Folge der Zeiten geschieden haben. Man giebt gewöhn- lich den Anfang des dreizehnten Jahrhunderts als den Zeitpunkt an, in dem die Heymonskinder gedichtet wor- den seyen; indessen mögte ihre Entstehung wohl in einer noch entferntern Zeit gesucht werden müssen. Betrachtet man nämlich die verschiednen romantischen Dichtungen, die innerhalb dem Kreise der Heldengenossenschaft und um ihren Mittelpunkt, Carl den Großen, sich bewegen, dann sieht man sie durch eine bestimmte Gränze geschie- den, um die sie nach entgegengesetzten Richtungen auch einen entgegengesetzten Character tragen. In der Hei- ligsprechung Carls findet jene sondernde Gränze sich gegeben. Vor dieser Periode nämlich mußte der große Mann mit seinen Zeitgenossen einer verwandten, rein heroischen Zeit auch allein als Heros, als tapferer, kriege- rischer Regent erscheinen. Sobald mehrere Jahrhunderte über ihre Thaten sich hergegossen, sobald eine dämmernde Ferne sie umhüllt, da trat jene Erscheinung ein, die man am Meeres-Ufer bemerkt, und Mirage nennt; wie die fernen Berge, losgerissen von der Erde, auf dem Dufte schwebende Luftbilder hängen, so wurden diese Thaten gleichfalls in die Höhen der Poesie hin- aufgespiegelt, und ein an sich schon romantisches Leben, wurde vollends zum Heldenromane ausgedichtet. So mußten daher diese ersten Gedichte durchaus einen
Folge der Zeiten geſchieden haben. Man giebt gewöhn- lich den Anfang des dreizehnten Jahrhunderts als den Zeitpunkt an, in dem die Heymonskinder gedichtet wor- den ſeyen; indeſſen mögte ihre Entſtehung wohl in einer noch entferntern Zeit geſucht werden müſſen. Betrachtet man nämlich die verſchiednen romantiſchen Dichtungen, die innerhalb dem Kreiſe der Heldengenoſſenſchaft und um ihren Mittelpunkt, Carl den Großen, ſich bewegen, dann ſieht man ſie durch eine beſtimmte Gränze geſchie- den, um die ſie nach entgegengeſetzten Richtungen auch einen entgegengeſetzten Character tragen. In der Hei- ligſprechung Carls findet jene ſondernde Gränze ſich gegeben. Vor dieſer Periode nämlich mußte der große Mann mit ſeinen Zeitgenoſſen einer verwandten, rein heroiſchen Zeit auch allein als Heros, als tapferer, kriege- riſcher Regent erſcheinen. Sobald mehrere Jahrhunderte über ihre Thaten ſich hergegoſſen, ſobald eine dämmernde Ferne ſie umhüllt, da trat jene Erſcheinung ein, die man am Meeres-Ufer bemerkt, und Mirage nennt; wie die fernen Berge, losgeriſſen von der Erde, auf dem Dufte ſchwebende Luftbilder hängen, ſo wurden dieſe Thaten gleichfalls in die Höhen der Poeſie hin- aufgeſpiegelt, und ein an ſich ſchon romantiſches Leben, wurde vollends zum Heldenromane ausgedichtet. So mußten daher dieſe erſten Gedichte durchaus einen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0138"n="120"/>
Folge der Zeiten geſchieden haben. Man giebt gewöhn-<lb/>
lich den Anfang des dreizehnten Jahrhunderts als den<lb/>
Zeitpunkt an, in dem die Heymonskinder gedichtet wor-<lb/>
den ſeyen; indeſſen mögte ihre Entſtehung wohl in einer<lb/>
noch entferntern Zeit geſucht werden müſſen. Betrachtet<lb/>
man nämlich die verſchiednen romantiſchen Dichtungen,<lb/>
die innerhalb dem Kreiſe der Heldengenoſſenſchaft und<lb/>
um ihren Mittelpunkt, Carl den Großen, ſich bewegen,<lb/>
dann ſieht man ſie durch eine beſtimmte Gränze geſchie-<lb/>
den, um die ſie nach entgegengeſetzten Richtungen auch<lb/>
einen entgegengeſetzten Character tragen. In der Hei-<lb/>
ligſprechung Carls findet jene ſondernde Gränze ſich<lb/>
gegeben. Vor dieſer Periode nämlich mußte der große<lb/>
Mann mit ſeinen Zeitgenoſſen einer verwandten, rein<lb/>
heroiſchen Zeit auch allein als Heros, als tapferer, kriege-<lb/>
riſcher Regent erſcheinen. Sobald mehrere Jahrhunderte<lb/>
über ihre Thaten ſich hergegoſſen, ſobald eine dämmernde<lb/>
Ferne ſie umhüllt, da trat jene Erſcheinung ein, die<lb/>
man am Meeres-Ufer bemerkt, und Mirage nennt;<lb/>
wie die fernen Berge, losgeriſſen von der Erde, auf<lb/>
dem Dufte ſchwebende Luftbilder hängen, ſo wurden<lb/>
dieſe Thaten gleichfalls in die Höhen der Poeſie hin-<lb/>
aufgeſpiegelt, und ein an ſich ſchon romantiſches Leben,<lb/>
wurde vollends zum Heldenromane ausgedichtet. So<lb/>
mußten daher dieſe erſten Gedichte durchaus einen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[120/0138]
Folge der Zeiten geſchieden haben. Man giebt gewöhn-
lich den Anfang des dreizehnten Jahrhunderts als den
Zeitpunkt an, in dem die Heymonskinder gedichtet wor-
den ſeyen; indeſſen mögte ihre Entſtehung wohl in einer
noch entferntern Zeit geſucht werden müſſen. Betrachtet
man nämlich die verſchiednen romantiſchen Dichtungen,
die innerhalb dem Kreiſe der Heldengenoſſenſchaft und
um ihren Mittelpunkt, Carl den Großen, ſich bewegen,
dann ſieht man ſie durch eine beſtimmte Gränze geſchie-
den, um die ſie nach entgegengeſetzten Richtungen auch
einen entgegengeſetzten Character tragen. In der Hei-
ligſprechung Carls findet jene ſondernde Gränze ſich
gegeben. Vor dieſer Periode nämlich mußte der große
Mann mit ſeinen Zeitgenoſſen einer verwandten, rein
heroiſchen Zeit auch allein als Heros, als tapferer, kriege-
riſcher Regent erſcheinen. Sobald mehrere Jahrhunderte
über ihre Thaten ſich hergegoſſen, ſobald eine dämmernde
Ferne ſie umhüllt, da trat jene Erſcheinung ein, die
man am Meeres-Ufer bemerkt, und Mirage nennt;
wie die fernen Berge, losgeriſſen von der Erde, auf
dem Dufte ſchwebende Luftbilder hängen, ſo wurden
dieſe Thaten gleichfalls in die Höhen der Poeſie hin-
aufgeſpiegelt, und ein an ſich ſchon romantiſches Leben,
wurde vollends zum Heldenromane ausgedichtet. So
mußten daher dieſe erſten Gedichte durchaus einen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/138>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.