ehen. Während die<lb/>
Gränzen nordwärts bis ans Eismeer gingen, und des<lb/>
großen Chan&#x2019;s Untergebne dort auf Hunde&#x017F;chlitten<lb/>
Zobel, Hermeline und blaue Füch&#x017F;e zum Tribut für<lb/>
ihren Für&#x017F;ten jagten, hatte er &#x017F;üdwärts von dem größten<lb/>
Theile von Indien &#x017F;ich Mei&#x017F;ter gemacht, und die Edel-<lb/>
ge&#x017F;teine, die Perlen und Gewürze die&#x017F;es Landes &#x017F;trömten<lb/>
gegen Rindena&#x017F;&#x017F;ignaten in &#x017F;einen Schatz, und &#x017F;elb&#x017F;t die<lb/>
In&#x017F;eln erfuhren häufig die Stärke &#x017F;eines Arms; während<lb/>
er auf gleiche Wei&#x017F;e o&#x017F;twärts China eroberte, und Ar-<lb/>
meen über das Meer zur gleichen Bezwingung Japans<lb/>
oder Zipangri&#x2019;s aus&#x017F;endete, drang er we&#x017F;twärts durch das<lb/>
ei&#x017F;erne Thor in Vordera&#x017F;ien ein, zer&#x017F;törte das Reich der<lb/>
Caliphen in Bagdad, kämpfte oft und heftig mit den<lb/>
Sultanen in Aegypten um Syrien und Palä&#x017F;tina, und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0082] Dieſer hatte mit ſeinem Vater ſiebenzehn Jahre lang von 1275 an am Hofe des großen Chan Cublai verweilt, wußte ſich bei ihm in großes Anſehen zu ſetzen, ſo daß er in den mannigfaltigen Geſchäften, zu denen er gebraucht wurde, beinahe alle die Gegenden beſuchte, die ſpäter auch Montevilla ſah, und kehrte im Jahr 1295 über Indien nach Venedig zürück. Sein Aufenthalt an die- ſem Hofe fiel eben in die Periode des höchſten Glanzes jenes großen Tartarreiches, das der Schrecken der gan- zen alten Welt im Mittelalter war. Nie hat die Ge- ſchichte eine größere Herrſchaft geſehen. Während die Gränzen nordwärts bis ans Eismeer gingen, und des großen Chan’s Untergebne dort auf Hundeſchlitten Zobel, Hermeline und blaue Füchſe zum Tribut für ihren Fürſten jagten, hatte er ſüdwärts von dem größten Theile von Indien ſich Meiſter gemacht, und die Edel- geſteine, die Perlen und Gewürze dieſes Landes ſtrömten gegen Rindenaſſignaten in ſeinen Schatz, und ſelbſt die Inſeln erfuhren häufig die Stärke ſeines Arms; während er auf gleiche Weiſe oſtwärts China eroberte, und Ar- meen über das Meer zur gleichen Bezwingung Japans oder Zipangri’s ausſendete, drang er weſtwärts durch das eiſerne Thor in Vorderaſien ein, zerſtörte das Reich der Caliphen in Bagdad, kämpfte oft und heftig mit den Sultanen in Aegypten um Syrien und Paläſtina, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/82
Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/82>, abgerufen am 24.11.2024.