Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.de Statu Hominum. der Erbschaft eines Kindes erfordern, daß das Kind dievier Wände des Hauses beschrien habe, weil solches lautes Schreien des Kindes für ein vorzügliches Kenn- zeichen der Lebensfähigkeit desselben gehalten wurde. Nach diesen Gründen kann demnach der Widerspruch derjenigen Rechtsgelehrten 6) in keinen Betracht kommen, welche sich durch eine mißverstandene Stelle des Ulpians 7) ha- ben irre führen lassen, zu glauben, daß das Leben des Kindes nach der Geburt allein schon zur Erbfähigkeit ge- nüge, wenn es gleich nicht lebensfähig gewesen sey. Denn wenn Ulpian daselbst die Frage bejahend entscheidet, ob ein Kind, welches so weit gebohren ist, daß man deutliche Lebenskennzeichen an ihm verspührt, (cum spiritu) das Testament des Vaters ungültig mache, si non integrum animal editum sit? so ist daselbst gar nicht von einer un- zeitigen, sondern von einer verstümmelten Geburt die Rede, welche körperliche Mängel hat 8). Eine solche kann dennoch, dieser Mängel ungeachtet, die Rechte eines Kindes erlangen, wenn es nur sonst lebensfähig ist. Und dieß ist auch die Meinung der heutigen Rechtsgelehrten 9). Noch ist folgendes zu bemerken: I) Ent- 6) Sam. stryck de iure sensuum Diss. I. §. 4. berger Oecon. iuris p. 38. 7) L. 12. §. 1. D. de lib. et posthum. 8) Westphal Theorie des R. R. von Testamenten §. 944. 9) Sam. de cocceji in iure civ. controv. Lib. I. Tit. VI. Qu. 3.
Io. Frid. eisenhart Institut. iuris germ. privati Lib. I. T. I. §. 2. und vorzüglich Hr. Hofr. oeltze in Commentat. de partu vivo vitali et non vitali praecipue ratione transmissionis he- reditatis. Ienae 1769. Hr. Hofr. hartleben in Meditat. ad Pandect. Vol. I. P. II. Fasc. I. Specim. XVI. medit. 1. hält zwar auch dafür, daß eine ungezweifelt unzeitige Geburt eine Erb- de Statu Hominum. der Erbſchaft eines Kindes erfordern, daß das Kind dievier Waͤnde des Hauſes beſchrien habe, weil ſolches lautes Schreien des Kindes fuͤr ein vorzuͤgliches Kenn- zeichen der Lebensfaͤhigkeit deſſelben gehalten wurde. Nach dieſen Gruͤnden kann demnach der Widerſpruch derjenigen Rechtsgelehrten 6) in keinen Betracht kommen, welche ſich durch eine mißverſtandene Stelle des Ulpians 7) ha- ben irre fuͤhren laſſen, zu glauben, daß das Leben des Kindes nach der Geburt allein ſchon zur Erbfaͤhigkeit ge- nuͤge, wenn es gleich nicht lebensfaͤhig geweſen ſey. Denn wenn Ulpian daſelbſt die Frage bejahend entſcheidet, ob ein Kind, welches ſo weit gebohren iſt, daß man deutliche Lebenskennzeichen an ihm verſpuͤhrt, (cum ſpiritu) das Teſtament des Vaters unguͤltig mache, ſi non integrum animal editum ſit? ſo iſt daſelbſt gar nicht von einer un- zeitigen, ſondern von einer verſtuͤmmelten Geburt die Rede, welche koͤrperliche Maͤngel hat 8). Eine ſolche kann dennoch, dieſer Maͤngel ungeachtet, die Rechte eines Kindes erlangen, wenn es nur ſonſt lebensfaͤhig iſt. Und dieß iſt auch die Meinung der heutigen Rechtsgelehrten 9). Noch iſt folgendes zu bemerken: I) Ent- 6) Sam. stryck de iure ſenſuum Diſſ. I. §. 4. berger Oecon. iuris p. 38. 7) L. 12. §. 1. D. de lib. et poſthum. 8) Weſtphal Theorie des R. R. von Teſtamenten §. 944. 9) Sam. de cocceji in iure civ. controv. Lib. I. Tit. VI. Qu. 3.
Io. Frid. eisenhart Inſtitut. iuris germ. privati Lib. I. T. I. §. 2. und vorzuͤglich Hr. Hofr. oeltze in Commentat. de partu vivo vitali et non vitali praecipue ratione transmiſſionis he- reditatis. Ienae 1769. Hr. Hofr. hartleben in Meditat. ad Pandect. Vol. I. P. II. Faſc. I. Specim. XVI. medit. 1. haͤlt zwar auch dafuͤr, daß eine ungezweifelt unzeitige Geburt eine Erb- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0093" n="79"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Statu Hominum.</hi></fw><lb/> der Erbſchaft eines Kindes erfordern, <hi rendition="#fr">daß das Kind die<lb/> vier Waͤnde des Hauſes beſchrien habe</hi>, weil ſolches<lb/> lautes Schreien des Kindes fuͤr ein vorzuͤgliches Kenn-<lb/> zeichen der Lebensfaͤhigkeit deſſelben gehalten wurde. Nach<lb/> dieſen Gruͤnden kann demnach der Widerſpruch derjenigen<lb/> Rechtsgelehrten <note place="foot" n="6)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Sam.</hi><hi rendition="#k">stryck</hi> de iure ſenſuum Diſſ. I. §. 4. <hi rendition="#k">berger</hi> Oecon.<lb/> iuris p.</hi> 38.</note> in keinen Betracht kommen, welche<lb/> ſich durch eine mißverſtandene Stelle des <hi rendition="#fr">Ulpians</hi> <note place="foot" n="7)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 12. §. 1. D. de lib. et poſthum.</hi></note> ha-<lb/> ben irre fuͤhren laſſen, zu glauben, daß das Leben des<lb/> Kindes nach der Geburt allein ſchon zur Erbfaͤhigkeit ge-<lb/> nuͤge, wenn es gleich nicht lebensfaͤhig geweſen ſey. Denn<lb/> wenn <hi rendition="#fr">Ulpian</hi> daſelbſt die Frage bejahend entſcheidet, ob<lb/> ein Kind, welches ſo weit gebohren iſt, daß man deutliche<lb/> Lebenskennzeichen an ihm verſpuͤhrt, (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">cum ſpiritu</hi></hi>) das<lb/> Teſtament des Vaters unguͤltig mache, <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ſi non integrum<lb/> animal editum ſit?</hi></hi> ſo iſt daſelbſt gar nicht von einer un-<lb/> zeitigen, ſondern von einer <hi rendition="#g">verſtuͤmmelten</hi> Geburt<lb/> die Rede, welche koͤrperliche Maͤngel hat <note place="foot" n="8)"><hi rendition="#g">Weſtphal</hi> Theorie des R. R. von Teſtamenten §. 944.</note>. Eine ſolche<lb/> kann dennoch, dieſer Maͤngel ungeachtet, die Rechte eines<lb/> Kindes erlangen, wenn es nur ſonſt lebensfaͤhig iſt. <hi rendition="#fr">Und</hi><lb/> dieß iſt auch die Meinung der heutigen Rechtsgelehrten <note xml:id="seg2pn_10_1" next="#seg2pn_10_2" place="foot" n="9)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Sam. de</hi><hi rendition="#k">cocceji</hi> in iure civ. controv. Lib. I. Tit. VI. Qu. 3.<lb/><hi rendition="#i">Io. Frid.</hi> <hi rendition="#k">eisenhart</hi> Inſtitut. iuris germ. privati Lib. I. T. I.</hi><lb/> §. 2. und vorzuͤglich Hr. Hofr. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">oeltze</hi> in Commentat. de partu<lb/> vivo vitali et non vitali praecipue ratione transmiſſionis he-<lb/> reditatis. Ienae</hi> 1769. Hr. Hofr. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">hartleben</hi> in Meditat. ad<lb/> Pandect. Vol. I. P. II. Faſc. I. Specim. XVI. medit.</hi> 1. haͤlt<lb/> zwar auch dafuͤr, daß eine ungezweifelt unzeitige Geburt eine<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Erb-</fw></note>.<lb/> Noch iſt folgendes zu bemerken:</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">I</hi>) Ent-</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0093]
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dieſen Gruͤnden kann demnach der Widerſpruch derjenigen
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ſich durch eine mißverſtandene Stelle des Ulpians 7) ha-
ben irre fuͤhren laſſen, zu glauben, daß das Leben des
Kindes nach der Geburt allein ſchon zur Erbfaͤhigkeit ge-
nuͤge, wenn es gleich nicht lebensfaͤhig geweſen ſey. Denn
wenn Ulpian daſelbſt die Frage bejahend entſcheidet, ob
ein Kind, welches ſo weit gebohren iſt, daß man deutliche
Lebenskennzeichen an ihm verſpuͤhrt, (cum ſpiritu) das
Teſtament des Vaters unguͤltig mache, ſi non integrum
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die Rede, welche koͤrperliche Maͤngel hat 8). Eine ſolche
kann dennoch, dieſer Maͤngel ungeachtet, die Rechte eines
Kindes erlangen, wenn es nur ſonſt lebensfaͤhig iſt. Und
dieß iſt auch die Meinung der heutigen Rechtsgelehrten 9).
Noch iſt folgendes zu bemerken:
I) Ent-
6) Sam. stryck de iure ſenſuum Diſſ. I. §. 4. berger Oecon.
iuris p. 38.
7) L. 12. §. 1. D. de lib. et poſthum.
8) Weſtphal Theorie des R. R. von Teſtamenten §. 944.
9) Sam. de cocceji in iure civ. controv. Lib. I. Tit. VI. Qu. 3.
Io. Frid. eisenhart Inſtitut. iuris germ. privati Lib. I. T. I.
§. 2. und vorzuͤglich Hr. Hofr. oeltze in Commentat. de partu
vivo vitali et non vitali praecipue ratione transmiſſionis he-
reditatis. Ienae 1769. Hr. Hofr. hartleben in Meditat. ad
Pandect. Vol. I. P. II. Faſc. I. Specim. XVI. medit. 1. haͤlt
zwar auch dafuͤr, daß eine ungezweifelt unzeitige Geburt eine
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