Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

De adoptionibus, emancipationibus etc.
geben, den Eltern den Nießbrauch ihres Vermögens zu
entziehen, und darüber selbst zu disponiren, es wird auch
zu dieser Handlung keine förmliche Entlassung erfordert;
wie kann also ein Dritter das Familienverhältniß, worin
ein großjähriger Sohn, der sich vielleicht auf Reisen be-
findet, oder sonst sich außer dem väterlichen Hause auf-
hält, mit seinen Eltern stehet; und ob es ihm gefallen,
der väterlichen Gewalt zu entsagen, oder sich derselben
noch zu unterwerfen, immer wissen? Dieß sind die
Gründe, aus welchen daher ein berühmter teutscher Rechts-
gelehrter 63) jener gemeinen Meynung zu widersprechen,
und dieselbe einer noch zu strengen Anhänglichkeit an die
Begriffe der römischväterlichen Gewalt zuzuschreiben, kein
Bedenken getragen hat. Allein mir scheinen dennoch die
Gründe, die für die gemeine Meynung streiten, überwie-
gender zu seyn. Denn das Macedonianische Senatus-
consultum ist doch mit dem römischen Rechte unstreitig
in Teutschland eingeführt. Es muß folglich einem jeden
zu gute kommen, der währender väterlichen Gewalt
Schulden kontrahirt, und selbst kein freyes Vermögen 64)
besitzt. Nun aber hebt die Volljährigkeit an sich auch heu-
tiges Tages die väterliche Gewalt nicht auf. Die Unwis-
senheit kann den Gläubiger gegen die Einrede jenes Rath-
schlusses nicht schützen, so fern er wissen konnte, daß sein

Schuld-
63) von Tevenar Versuch über die Rechtsgelahrheit IV. Th.
XI. Abschn. S. 590 und folg.
64) Ich nenne hier freyes Vermögen dasjenige, was der
völligen Disposition der Kinder überlassen, und daher dem
väterlichen Nießbrauch nicht unterworfen ist. Dahin gehört pecu-
lium militare,
auch peculium adventitium irregulare. Hat der
Sohn ein solches Vermögen, so cessirt das SCtum Macedonianum.
L. 1. §. fin. L. 2. D. de SCto Macedon. Nov. CXVII. Cap. I.
§. 1. Conf. Lud. God. madihn in Princip. iuris Rom. P. V.
§. 19. nr.
1.
B b 3

De adoptionibus, emancipationibus etc.
geben, den Eltern den Nießbrauch ihres Vermoͤgens zu
entziehen, und daruͤber ſelbſt zu disponiren, es wird auch
zu dieſer Handlung keine foͤrmliche Entlaſſung erfordert;
wie kann alſo ein Dritter das Familienverhaͤltniß, worin
ein großjaͤhriger Sohn, der ſich vielleicht auf Reiſen be-
findet, oder ſonſt ſich außer dem vaͤterlichen Hauſe auf-
haͤlt, mit ſeinen Eltern ſtehet; und ob es ihm gefallen,
der vaͤterlichen Gewalt zu entſagen, oder ſich derſelben
noch zu unterwerfen, immer wiſſen? Dieß ſind die
Gruͤnde, aus welchen daher ein beruͤhmter teutſcher Rechts-
gelehrter 63) jener gemeinen Meynung zu widerſprechen,
und dieſelbe einer noch zu ſtrengen Anhaͤnglichkeit an die
Begriffe der roͤmiſchvaͤterlichen Gewalt zuzuſchreiben, kein
Bedenken getragen hat. Allein mir ſcheinen dennoch die
Gruͤnde, die fuͤr die gemeine Meynung ſtreiten, uͤberwie-
gender zu ſeyn. Denn das Macedonianiſche Senatus-
conſultum iſt doch mit dem roͤmiſchen Rechte unſtreitig
in Teutſchland eingefuͤhrt. Es muß folglich einem jeden
zu gute kommen, der waͤhrender vaͤterlichen Gewalt
Schulden kontrahirt, und ſelbſt kein freyes Vermoͤgen 64)
beſitzt. Nun aber hebt die Volljaͤhrigkeit an ſich auch heu-
tiges Tages die vaͤterliche Gewalt nicht auf. Die Unwiſ-
ſenheit kann den Glaͤubiger gegen die Einrede jenes Rath-
ſchluſſes nicht ſchuͤtzen, ſo fern er wiſſen konnte, daß ſein

Schuld-
63) von Tevenar Verſuch uͤber die Rechtsgelahrheit IV. Th.
XI. Abſchn. S. 590 und folg.
64) Ich nenne hier freyes Vermoͤgen dasjenige, was der
voͤlligen Dispoſition der Kinder uͤberlaſſen, und daher dem
vaͤterlichen Nießbrauch nicht unterworfen iſt. Dahin gehoͤrt pecu-
lium militare,
auch peculium adventitium irregulare. Hat der
Sohn ein ſolches Vermoͤgen, ſo ceſſirt das SCtum Macedonianum.
L. 1. §. fin. L. 2. D. de SCto Macedon. Nov. CXVII. Cap. I.
§. 1. Conf. Lud. God. madihn in Princip. iuris Rom. P. V.
§. 19. nr.
1.
B b 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0403" n="389"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">De adoptionibus, emancipationibus etc.</hi></fw><lb/>
geben, den Eltern den Nießbrauch ihres Vermo&#x0364;gens zu<lb/>
entziehen, und daru&#x0364;ber &#x017F;elb&#x017F;t zu disponiren, es wird auch<lb/>
zu die&#x017F;er Handlung keine fo&#x0364;rmliche Entla&#x017F;&#x017F;ung erfordert;<lb/>
wie kann al&#x017F;o ein Dritter das Familienverha&#x0364;ltniß, worin<lb/>
ein großja&#x0364;hriger Sohn, der &#x017F;ich vielleicht auf Rei&#x017F;en be-<lb/>
findet, oder &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ich außer dem va&#x0364;terlichen Hau&#x017F;e auf-<lb/>
ha&#x0364;lt, mit &#x017F;einen Eltern &#x017F;tehet; und ob es ihm gefallen,<lb/>
der va&#x0364;terlichen Gewalt zu ent&#x017F;agen, oder &#x017F;ich der&#x017F;elben<lb/>
noch zu unterwerfen, immer wi&#x017F;&#x017F;en? Dieß &#x017F;ind die<lb/>
Gru&#x0364;nde, aus welchen daher ein beru&#x0364;hmter teut&#x017F;cher Rechts-<lb/>
gelehrter <note place="foot" n="63)">von <hi rendition="#g">Tevenar</hi> Ver&#x017F;uch u&#x0364;ber die Rechtsgelahrheit <hi rendition="#aq">IV.</hi> Th.<lb/><hi rendition="#aq">XI.</hi> Ab&#x017F;chn. S. 590 und folg.</note> jener gemeinen Meynung zu wider&#x017F;prechen,<lb/>
und die&#x017F;elbe einer noch zu &#x017F;trengen Anha&#x0364;nglichkeit an die<lb/>
Begriffe der ro&#x0364;mi&#x017F;chva&#x0364;terlichen Gewalt zuzu&#x017F;chreiben, kein<lb/>
Bedenken getragen hat. Allein mir &#x017F;cheinen dennoch die<lb/>
Gru&#x0364;nde, die fu&#x0364;r die gemeine Meynung &#x017F;treiten, u&#x0364;berwie-<lb/>
gender zu &#x017F;eyn. Denn das Macedoniani&#x017F;che Senatus-<lb/>
con&#x017F;ultum i&#x017F;t doch mit dem ro&#x0364;mi&#x017F;chen Rechte un&#x017F;treitig<lb/>
in Teut&#x017F;chland eingefu&#x0364;hrt. Es muß folglich einem jeden<lb/>
zu gute kommen, der wa&#x0364;hrender va&#x0364;terlichen Gewalt<lb/>
Schulden kontrahirt, und &#x017F;elb&#x017F;t kein freyes Vermo&#x0364;gen <note place="foot" n="64)">Ich nenne hier <hi rendition="#g">freyes Vermo&#x0364;gen</hi> dasjenige, was der<lb/>
vo&#x0364;lligen Dispo&#x017F;ition der Kinder u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, und daher dem<lb/>
va&#x0364;terlichen Nießbrauch nicht unterworfen i&#x017F;t. Dahin geho&#x0364;rt <hi rendition="#aq">pecu-<lb/>
lium militare,</hi> auch <hi rendition="#aq">peculium adventitium irregulare.</hi> Hat der<lb/>
Sohn ein &#x017F;olches Vermo&#x0364;gen, &#x017F;o ce&#x017F;&#x017F;irt das <hi rendition="#aq">SCtum Macedonianum.<lb/><hi rendition="#i">L.</hi> 1. <hi rendition="#i">§. fin. L.</hi> 2. <hi rendition="#i">D. de SCto Macedon. Nov. CXVII.</hi> Cap. I.<lb/><hi rendition="#i">§.</hi> 1. Conf. <hi rendition="#i">Lud. God.</hi> <hi rendition="#k">madihn</hi> in Princip. iuris Rom. P. V.<lb/>
§. 19. nr.</hi> 1.</note><lb/>
be&#x017F;itzt. Nun aber hebt die Vollja&#x0364;hrigkeit an &#x017F;ich auch heu-<lb/>
tiges Tages die va&#x0364;terliche Gewalt nicht auf. Die Unwi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enheit kann den Gla&#x0364;ubiger gegen die Einrede jenes Rath-<lb/>
&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;es nicht &#x017F;chu&#x0364;tzen, &#x017F;o fern er wi&#x017F;&#x017F;en konnte, daß &#x017F;ein<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Schuld-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[389/0403] De adoptionibus, emancipationibus etc. geben, den Eltern den Nießbrauch ihres Vermoͤgens zu entziehen, und daruͤber ſelbſt zu disponiren, es wird auch zu dieſer Handlung keine foͤrmliche Entlaſſung erfordert; wie kann alſo ein Dritter das Familienverhaͤltniß, worin ein großjaͤhriger Sohn, der ſich vielleicht auf Reiſen be- findet, oder ſonſt ſich außer dem vaͤterlichen Hauſe auf- haͤlt, mit ſeinen Eltern ſtehet; und ob es ihm gefallen, der vaͤterlichen Gewalt zu entſagen, oder ſich derſelben noch zu unterwerfen, immer wiſſen? Dieß ſind die Gruͤnde, aus welchen daher ein beruͤhmter teutſcher Rechts- gelehrter 63) jener gemeinen Meynung zu widerſprechen, und dieſelbe einer noch zu ſtrengen Anhaͤnglichkeit an die Begriffe der roͤmiſchvaͤterlichen Gewalt zuzuſchreiben, kein Bedenken getragen hat. Allein mir ſcheinen dennoch die Gruͤnde, die fuͤr die gemeine Meynung ſtreiten, uͤberwie- gender zu ſeyn. Denn das Macedonianiſche Senatus- conſultum iſt doch mit dem roͤmiſchen Rechte unſtreitig in Teutſchland eingefuͤhrt. Es muß folglich einem jeden zu gute kommen, der waͤhrender vaͤterlichen Gewalt Schulden kontrahirt, und ſelbſt kein freyes Vermoͤgen 64) beſitzt. Nun aber hebt die Volljaͤhrigkeit an ſich auch heu- tiges Tages die vaͤterliche Gewalt nicht auf. Die Unwiſ- ſenheit kann den Glaͤubiger gegen die Einrede jenes Rath- ſchluſſes nicht ſchuͤtzen, ſo fern er wiſſen konnte, daß ſein Schuld- 63) von Tevenar Verſuch uͤber die Rechtsgelahrheit IV. Th. XI. Abſchn. S. 590 und folg. 64) Ich nenne hier freyes Vermoͤgen dasjenige, was der voͤlligen Dispoſition der Kinder uͤberlaſſen, und daher dem vaͤterlichen Nießbrauch nicht unterworfen iſt. Dahin gehoͤrt pecu- lium militare, auch peculium adventitium irregulare. Hat der Sohn ein ſolches Vermoͤgen, ſo ceſſirt das SCtum Macedonianum. L. 1. §. fin. L. 2. D. de SCto Macedon. Nov. CXVII. Cap. I. §. 1. Conf. Lud. God. madihn in Princip. iuris Rom. P. V. §. 19. nr. 1. B b 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/403
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/403>, abgerufen am 22.11.2024.