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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 8. Tit. §. 173.
liche Sachen nach Vorschrift der Gesetze den unbewegli-
chen vollkommen d. i. in Ansehung aller rechtlichen
Wirkungen in folgenden Fällen gleichgeachtet,

I) wenn eine an sich bewegliche Sache mit einer
unbeweglichen entweder durch Wirkung der Natur, oder
einer menschlichen Hand dergestalt cohärirt, daß sie ei-
nen Theil der letztern ausmacht. So z. B. werden Bäu-
me, Pflanzen, sofern sie Wurzel geschlagen, Gewächse,
Früchte, die noch nicht abgebracht sind, wegen ihres Zu-
sammenhangs mit dem Grundstück, worauf sie stehen,
für einen Theil desselben gehalten 29). Eine solche Co-
häsion
ist ferner vorhanden, wenn eine bewegliche Sa-
che einer unbeweglichen so fest einverleibt worden ist, daß
sie sich ohne Schaden des Ganzen nicht wohl trennen läßt.
Ein Beyspiel enthält die L. 17. §. 3. D. de act emti et
vendit.
Quae tabulae pictae pro tectorio includuntur,
itemque crustae marmoreae, aedium sunt.
Denn die
statt der bloßen weissen Wand (pro tectorio) in der-
selben eingemauerten Gemählde, desgleichen die darin
gefaßten Marmorplatten, lassen sich nicht wegnehmen,
ohne die Wand zu beschimpfen. Darum sind sie ein Zu-
behör des Hauses. Eben diese Wirkung hat jedoch die
Cohäsion auch in dem Fall, wenn sich die festgemachte
Sachen zwar ohne Schaden absondern lassen, allein die
Befestigung derselben zum beständigen Gebrauch eines
Grundstücks nach der eigentlichen oder Hauptbestimmung
desselben geschehen ist. Daher gehören die Riegel und
Schlösser an den Thüren, die Ziegel auf dem Dache,
die eingemauerten Kessel auf dem Herd in der Küche, so-
fern sie blos zum ökonomischen Gebrauch des Hauses ein-

gemauert
29) L. 44. D. de Rei Vindicat. L. 13. §. 10. D. de act, emti
vend.

1. Buch. 8. Tit. §. 173.
liche Sachen nach Vorſchrift der Geſetze den unbewegli-
chen vollkommen d. i. in Anſehung aller rechtlichen
Wirkungen in folgenden Faͤllen gleichgeachtet,

I) wenn eine an ſich bewegliche Sache mit einer
unbeweglichen entweder durch Wirkung der Natur, oder
einer menſchlichen Hand dergeſtalt cohaͤrirt, daß ſie ei-
nen Theil der letztern ausmacht. So z. B. werden Baͤu-
me, Pflanzen, ſofern ſie Wurzel geſchlagen, Gewaͤchſe,
Fruͤchte, die noch nicht abgebracht ſind, wegen ihres Zu-
ſammenhangs mit dem Grundſtuͤck, worauf ſie ſtehen,
fuͤr einen Theil deſſelben gehalten 29). Eine ſolche Co-
haͤſion
iſt ferner vorhanden, wenn eine bewegliche Sa-
che einer unbeweglichen ſo feſt einverleibt worden iſt, daß
ſie ſich ohne Schaden des Ganzen nicht wohl trennen laͤßt.
Ein Beyſpiel enthaͤlt die L. 17. §. 3. D. de act emti et
vendit.
Quae tabulae pictae pro tectorio includuntur,
itemque cruſtae marmoreae, aedium ſunt.
Denn die
ſtatt der bloßen weiſſen Wand (pro tectorio) in der-
ſelben eingemauerten Gemaͤhlde, desgleichen die darin
gefaßten Marmorplatten, laſſen ſich nicht wegnehmen,
ohne die Wand zu beſchimpfen. Darum ſind ſie ein Zu-
behoͤr des Hauſes. Eben dieſe Wirkung hat jedoch die
Cohaͤſion auch in dem Fall, wenn ſich die feſtgemachte
Sachen zwar ohne Schaden abſondern laſſen, allein die
Befeſtigung derſelben zum beſtaͤndigen Gebrauch eines
Grundſtuͤcks nach der eigentlichen oder Hauptbeſtimmung
deſſelben geſchehen iſt. Daher gehoͤren die Riegel und
Schloͤſſer an den Thuͤren, die Ziegel auf dem Dache,
die eingemauerten Keſſel auf dem Herd in der Kuͤche, ſo-
fern ſie blos zum oͤkonomiſchen Gebrauch des Hauſes ein-

gemauert
29) L. 44. D. de Rei Vindicat. L. 13. §. 10. D. de act, emti
vend.
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[472/0486] 1. Buch. 8. Tit. §. 173. liche Sachen nach Vorſchrift der Geſetze den unbewegli- chen vollkommen d. i. in Anſehung aller rechtlichen Wirkungen in folgenden Faͤllen gleichgeachtet, I) wenn eine an ſich bewegliche Sache mit einer unbeweglichen entweder durch Wirkung der Natur, oder einer menſchlichen Hand dergeſtalt cohaͤrirt, daß ſie ei- nen Theil der letztern ausmacht. So z. B. werden Baͤu- me, Pflanzen, ſofern ſie Wurzel geſchlagen, Gewaͤchſe, Fruͤchte, die noch nicht abgebracht ſind, wegen ihres Zu- ſammenhangs mit dem Grundſtuͤck, worauf ſie ſtehen, fuͤr einen Theil deſſelben gehalten 29). Eine ſolche Co- haͤſion iſt ferner vorhanden, wenn eine bewegliche Sa- che einer unbeweglichen ſo feſt einverleibt worden iſt, daß ſie ſich ohne Schaden des Ganzen nicht wohl trennen laͤßt. Ein Beyſpiel enthaͤlt die L. 17. §. 3. D. de act emti et vendit. Quae tabulae pictae pro tectorio includuntur, itemque cruſtae marmoreae, aedium ſunt. Denn die ſtatt der bloßen weiſſen Wand (pro tectorio) in der- ſelben eingemauerten Gemaͤhlde, desgleichen die darin gefaßten Marmorplatten, laſſen ſich nicht wegnehmen, ohne die Wand zu beſchimpfen. Darum ſind ſie ein Zu- behoͤr des Hauſes. Eben dieſe Wirkung hat jedoch die Cohaͤſion auch in dem Fall, wenn ſich die feſtgemachte Sachen zwar ohne Schaden abſondern laſſen, allein die Befeſtigung derſelben zum beſtaͤndigen Gebrauch eines Grundſtuͤcks nach der eigentlichen oder Hauptbeſtimmung deſſelben geſchehen iſt. Daher gehoͤren die Riegel und Schloͤſſer an den Thuͤren, die Ziegel auf dem Dache, die eingemauerten Keſſel auf dem Herd in der Kuͤche, ſo- fern ſie blos zum oͤkonomiſchen Gebrauch des Hauſes ein- gemauert 29) L. 44. D. de Rei Vindicat. L. 13. §. 10. D. de act, emti vend.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/486>, abgerufen am 22.11.2024.