Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.1. Buch. 7. Tit. §. 161. volljährig geworden, allein sich von den Eltern, mit An-stellung einer eigenen Nahrung und Haushaltung, noch nicht abgesondert hat, zu solchen bürgerlichen Handlungen fähig sey, die die Eigenschaft eines Paterfamilias erfor- dern, ist streitig. Zwar ist man darin völlig einverstan- den, daß die Errichtung eines Testaments bis auf wirk- lich erfolgte völlige Absonderung des Sohns suspendirt bleiben müsse. Allein die Frage, worüber eigentlich ge- stritten wird, ist diese; ob ein solcher Sohn ohne Genehm- haltung des Vaters Schulden machen, und Wechsel aus- stellen könne? und ob, wenn er solches gethan, wider denselben eine Klage statt finde? Die meisten heutigen Rechtsgelehrten entscheiden diese Frage in der Regel ver- neinend 62). Allein sollte dieß wohl der heutigen Ver- fassung angemessen seyn? Der Hauptgrund, warum die Römer das Macedonianische Senatusconsultum abgefasset haben, war ja, damit das Leben der Väter durch das Schuldenmachen der Kinder nicht in Gefahr komme. Dieser ist aber gegenwärtig wenigstens nicht mehr in der damaligen Stärke vorhanden. Denn die christliche Mo- ral hat das Leben der Eltern besser, als das Macedonia- nische Senatusconsultum, gesichert. Hierzu kommt, daß es für redliche Gläubiger, die einen großjährigen Sohn Gelder leihen, zumal in den Staaten, worinn die Voll- jährigkeit erst mit dem 25sten Jahre den Anfang nimmt, etwas hart zu seyn scheinet, wenn Letzterer sich mit der Einwendung, daß er sich noch nicht aus der väterlichen Gewalt begeben habe, schützen, und durch diese Handlung einen um das ihm geliehene Geld bringen kann. Denn denen Kindern stehet es ja heutiges Tages nach erlangter Volljährigkeit frey, sich aus der väterlichen Gewalt zu be- geben, 62) S. God. Lud. mencken Diss. de usu ferensi Scti Macedo-
niani in Germania Vitembergae 1715. 1. Buch. 7. Tit. §. 161. volljaͤhrig geworden, allein ſich von den Eltern, mit An-ſtellung einer eigenen Nahrung und Haushaltung, noch nicht abgeſondert hat, zu ſolchen buͤrgerlichen Handlungen faͤhig ſey, die die Eigenſchaft eines Paterfamilias erfor- dern, iſt ſtreitig. Zwar iſt man darin voͤllig einverſtan- den, daß die Errichtung eines Teſtaments bis auf wirk- lich erfolgte voͤllige Abſonderung des Sohns ſuſpendirt bleiben muͤſſe. Allein die Frage, woruͤber eigentlich ge- ſtritten wird, iſt dieſe; ob ein ſolcher Sohn ohne Genehm- haltung des Vaters Schulden machen, und Wechſel aus- ſtellen koͤnne? und ob, wenn er ſolches gethan, wider denſelben eine Klage ſtatt finde? Die meiſten heutigen Rechtsgelehrten entſcheiden dieſe Frage in der Regel ver- neinend 62). Allein ſollte dieß wohl der heutigen Ver- faſſung angemeſſen ſeyn? Der Hauptgrund, warum die Roͤmer das Macedonianiſche Senatusconſultum abgefaſſet haben, war ja, damit das Leben der Vaͤter durch das Schuldenmachen der Kinder nicht in Gefahr komme. Dieſer iſt aber gegenwaͤrtig wenigſtens nicht mehr in der damaligen Staͤrke vorhanden. Denn die chriſtliche Mo- ral hat das Leben der Eltern beſſer, als das Macedonia- niſche Senatusconſultum, geſichert. Hierzu kommt, daß es fuͤr redliche Glaͤubiger, die einen großjaͤhrigen Sohn Gelder leihen, zumal in den Staaten, worinn die Voll- jaͤhrigkeit erſt mit dem 25ſten Jahre den Anfang nimmt, etwas hart zu ſeyn ſcheinet, wenn Letzterer ſich mit der Einwendung, daß er ſich noch nicht aus der vaͤterlichen Gewalt begeben habe, ſchuͤtzen, und durch dieſe Handlung einen um das ihm geliehene Geld bringen kann. Denn denen Kindern ſtehet es ja heutiges Tages nach erlangter Volljaͤhrigkeit frey, ſich aus der vaͤterlichen Gewalt zu be- geben, 62) S. God. Lud. mencken Diſſ. de uſu ferenſi Scti Macedo-
niani in Germania Vitembergae 1715. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0402" n="388"/><fw place="top" type="header">1. Buch. 7. Tit. §. 161.</fw><lb/> volljaͤhrig geworden, allein ſich von den Eltern, mit An-<lb/> ſtellung einer eigenen Nahrung und Haushaltung, noch<lb/> nicht abgeſondert hat, zu ſolchen buͤrgerlichen Handlungen<lb/> faͤhig ſey, die die Eigenſchaft eines Paterfamilias erfor-<lb/> dern, iſt ſtreitig. Zwar iſt man darin voͤllig einverſtan-<lb/> den, daß die Errichtung eines Teſtaments bis auf wirk-<lb/> lich erfolgte voͤllige Abſonderung des Sohns ſuſpendirt<lb/> bleiben muͤſſe. Allein die Frage, woruͤber eigentlich ge-<lb/> ſtritten wird, iſt dieſe; ob ein ſolcher Sohn ohne Genehm-<lb/> haltung des Vaters Schulden machen, und Wechſel aus-<lb/> ſtellen koͤnne? und ob, wenn er ſolches gethan, wider<lb/> denſelben eine Klage ſtatt finde? Die meiſten heutigen<lb/> Rechtsgelehrten entſcheiden dieſe Frage in der Regel ver-<lb/> neinend <note place="foot" n="62)">S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">God. Lud.</hi><hi rendition="#k">mencken</hi> Diſſ. de uſu ferenſi Scti Macedo-<lb/> niani in Germania <hi rendition="#i">Vitembergae</hi></hi> 1715.</note>. Allein ſollte dieß wohl der heutigen Ver-<lb/> faſſung angemeſſen ſeyn? Der Hauptgrund, warum die<lb/> Roͤmer das Macedonianiſche Senatusconſultum abgefaſſet<lb/> haben, war ja, damit das Leben der Vaͤter durch das<lb/> Schuldenmachen der Kinder nicht in Gefahr komme.<lb/> Dieſer iſt aber gegenwaͤrtig wenigſtens nicht mehr in der<lb/> damaligen Staͤrke vorhanden. Denn die chriſtliche Mo-<lb/> ral hat das Leben der Eltern beſſer, als das Macedonia-<lb/> niſche Senatusconſultum, geſichert. Hierzu kommt, daß<lb/> es fuͤr redliche Glaͤubiger, die einen großjaͤhrigen Sohn<lb/> Gelder leihen, zumal in den Staaten, worinn die Voll-<lb/> jaͤhrigkeit erſt mit dem 25ſten Jahre den Anfang nimmt,<lb/> etwas hart zu ſeyn ſcheinet, wenn Letzterer ſich mit der<lb/> Einwendung, daß er ſich noch nicht aus der vaͤterlichen<lb/> Gewalt begeben habe, ſchuͤtzen, und durch dieſe Handlung<lb/> einen um das ihm geliehene Geld bringen kann. Denn<lb/> denen Kindern ſtehet es ja heutiges Tages nach erlangter<lb/> Volljaͤhrigkeit frey, ſich aus der vaͤterlichen Gewalt zu be-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">geben,</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [388/0402]
1. Buch. 7. Tit. §. 161.
volljaͤhrig geworden, allein ſich von den Eltern, mit An-
ſtellung einer eigenen Nahrung und Haushaltung, noch
nicht abgeſondert hat, zu ſolchen buͤrgerlichen Handlungen
faͤhig ſey, die die Eigenſchaft eines Paterfamilias erfor-
dern, iſt ſtreitig. Zwar iſt man darin voͤllig einverſtan-
den, daß die Errichtung eines Teſtaments bis auf wirk-
lich erfolgte voͤllige Abſonderung des Sohns ſuſpendirt
bleiben muͤſſe. Allein die Frage, woruͤber eigentlich ge-
ſtritten wird, iſt dieſe; ob ein ſolcher Sohn ohne Genehm-
haltung des Vaters Schulden machen, und Wechſel aus-
ſtellen koͤnne? und ob, wenn er ſolches gethan, wider
denſelben eine Klage ſtatt finde? Die meiſten heutigen
Rechtsgelehrten entſcheiden dieſe Frage in der Regel ver-
neinend 62). Allein ſollte dieß wohl der heutigen Ver-
faſſung angemeſſen ſeyn? Der Hauptgrund, warum die
Roͤmer das Macedonianiſche Senatusconſultum abgefaſſet
haben, war ja, damit das Leben der Vaͤter durch das
Schuldenmachen der Kinder nicht in Gefahr komme.
Dieſer iſt aber gegenwaͤrtig wenigſtens nicht mehr in der
damaligen Staͤrke vorhanden. Denn die chriſtliche Mo-
ral hat das Leben der Eltern beſſer, als das Macedonia-
niſche Senatusconſultum, geſichert. Hierzu kommt, daß
es fuͤr redliche Glaͤubiger, die einen großjaͤhrigen Sohn
Gelder leihen, zumal in den Staaten, worinn die Voll-
jaͤhrigkeit erſt mit dem 25ſten Jahre den Anfang nimmt,
etwas hart zu ſeyn ſcheinet, wenn Letzterer ſich mit der
Einwendung, daß er ſich noch nicht aus der vaͤterlichen
Gewalt begeben habe, ſchuͤtzen, und durch dieſe Handlung
einen um das ihm geliehene Geld bringen kann. Denn
denen Kindern ſtehet es ja heutiges Tages nach erlangter
Volljaͤhrigkeit frey, ſich aus der vaͤterlichen Gewalt zu be-
geben,
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