Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.nicht von früherer mündlicher Ueberlieferung ausgegan- Fragen wir aber nun noch nach dem allgemeinen *) Ich rechne dahin unter Andern die neuen Leipziger Volks-
bücher bei Solbrig, mehrere aus Musäus abgedruckte Volkssagen sind zwar nicht unzweckmäßig gewählt, obgleich der in ihnen herrschende Ton keineswegs eigentlicher Volkston, und ihre Naivetät nicht Volksnaivetät ist. Alles andere aber ist meist so leer, so gehaltlos und fatal, daß die fade Speise nothwendig den Instinct des Volkes eckeln mußte. nicht von früherer mündlicher Ueberlieferung ausgegan- Fragen wir aber nun noch nach dem allgemeinen *) Ich rechne dahin unter Andern die neuen Leipziger Volks-
bücher bei Solbrig, mehrere aus Muſäus abgedruckte Volksſagen ſind zwar nicht unzweckmäßig gewählt, obgleich der in ihnen herrſchende Ton keineswegs eigentlicher Volkston, und ihre Naivetät nicht Volksnaivetät iſt. Alles andere aber iſt meiſt ſo leer, ſo gehaltlos und fatal, daß die fade Speiſe nothwendig den Inſtinct des Volkes eckeln mußte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0039" n="21"/> nicht von früherer mündlicher Ueberlieferung ausgegan-<lb/> gen, mithin auch nicht wie die rein Poetiſchen aus<lb/> dem Volke ſelbſt hervorgewachſen, und auch keineswegs<lb/> ſo tief mit ſeiner innerſten Natur verwachſen, wie es<lb/> Dieſe ſind. Sie ordnen ſich am nächſten jenen ſpätern<lb/> Verſuchen der Neuern bey, dieſe Literatur zu erweitern<lb/> durch andere der großen Maſſe fremde Combinationen,<lb/> mit denen vorher nie das Volk vertraut geweſen, die<lb/> daher auch in ihrer Wirkung ſo wenig gedeihlich und<lb/> ſo oft unnütz geweſen ſind <note place="foot" n="*)">Ich rechne dahin unter Andern die neuen Leipziger Volks-<lb/> bücher bei <hi rendition="#g">Solbrig</hi>, mehrere aus <hi rendition="#g">Muſäus</hi> abgedruckte<lb/> Volksſagen ſind zwar nicht unzweckmäßig gewählt, obgleich<lb/> der in ihnen herrſchende Ton keineswegs eigentlicher<lb/> Volkston, und ihre Naivetät nicht Volksnaivetät iſt.<lb/> Alles andere aber iſt meiſt ſo leer, ſo gehaltlos und fatal,<lb/> daß die fade Speiſe nothwendig den Inſtinct des Volkes<lb/> eckeln mußte.</note>. Das Volk hat ſie nicht<lb/> mit der Liebe umfaſſen können, wie jene Früheren,<lb/> mit denen es gleichſam aufgewachſen, und in welchen<lb/> es erſtaunt auf einmal ſein eigenſtes Eigenthum erkannte,<lb/> und klar und deutlich im Worte ausgeſprochen fand,<lb/> was es wohl oft mit ſchwerer, dicker Zunge undeutlich<lb/> nur articuliren konnte.</p><lb/> <p>Fragen wir aber nun noch nach dem allgemeinen<lb/> Character, der alle dieſe Schriften gemeinſchaftlich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0039]
nicht von früherer mündlicher Ueberlieferung ausgegan-
gen, mithin auch nicht wie die rein Poetiſchen aus
dem Volke ſelbſt hervorgewachſen, und auch keineswegs
ſo tief mit ſeiner innerſten Natur verwachſen, wie es
Dieſe ſind. Sie ordnen ſich am nächſten jenen ſpätern
Verſuchen der Neuern bey, dieſe Literatur zu erweitern
durch andere der großen Maſſe fremde Combinationen,
mit denen vorher nie das Volk vertraut geweſen, die
daher auch in ihrer Wirkung ſo wenig gedeihlich und
ſo oft unnütz geweſen ſind *). Das Volk hat ſie nicht
mit der Liebe umfaſſen können, wie jene Früheren,
mit denen es gleichſam aufgewachſen, und in welchen
es erſtaunt auf einmal ſein eigenſtes Eigenthum erkannte,
und klar und deutlich im Worte ausgeſprochen fand,
was es wohl oft mit ſchwerer, dicker Zunge undeutlich
nur articuliren konnte.
Fragen wir aber nun noch nach dem allgemeinen
Character, der alle dieſe Schriften gemeinſchaftlich
*) Ich rechne dahin unter Andern die neuen Leipziger Volks-
bücher bei Solbrig, mehrere aus Muſäus abgedruckte
Volksſagen ſind zwar nicht unzweckmäßig gewählt, obgleich
der in ihnen herrſchende Ton keineswegs eigentlicher
Volkston, und ihre Naivetät nicht Volksnaivetät iſt.
Alles andere aber iſt meiſt ſo leer, ſo gehaltlos und fatal,
daß die fade Speiſe nothwendig den Inſtinct des Volkes
eckeln mußte.
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