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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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sondern auf den Trojanern liegt *). Anderst hingegen
in den Gedichten, die auf jene Apotheose folgen; z. B.
dem Strickäre oder dem Puech von Chunich Carl und

*) Es ist eine merkwürdige, wohl zu beachtende Erscheinung
um diese Opposition. Früher schon haben wir einen ähn-
lichen Gegensatz des Heldenbuchs gegen die Nibelungen,
der Ritter von Veren gegen die Ritter vom Rheine
berührt, der wahrscheinlich mit dem Gegensatze der Gothen
und Hunnen gegen die germanischen Völker auf irgend
eine Weise zusammenhängt: denn bekanntlich war Diete-
rich von Vern eine Zeitlang Herr von Rom, ein Gothe,
und sein Land lag hinter Ungarn und Panonien, während
in den Nibelungen Attila und die Hunnen durchaus die unter-
geordnete Rolle spielen. Unläugbar ist auch hier eine gleiche
Reaction angelegt. Schon im Leben erfuhr Carl der Große
eine Solche von Seiten der französischen Barone, als er den
Gedanken faßte, ein occidentalisches Kaiserthum zu consti-
tuiren, in dem Frankreich als untergeordnetes Nebenland
erscheinen sollte, und so ist es ihm denn auch in der Dicht-
ung hier geworden. Offenbar spielt die Handlung im
Lager der Trojaner, die eben die Franken schon zu
Carls Zeiten, wie die Geschichtschreiber der Zeit berichten,
als ihre Stammeltern erkannten; das Leben und die
Kraft und die Bewegung ist auf Seiten der Heymonskinder,
Carl aber gleichsam nur die Schranke, die nothwendige
Bedingung um dies Leben hervorzurufen: wie ein Berg
steht sein Zorn und sein Eigensinn vor ihnen da, und diesen
Berg haben die Brüder abzutragen. Die Hauptmasse des
Lichtes liegt überall auf den kämpfenden Heldenjünglingen;
der alte Kaiser aber erscheint eben so im Schatten des Hinter-
grundes, mächtig, stark und groß, aber ungewandt und
wenig gelenk, einem Elephanten gleich, der sich mit einem

ſondern auf den Trojanern liegt *). Anderſt hingegen
in den Gedichten, die auf jene Apotheoſe folgen; z. B.
dem Strickäre oder dem Puech von Chunich Carl und

*) Es iſt eine merkwürdige, wohl zu beachtende Erſcheinung
um dieſe Oppoſition. Früher ſchon haben wir einen ähn-
lichen Gegenſatz des Heldenbuchs gegen die Nibelungen,
der Ritter von Veren gegen die Ritter vom Rheine
berührt, der wahrſcheinlich mit dem Gegenſatze der Gothen
und Hunnen gegen die germaniſchen Völker auf irgend
eine Weiſe zuſammenhängt: denn bekanntlich war Diete-
rich von Vern eine Zeitlang Herr von Rom, ein Gothe,
und ſein Land lag hinter Ungarn und Panonien, während
in den Nibelungen Attila und die Hunnen durchaus die unter-
geordnete Rolle ſpielen. Unläugbar iſt auch hier eine gleiche
Reaction angelegt. Schon im Leben erfuhr Carl der Große
eine Solche von Seiten der franzöſiſchen Barone, als er den
Gedanken faßte, ein occidentaliſches Kaiſerthum zu conſti-
tuiren, in dem Frankreich als untergeordnetes Nebenland
erſcheinen ſollte, und ſo iſt es ihm denn auch in der Dicht-
ung hier geworden. Offenbar ſpielt die Handlung im
Lager der Trojaner, die eben die Franken ſchon zu
Carls Zeiten, wie die Geſchichtſchreiber der Zeit berichten,
als ihre Stammeltern erkannten; das Leben und die
Kraft und die Bewegung iſt auf Seiten der Heymonskinder,
Carl aber gleichſam nur die Schranke, die nothwendige
Bedingung um dies Leben hervorzurufen: wie ein Berg
ſteht ſein Zorn und ſein Eigenſinn vor ihnen da, und dieſen
Berg haben die Brüder abzutragen. Die Hauptmaſſe des
Lichtes liegt überall auf den kämpfenden Heldenjünglingen;
der alte Kaiſer aber erſcheint eben ſo im Schatten des Hinter-
grundes, mächtig, ſtark und groß, aber ungewandt und
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[123/0141] ſondern auf den Trojanern liegt *). Anderſt hingegen in den Gedichten, die auf jene Apotheoſe folgen; z. B. dem Strickäre oder dem Puech von Chunich Carl und *) Es iſt eine merkwürdige, wohl zu beachtende Erſcheinung um dieſe Oppoſition. Früher ſchon haben wir einen ähn- lichen Gegenſatz des Heldenbuchs gegen die Nibelungen, der Ritter von Veren gegen die Ritter vom Rheine berührt, der wahrſcheinlich mit dem Gegenſatze der Gothen und Hunnen gegen die germaniſchen Völker auf irgend eine Weiſe zuſammenhängt: denn bekanntlich war Diete- rich von Vern eine Zeitlang Herr von Rom, ein Gothe, und ſein Land lag hinter Ungarn und Panonien, während in den Nibelungen Attila und die Hunnen durchaus die unter- geordnete Rolle ſpielen. Unläugbar iſt auch hier eine gleiche Reaction angelegt. Schon im Leben erfuhr Carl der Große eine Solche von Seiten der franzöſiſchen Barone, als er den Gedanken faßte, ein occidentaliſches Kaiſerthum zu conſti- tuiren, in dem Frankreich als untergeordnetes Nebenland erſcheinen ſollte, und ſo iſt es ihm denn auch in der Dicht- ung hier geworden. Offenbar ſpielt die Handlung im Lager der Trojaner, die eben die Franken ſchon zu Carls Zeiten, wie die Geſchichtſchreiber der Zeit berichten, als ihre Stammeltern erkannten; das Leben und die Kraft und die Bewegung iſt auf Seiten der Heymonskinder, Carl aber gleichſam nur die Schranke, die nothwendige Bedingung um dies Leben hervorzurufen: wie ein Berg ſteht ſein Zorn und ſein Eigenſinn vor ihnen da, und dieſen Berg haben die Brüder abzutragen. Die Hauptmaſſe des Lichtes liegt überall auf den kämpfenden Heldenjünglingen; der alte Kaiſer aber erſcheint eben ſo im Schatten des Hinter- grundes, mächtig, ſtark und groß, aber ungewandt und wenig gelenk, einem Elephanten gleich, der ſich mit einem

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/141>, abgerufen am 22.11.2024.