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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

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wie vom Firmament herab, kann die Weite des Ge¬
sichtsfeldes und die wechselseitige Deckung der Ge¬
genstände sie nicht verwirren; fassend die Häupter aller
Elemente der Gesellschaft, kann sie ihrer Bewegun¬
gen leicht Meister werden.

Es liegt eine unverwüstliche erhaltende Kraft in
den geselligen Verbindungen; derselbe Instinkt, der
sie zuerst geschlossen, wacht auch unabläßig über die
Erhaltung des Bestehenden, und keine Regierung
hat nöthig, das Nichtswürdige auf Kundschaft nach
geheimen Umtrieben zu legen; da, wenn sie nur eini¬
germaßen würdig ist, alles Gute mit ihr in einem ge¬
heimen Einverständniß steht und nicht leicht einen
Frevel, der gemeinsamer Zusammenwirkung bedarf,
im Verborgnen läßt. Darum, wenn sie sonst der
großen und öffentlichen Bewegungen in der Gesell¬
schaft Meisterin geblieben, darf sie, am wenigsten in
Teutschland, vor Verborgenen zittern, und ihre ge¬
lassene Aufmerksamkeit und ihr behendes Eingreifen,
wo es Noth thut, dadurch auch um ein Kleines
von ihrem Wege ablenken lassen. Jeden Uebelgesinn¬
ten wird sie bey der That erwarten, zuvorkommend
oder ahndend, wenn es mit jenem nicht gelungen. In
dieser Kunst ist vor den Andern die englische Regierung mu¬
sterhaft gewesen; die Teutschen haben kaum die ersten
Anfangsgründe begriffen, und was bey jener Gele¬
genheit in Preußen vorgefallen, hat leider einen neuen
Beweis dazu geliefert.

Wie es scheint, ist seit Jahren in Berlin, durch
Oertlichkeit, Wasser, Luft und irgend eine geistige In¬
fluenza begründet, eine Gespensterseherey endemisch

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wie vom Firmament herab, kann die Weite des Ge¬
ſichtsfeldes und die wechſelſeitige Deckung der Ge¬
genſtände ſie nicht verwirren; faſſend die Häupter aller
Elemente der Geſellſchaft, kann ſie ihrer Bewegun¬
gen leicht Meiſter werden.

Es liegt eine unverwüſtliche erhaltende Kraft in
den geſelligen Verbindungen; derſelbe Inſtinkt, der
ſie zuerſt geſchloſſen, wacht auch unabläßig über die
Erhaltung des Beſtehenden, und keine Regierung
hat nöthig, das Nichtswürdige auf Kundſchaft nach
geheimen Umtrieben zu legen; da, wenn ſie nur eini¬
germaßen würdig iſt, alles Gute mit ihr in einem ge¬
heimen Einverſtändniß ſteht und nicht leicht einen
Frevel, der gemeinſamer Zuſammenwirkung bedarf,
im Verborgnen läßt. Darum, wenn ſie ſonſt der
großen und öffentlichen Bewegungen in der Geſell¬
ſchaft Meiſterin geblieben, darf ſie, am wenigſten in
Teutſchland, vor Verborgenen zittern, und ihre ge¬
laſſene Aufmerkſamkeit und ihr behendes Eingreifen,
wo es Noth thut, dadurch auch um ein Kleines
von ihrem Wege ablenken laſſen. Jeden Uebelgeſinn¬
ten wird ſie bey der That erwarten, zuvorkommend
oder ahndend, wenn es mit jenem nicht gelungen. In
dieſer Kunſt iſt vor den Andern die engliſche Regierung mu¬
ſterhaft geweſen; die Teutſchen haben kaum die erſten
Anfangsgründe begriffen, und was bey jener Gele¬
genheit in Preußen vorgefallen, hat leider einen neuen
Beweis dazu geliefert.

Wie es ſcheint, iſt ſeit Jahren in Berlin, durch
Oertlichkeit, Waſſer, Luft und irgend eine geiſtige In¬
fluenza begründet, eine Geſpenſterſeherey endemiſch

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[115/0123] wie vom Firmament herab, kann die Weite des Ge¬ ſichtsfeldes und die wechſelſeitige Deckung der Ge¬ genſtände ſie nicht verwirren; faſſend die Häupter aller Elemente der Geſellſchaft, kann ſie ihrer Bewegun¬ gen leicht Meiſter werden. Es liegt eine unverwüſtliche erhaltende Kraft in den geſelligen Verbindungen; derſelbe Inſtinkt, der ſie zuerſt geſchloſſen, wacht auch unabläßig über die Erhaltung des Beſtehenden, und keine Regierung hat nöthig, das Nichtswürdige auf Kundſchaft nach geheimen Umtrieben zu legen; da, wenn ſie nur eini¬ germaßen würdig iſt, alles Gute mit ihr in einem ge¬ heimen Einverſtändniß ſteht und nicht leicht einen Frevel, der gemeinſamer Zuſammenwirkung bedarf, im Verborgnen läßt. Darum, wenn ſie ſonſt der großen und öffentlichen Bewegungen in der Geſell¬ ſchaft Meiſterin geblieben, darf ſie, am wenigſten in Teutſchland, vor Verborgenen zittern, und ihre ge¬ laſſene Aufmerkſamkeit und ihr behendes Eingreifen, wo es Noth thut, dadurch auch um ein Kleines von ihrem Wege ablenken laſſen. Jeden Uebelgeſinn¬ ten wird ſie bey der That erwarten, zuvorkommend oder ahndend, wenn es mit jenem nicht gelungen. In dieſer Kunſt iſt vor den Andern die engliſche Regierung mu¬ ſterhaft geweſen; die Teutſchen haben kaum die erſten Anfangsgründe begriffen, und was bey jener Gele¬ genheit in Preußen vorgefallen, hat leider einen neuen Beweis dazu geliefert. Wie es ſcheint, iſt ſeit Jahren in Berlin, durch Oertlichkeit, Waſſer, Luft und irgend eine geiſtige In¬ fluenza begründet, eine Geſpenſterſeherey endemiſch 8*

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Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/123>, abgerufen am 04.05.2024.