Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

ergießen, das freilich nur allzu oft des bittern Zor¬
nes voll seyn mag: das ist der kärgliche Ertrag, den
seither so viele gewaltthätige Handlungen abgeworfen.
Unfähig zu begreifen, daß Thaten, wie sie jene jungen
Leute geübt, blos das Product einer einsamen, allein
mit sich selbst zu Rath gehenden, Betrachtung seyn
können, hat man sich darauf gesetzt, sie durchaus als
ein Ergebniß geselliger Verbindungen anzusehen, und
indem man wieder nach den Häuptern dieser Verbin¬
dungen und den ersten Anstiftern geforscht, beynahe
jeden durch seine Gesinnungen ausgezeichneten Mann
mit Verdacht besteckt, nicht bedenkend, daß gerade
bey der Jugend jeder, der feige blos zu einem Frevel
ohne eigne Theilnahme antreiben wollte, eben dadurch
auf immer jedes ehrende Vertrauen bey ihr verscher¬
zen wurde.

So hat man öffentliche Charactere, denen die Na¬
tion ihre Achtung zugewendet, die nichts gethan, was
irgend einen gegründeten Verdacht rechtfertigen konnte,
auf die man keine einzige wahrhafte Inzicht gehabt,
aufs schnödeste mißhandelt; man hat ihnen Commis¬
sionen hingesendet, die, weil sie sträflicher Umtriebe ver¬
dächtig seyen, ihre Papiere durchsuchen sollten; diese
nachdem sie unbedacht alle rechtlichen Formen vorbey¬
gegangen, und der Welt ein Urtheil über den Grad
der dabey aufgewendeten Besonnenheit an Hand gege¬
ben, haben den Frieden ihres Hauses gewaltsam ge¬
brochen, und nun eine Inquisition über alle ihre Pa¬
piere ohne Ausnahme, bis auf die persönlichsten Fa¬
milienangelegenheiten herab, begonnen, zu deren Vol¬
lendung nichts, als etwa eine Vivisection gefehlt, um

ergießen, das freilich nur allzu oft des bittern Zor¬
nes voll ſeyn mag: das iſt der kärgliche Ertrag, den
ſeither ſo viele gewaltthätige Handlungen abgeworfen.
Unfähig zu begreifen, daß Thaten, wie ſie jene jungen
Leute geübt, blos das Product einer einſamen, allein
mit ſich ſelbſt zu Rath gehenden, Betrachtung ſeyn
können, hat man ſich darauf geſetzt, ſie durchaus als
ein Ergebniß geſelliger Verbindungen anzuſehen, und
indem man wieder nach den Häuptern dieſer Verbin¬
dungen und den erſten Anſtiftern geforſcht, beynahe
jeden durch ſeine Geſinnungen ausgezeichneten Mann
mit Verdacht beſteckt, nicht bedenkend, daß gerade
bey der Jugend jeder, der feige blos zu einem Frevel
ohne eigne Theilnahme antreiben wollte, eben dadurch
auf immer jedes ehrende Vertrauen bey ihr verſcher¬
zen wurde.

So hat man öffentliche Charactere, denen die Na¬
tion ihre Achtung zugewendet, die nichts gethan, was
irgend einen gegründeten Verdacht rechtfertigen konnte,
auf die man keine einzige wahrhafte Inzicht gehabt,
aufs ſchnödeſte mißhandelt; man hat ihnen Commiſ¬
ſionen hingeſendet, die, weil ſie ſträflicher Umtriebe ver¬
dächtig ſeyen, ihre Papiere durchſuchen ſollten; dieſe
nachdem ſie unbedacht alle rechtlichen Formen vorbey¬
gegangen, und der Welt ein Urtheil über den Grad
der dabey aufgewendeten Beſonnenheit an Hand gege¬
ben, haben den Frieden ihres Hauſes gewaltſam ge¬
brochen, und nun eine Inquiſition über alle ihre Pa¬
piere ohne Ausnahme, bis auf die perſönlichſten Fa¬
milienangelegenheiten herab, begonnen, zu deren Vol¬
lendung nichts, als etwa eine Viviſection gefehlt, um

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0126" n="118"/>
ergießen, das freilich nur allzu oft des bittern Zor¬<lb/>
nes voll &#x017F;eyn mag: das i&#x017F;t der kärgliche Ertrag, den<lb/>
&#x017F;either &#x017F;o viele gewaltthätige Handlungen abgeworfen.<lb/>
Unfähig zu begreifen, daß Thaten, wie &#x017F;ie jene jungen<lb/>
Leute geübt, blos das Product einer ein&#x017F;amen, allein<lb/>
mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu Rath gehenden, Betrachtung &#x017F;eyn<lb/>
können, hat man &#x017F;ich darauf ge&#x017F;etzt, &#x017F;ie durchaus als<lb/>
ein Ergebniß ge&#x017F;elliger Verbindungen anzu&#x017F;ehen, und<lb/>
indem man wieder nach den Häuptern die&#x017F;er Verbin¬<lb/>
dungen und den er&#x017F;ten An&#x017F;tiftern gefor&#x017F;cht, beynahe<lb/>
jeden durch &#x017F;eine Ge&#x017F;innungen ausgezeichneten Mann<lb/>
mit Verdacht be&#x017F;teckt, nicht bedenkend, daß gerade<lb/>
bey der Jugend jeder, der feige blos zu einem Frevel<lb/>
ohne eigne Theilnahme antreiben wollte, eben dadurch<lb/>
auf immer jedes ehrende Vertrauen bey ihr ver&#x017F;cher¬<lb/>
zen wurde.</p><lb/>
      <p>So hat man öffentliche Charactere, denen die Na¬<lb/>
tion ihre Achtung zugewendet, die nichts gethan, was<lb/>
irgend einen gegründeten Verdacht rechtfertigen konnte,<lb/>
auf die man keine einzige wahrhafte Inzicht gehabt,<lb/>
aufs &#x017F;chnöde&#x017F;te mißhandelt; man hat ihnen Commi&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;ionen hinge&#x017F;endet, die, weil &#x017F;ie &#x017F;träflicher Umtriebe ver¬<lb/>
dächtig &#x017F;eyen, ihre Papiere durch&#x017F;uchen &#x017F;ollten; die&#x017F;e<lb/>
nachdem &#x017F;ie unbedacht alle rechtlichen Formen vorbey¬<lb/>
gegangen, und der Welt ein Urtheil über den Grad<lb/>
der dabey aufgewendeten Be&#x017F;onnenheit an Hand gege¬<lb/>
ben, haben den Frieden ihres Hau&#x017F;es gewalt&#x017F;am ge¬<lb/>
brochen, und nun eine Inqui&#x017F;ition über alle ihre Pa¬<lb/>
piere ohne Ausnahme, bis auf die per&#x017F;önlich&#x017F;ten Fa¬<lb/>
milienangelegenheiten herab, begonnen, zu deren Vol¬<lb/>
lendung nichts, als etwa eine Vivi&#x017F;ection gefehlt, um<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0126] ergießen, das freilich nur allzu oft des bittern Zor¬ nes voll ſeyn mag: das iſt der kärgliche Ertrag, den ſeither ſo viele gewaltthätige Handlungen abgeworfen. Unfähig zu begreifen, daß Thaten, wie ſie jene jungen Leute geübt, blos das Product einer einſamen, allein mit ſich ſelbſt zu Rath gehenden, Betrachtung ſeyn können, hat man ſich darauf geſetzt, ſie durchaus als ein Ergebniß geſelliger Verbindungen anzuſehen, und indem man wieder nach den Häuptern dieſer Verbin¬ dungen und den erſten Anſtiftern geforſcht, beynahe jeden durch ſeine Geſinnungen ausgezeichneten Mann mit Verdacht beſteckt, nicht bedenkend, daß gerade bey der Jugend jeder, der feige blos zu einem Frevel ohne eigne Theilnahme antreiben wollte, eben dadurch auf immer jedes ehrende Vertrauen bey ihr verſcher¬ zen wurde. So hat man öffentliche Charactere, denen die Na¬ tion ihre Achtung zugewendet, die nichts gethan, was irgend einen gegründeten Verdacht rechtfertigen konnte, auf die man keine einzige wahrhafte Inzicht gehabt, aufs ſchnödeſte mißhandelt; man hat ihnen Commiſ¬ ſionen hingeſendet, die, weil ſie ſträflicher Umtriebe ver¬ dächtig ſeyen, ihre Papiere durchſuchen ſollten; dieſe nachdem ſie unbedacht alle rechtlichen Formen vorbey¬ gegangen, und der Welt ein Urtheil über den Grad der dabey aufgewendeten Beſonnenheit an Hand gege¬ ben, haben den Frieden ihres Hauſes gewaltſam ge¬ brochen, und nun eine Inquiſition über alle ihre Pa¬ piere ohne Ausnahme, bis auf die perſönlichſten Fa¬ milienangelegenheiten herab, begonnen, zu deren Vol¬ lendung nichts, als etwa eine Viviſection gefehlt, um

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/126
Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/126>, abgerufen am 05.05.2024.