Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.das, was aus den Herzen in's Leben eingedrungen, das, was aus den Herzen in's Leben eingedrungen, <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0214" n="206"/> das, was aus den Herzen in's Leben eingedrungen,<lb/> wird dort leicht ſiegreich werden. Darum je mehr die<lb/> Willkühr ſich erlaubt, um ſo enger ſollen ſich Alle an¬<lb/> einander ſchließen; wenn Alle ihrer Augen Licht im¬<lb/> mer auf eine Stelle richten, dann wird dort wie in<lb/> einem Brennpunkt ſich eine Flamme ſammeln, der<lb/> das Feuerfeſteſte ſelbſt nicht widerſtehen mag. Laßt<lb/> nicht ab zu fordern, was Euch angehört, kommt im¬<lb/> mer wieder auf denſelben Punkt zurück; aber alſo ſey<lb/> Euer Gang, daß Ihr keine Zwiſchenſtufe ungeduldig<lb/> überſpringet, noch auch einen Schritt vorwärts thut,<lb/> den Ihr zurückzuthun Euch genöthigt ſähet, und ſo<lb/> Ihr dann mit Muthe für Eure Sache ſteht, wird der<lb/> Erfolg nicht dem Bemühen fehlen. Aber indem Ihr<lb/> Recht nehmt, vergeßt nicht Recht zu geben, wem<lb/> Recht gebührt; und indem Ihr der Strenge des Grund¬<lb/> ſatzes nichts vergebt, unterlaßt nicht in der Anwen¬<lb/> dung Billigkeit zu üben: denn die Theorie iſt ſcharf<lb/> wie Schwertes Schneide und wie Feuers Flamme<lb/> freſſend; alles Menſchliche aber iſt aus Entgegenge¬<lb/> ſetztem gemiſcht, und in milden Uebergängen tempe¬<lb/> rirt, und ſeine Natur haßt wie Gift alles Unmäßige.<lb/> Laßt Euch nicht zu thörichtem Streit verhetzen, ſchon<lb/> die unlautere Quelle, aus der Euch der Antrieb<lb/> kömmt, ſoll Euch Verdacht einflößen; indem Ihr ha¬<lb/> dert, denken ſie lachend die Beute davon zu tragen.<lb/> Glaubt nicht, daß Euch eine neue Freyheit zu Theile<lb/> werde, ohne eine neue Leiſtung und daß das Gute<lb/> ohne Euer Zuthun Euch im Schlaf anfliege; das<lb/> ganze Streben dieſer Zeit kann nur <hi rendition="#g">einen</hi> vernünfti¬<lb/> gen Sinn in ſich haben: daß ſie reger, lebendiger<lb/> und tüchtiger zu ſeyn ſich vorgenommen, als die Frü¬<lb/> here geweſen; thut ſie in dieſer Weiſe, dann wird ihr<lb/> auch ein glücklicher Loos zu Theile fallen; iſt es an¬<lb/> ders, dann wird ſie ſich jämmerlich betrogen finden.<lb/> Denn Verfaſſungen ſind gar nichts ohne Bürgertu¬<lb/> gend, hätte dieſe in uns gelebt, dann wäre die Frey¬<lb/> heit nicht zu Grund gegangen; das bloße Verlangen<lb/> nach ihrer Wiederherſtellung iſt aber noch kein Be¬<lb/> weis, daß die Tüchtigkeit dazu zurückgekehrt. Nur all¬<lb/></p> </body> </text> </TEI> [206/0214]
das, was aus den Herzen in's Leben eingedrungen,
wird dort leicht ſiegreich werden. Darum je mehr die
Willkühr ſich erlaubt, um ſo enger ſollen ſich Alle an¬
einander ſchließen; wenn Alle ihrer Augen Licht im¬
mer auf eine Stelle richten, dann wird dort wie in
einem Brennpunkt ſich eine Flamme ſammeln, der
das Feuerfeſteſte ſelbſt nicht widerſtehen mag. Laßt
nicht ab zu fordern, was Euch angehört, kommt im¬
mer wieder auf denſelben Punkt zurück; aber alſo ſey
Euer Gang, daß Ihr keine Zwiſchenſtufe ungeduldig
überſpringet, noch auch einen Schritt vorwärts thut,
den Ihr zurückzuthun Euch genöthigt ſähet, und ſo
Ihr dann mit Muthe für Eure Sache ſteht, wird der
Erfolg nicht dem Bemühen fehlen. Aber indem Ihr
Recht nehmt, vergeßt nicht Recht zu geben, wem
Recht gebührt; und indem Ihr der Strenge des Grund¬
ſatzes nichts vergebt, unterlaßt nicht in der Anwen¬
dung Billigkeit zu üben: denn die Theorie iſt ſcharf
wie Schwertes Schneide und wie Feuers Flamme
freſſend; alles Menſchliche aber iſt aus Entgegenge¬
ſetztem gemiſcht, und in milden Uebergängen tempe¬
rirt, und ſeine Natur haßt wie Gift alles Unmäßige.
Laßt Euch nicht zu thörichtem Streit verhetzen, ſchon
die unlautere Quelle, aus der Euch der Antrieb
kömmt, ſoll Euch Verdacht einflößen; indem Ihr ha¬
dert, denken ſie lachend die Beute davon zu tragen.
Glaubt nicht, daß Euch eine neue Freyheit zu Theile
werde, ohne eine neue Leiſtung und daß das Gute
ohne Euer Zuthun Euch im Schlaf anfliege; das
ganze Streben dieſer Zeit kann nur einen vernünfti¬
gen Sinn in ſich haben: daß ſie reger, lebendiger
und tüchtiger zu ſeyn ſich vorgenommen, als die Frü¬
here geweſen; thut ſie in dieſer Weiſe, dann wird ihr
auch ein glücklicher Loos zu Theile fallen; iſt es an¬
ders, dann wird ſie ſich jämmerlich betrogen finden.
Denn Verfaſſungen ſind gar nichts ohne Bürgertu¬
gend, hätte dieſe in uns gelebt, dann wäre die Frey¬
heit nicht zu Grund gegangen; das bloße Verlangen
nach ihrer Wiederherſtellung iſt aber noch kein Be¬
weis, daß die Tüchtigkeit dazu zurückgekehrt. Nur all¬
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