Emissionen von Polizeybeamten nach allen Theilen Teutschlands dirigirt, in der sichern Erwartung, daß, was die absolute Anschauung also gesetzt, nothwendig durch die Erfahrung sich bestättigen müsse. Aber die Erfahrung bewies sich widerspenstig gegen diese con¬ struirende Metaphysik der hohen transcendentalen Po¬ lizey; wenigstens hat sich, was seither bekannt ge¬ worden, als gänzlich unzureichend ausgewiesen, den gähnenden Schlund zu füllen.
Eine Verfassung, aus einer debattirenden Studen¬ tengesellschaft hervorgegangen, zu der sich schon ein junger Mann öffentlich bekannt; nach der, wäre sie gedruckt, vielleicht nicht hundert Menschen aufsehen würden, und die nichts Strafbares hat, bis etwa ein Versuch vorliegt, sie gewaltsam einzuführen. Eine kleine Sammlung jacobinischer Sentenzen und Metaphern, die zum Theil Göthe und Novalis verantworten müssen, und die aus den Tragikern aller Völker sich leicht um's Zwanzigfache verstärken läßt. Von einem Primaner aufgeschriebene Redensarten eines Mannes, der sonst untadelhaft, nur im Sprechen vielleicht von je zu wenig Maaß gehalten, und den Erguß seiner bered¬ ten Zunge schleichender Tücke allzu unbehutsam Preis gegeben. Einige Dolche, wovon Einer aus der Zeit der teutschen Kleidertrachten mit Zierde des Bürgers beschrieben, was man in frommem Liebeseifer aus dem atomistischen starren Seyn in ein dynamisches Werden umdeutend, als eine Predigt über die Ver¬ zierung des Bürgers durch Mordgewehre einregistrirt. Einige Brieffragmente, durch die Verlustration er¬ langt, worin junge Leute ihr Herz wechselseitig sich
Emiſſionen von Polizeybeamten nach allen Theilen Teutſchlands dirigirt, in der ſichern Erwartung, daß, was die abſolute Anſchauung alſo geſetzt, nothwendig durch die Erfahrung ſich beſtättigen müſſe. Aber die Erfahrung bewies ſich widerſpenſtig gegen dieſe con¬ ſtruirende Metaphyſik der hohen transcendentalen Po¬ lizey; wenigſtens hat ſich, was ſeither bekannt ge¬ worden, als gänzlich unzureichend ausgewieſen, den gähnenden Schlund zu füllen.
Eine Verfaſſung, aus einer debattirenden Studen¬ tengeſellſchaft hervorgegangen, zu der ſich ſchon ein junger Mann öffentlich bekannt; nach der, wäre ſie gedruckt, vielleicht nicht hundert Menſchen aufſehen würden, und die nichts Strafbares hat, bis etwa ein Verſuch vorliegt, ſie gewaltſam einzuführen. Eine kleine Sammlung jacobiniſcher Sentenzen und Metaphern, die zum Theil Göthe und Novalis verantworten müſſen, und die aus den Tragikern aller Völker ſich leicht um's Zwanzigfache verſtärken läßt. Von einem Primaner aufgeſchriebene Redensarten eines Mannes, der ſonſt untadelhaft, nur im Sprechen vielleicht von je zu wenig Maaß gehalten, und den Erguß ſeiner bered¬ ten Zunge ſchleichender Tücke allzu unbehutſam Preis gegeben. Einige Dolche, wovon Einer aus der Zeit der teutſchen Kleidertrachten mit Zierde des Bürgers beſchrieben, was man in frommem Liebeseifer aus dem atomiſtiſchen ſtarren Seyn in ein dynamiſches Werden umdeutend, als eine Predigt über die Ver¬ zierung des Bürgers durch Mordgewehre einregiſtrirt. Einige Brieffragmente, durch die Verluſtration er¬ langt, worin junge Leute ihr Herz wechſelſeitig ſich
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Emiſſionen von Polizeybeamten nach allen Theilen
Teutſchlands dirigirt, in der ſichern Erwartung, daß,
was die abſolute Anſchauung alſo geſetzt, nothwendig
durch die Erfahrung ſich beſtättigen müſſe. Aber die
Erfahrung bewies ſich widerſpenſtig gegen dieſe con¬
ſtruirende Metaphyſik der hohen transcendentalen Po¬
lizey; wenigſtens hat ſich, was ſeither bekannt ge¬
worden, als gänzlich unzureichend ausgewieſen, den
gähnenden Schlund zu füllen.
Eine Verfaſſung, aus einer debattirenden Studen¬
tengeſellſchaft hervorgegangen, zu der ſich ſchon ein
junger Mann öffentlich bekannt; nach der, wäre ſie
gedruckt, vielleicht nicht hundert Menſchen aufſehen
würden, und die nichts Strafbares hat, bis etwa ein
Verſuch vorliegt, ſie gewaltſam einzuführen. Eine kleine
Sammlung jacobiniſcher Sentenzen und Metaphern, die
zum Theil Göthe und Novalis verantworten müſſen, und
die aus den Tragikern aller Völker ſich leicht um's
Zwanzigfache verſtärken läßt. Von einem Primaner
aufgeſchriebene Redensarten eines Mannes, der ſonſt
untadelhaft, nur im Sprechen vielleicht von je zu
wenig Maaß gehalten, und den Erguß ſeiner bered¬
ten Zunge ſchleichender Tücke allzu unbehutſam Preis
gegeben. Einige Dolche, wovon Einer aus der Zeit
der teutſchen Kleidertrachten mit Zierde des Bürgers
beſchrieben, was man in frommem Liebeseifer aus
dem atomiſtiſchen ſtarren Seyn in ein dynamiſches
Werden umdeutend, als eine Predigt über die Ver¬
zierung des Bürgers durch Mordgewehre einregiſtrirt.
Einige Brieffragmente, durch die Verluſtration er¬
langt, worin junge Leute ihr Herz wechſelſeitig ſich
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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/125>, abgerufen am 16.02.2025.
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