während sie es doch nur in höherer Ordnung in ihren In- stitutionen wiederhohlen, hatte der Geist der antiken Freiheit sich noch erhalten, und die Freyen in einem Ritterthume sich fortgepflanzt, und die ganze Kernhaf- tigkeit der alten Zeit ruhte auf diesen Rittern, die ganze wilde Kraft der Leidenschaft trieb die rohen in sich ungezügelten Gemüther, und ausgleichend und beschwichtigend und glühend schwebte dann die Religion über dem Toben, und beschwor den Sturm, und führte Ebenmaß zurück und Ruhe in die brausende Gährung. Es war ein metallenes Geschlecht, und das Metall im Menschen wurde in ihm durch Feuers Macht zum reinen Silberblick geläutert, und die Schlacken zogen sich in die Knochenasche des gemeinen und des Irdischen nieder. Und was das Alterthum in dem Grade nie gekannt, auch in der Weiblichkeit trat ein Priesterthum hervor, das die Prophetinen der alten nordischen Zeit weissagend vorverkündigt; auch die Schön- heit hatte sich von den Schranken des Sinnlichen losge- wunden, auch sie war triumphirend und verklärt zum Himmel aufgestiegen, und wohnte nun bey Gott; die Geschlechtsverhältnisse aber, die im Alterthume in sich selbst ihre Bedeutung trugen, waren zu Symbolen nun geworden, emblematisch sollten sie das Höhere deuten, und im Fleische den inneren lebendigen Geist
während ſie es doch nur in höherer Ordnung in ihren In- ſtitutionen wiederhohlen, hatte der Geiſt der antiken Freiheit ſich noch erhalten, und die Freyen in einem Ritterthume ſich fortgepflanzt, und die ganze Kernhaf- tigkeit der alten Zeit ruhte auf dieſen Rittern, die ganze wilde Kraft der Leidenſchaft trieb die rohen in ſich ungezügelten Gemüther, und ausgleichend und beſchwichtigend und glühend ſchwebte dann die Religion über dem Toben, und beſchwor den Sturm, und führte Ebenmaß zurück und Ruhe in die brauſende Gährung. Es war ein metallenes Geſchlecht, und das Metall im Menſchen wurde in ihm durch Feuers Macht zum reinen Silberblick geläutert, und die Schlacken zogen ſich in die Knochenaſche des gemeinen und des Irdiſchen nieder. Und was das Alterthum in dem Grade nie gekannt, auch in der Weiblichkeit trat ein Prieſterthum hervor, das die Prophetinen der alten nordiſchen Zeit weiſſagend vorverkündigt; auch die Schön- heit hatte ſich von den Schranken des Sinnlichen losge- wunden, auch ſie war triumphirend und verklärt zum Himmel aufgeſtiegen, und wohnte nun bey Gott; die Geſchlechtsverhältniſſe aber, die im Alterthume in ſich ſelbſt ihre Bedeutung trugen, waren zu Symbolen nun geworden, emblematiſch ſollten ſie das Höhere deuten, und im Fleiſche den inneren lebendigen Geiſt
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während ſie es doch nur in höherer Ordnung in ihren In-
ſtitutionen wiederhohlen, hatte der Geiſt der antiken
Freiheit ſich noch erhalten, und die Freyen in einem
Ritterthume ſich fortgepflanzt, und die ganze Kernhaf-
tigkeit der alten Zeit ruhte auf dieſen Rittern, die
ganze wilde Kraft der Leidenſchaft trieb die rohen in
ſich ungezügelten Gemüther, und ausgleichend und
beſchwichtigend und glühend ſchwebte dann die Religion
über dem Toben, und beſchwor den Sturm, und
führte Ebenmaß zurück und Ruhe in die brauſende
Gährung. Es war ein metallenes Geſchlecht, und das
Metall im Menſchen wurde in ihm durch Feuers
Macht zum reinen Silberblick geläutert, und die
Schlacken zogen ſich in die Knochenaſche des gemeinen
und des Irdiſchen nieder. Und was das Alterthum in
dem Grade nie gekannt, auch in der Weiblichkeit trat
ein Prieſterthum hervor, das die Prophetinen der alten
nordiſchen Zeit weiſſagend vorverkündigt; auch die Schön-
heit hatte ſich von den Schranken des Sinnlichen losge-
wunden, auch ſie war triumphirend und verklärt zum
Himmel aufgeſtiegen, und wohnte nun bey Gott; die
Geſchlechtsverhältniſſe aber, die im Alterthume in ſich
ſelbſt ihre Bedeutung trugen, waren zu Symbolen
nun geworden, emblematiſch ſollten ſie das Höhere
deuten, und im Fleiſche den inneren lebendigen Geiſt
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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/293>, abgerufen am 24.11.2024.
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