Jedoch würde es hinreichend seyn, in allen dergleichen Fällen blos summarisch, und ohne Gestattung gewöhnli- cher Formalitäten des gerichtlichen Proceßes, zu verfah- ren 8).
Die zweyte Frage anlangend, was eine solche Verstoßung für rechtliche Wirkungen habe? so sind auch hierüber die Meynungen der Rechtsgelehrten getheilt. Ich glaube mit Herrn Prof. Günther9) daß hier eigentlich zwey Fragen zu beantworten sind: die erste: was wirkt eine solche Verstoßung in Absicht der Kinder? die zwey- te: Was wirkt sie in Absicht der Eltern?
Die Kinder verliehren zwar dadurch weder das Eigenthum an ihrem peculio adventitio, noch ihr künftiges Erbrecht in dem elterlichen Vermögen. Denn die Ausschließung der Kinder von der Erbschaft ihrer El- tern erfordert nothwendig: a) daß sie in einer letzten Willensverordnung geschehe, b) daß eine in der 115ten Novelle bestimmte Ursache dabey zum Grunde liege, und c) daß diese Ursache wahr sey. Dies ist aber nicht der Fall bey der Verstoßung. Denn wenn gleich die Eltern eine rechtmäsige Ursache zur Enterbung hätten, so ist doch eine blose Erklärung der Eltern, daß sie ihr unge- rathenes Kind nicht mehr als ihr Kind ansehen wollten, zur Enterbung desselben nicht hinreichend, weil diese durch keine Erklärung unter den Lebendigen bewirkt werden kann, sondern in einem Testamente auf eine legale Art geschehen muß 10). Allein es fragt sich, ob solche un-
dank-
8) Hr. v. Globig a. a. O. S. 95.
9) im angef. Archiv S. 318. ff.
10)mevius in Decisionib. Part. IV. Dec. 183. Zwar will Me- viusDec. 184. et 185. und Part. V. Decis. 152. et 153. be- haupten, daß die Obrigkeit das Recht habe, Kinder ihres
Erh-
A a 2
De adoptionibus, emancipationibus etc.
Jedoch wuͤrde es hinreichend ſeyn, in allen dergleichen Faͤllen blos ſummariſch, und ohne Geſtattung gewoͤhnli- cher Formalitaͤten des gerichtlichen Proceßes, zu verfah- ren 8).
Die zweyte Frage anlangend, was eine ſolche Verſtoßung fuͤr rechtliche Wirkungen habe? ſo ſind auch hieruͤber die Meynungen der Rechtsgelehrten getheilt. Ich glaube mit Herrn Prof. Guͤnther9) daß hier eigentlich zwey Fragen zu beantworten ſind: die erſte: was wirkt eine ſolche Verſtoßung in Abſicht der Kinder? die zwey- te: Was wirkt ſie in Abſicht der Eltern?
Die Kinder verliehren zwar dadurch weder das Eigenthum an ihrem peculio adventitio, noch ihr kuͤnftiges Erbrecht in dem elterlichen Vermoͤgen. Denn die Ausſchließung der Kinder von der Erbſchaft ihrer El- tern erfordert nothwendig: a) daß ſie in einer letzten Willensverordnung geſchehe, b) daß eine in der 115ten Novelle beſtimmte Urſache dabey zum Grunde liege, und c) daß dieſe Urſache wahr ſey. Dies iſt aber nicht der Fall bey der Verſtoßung. Denn wenn gleich die Eltern eine rechtmaͤſige Urſache zur Enterbung haͤtten, ſo iſt doch eine bloſe Erklaͤrung der Eltern, daß ſie ihr unge- rathenes Kind nicht mehr als ihr Kind anſehen wollten, zur Enterbung deſſelben nicht hinreichend, weil dieſe durch keine Erklaͤrung unter den Lebendigen bewirkt werden kann, ſondern in einem Teſtamente auf eine legale Art geſchehen muß 10). Allein es fragt ſich, ob ſolche un-
dank-
8) Hr. v. Globig a. a. O. S. 95.
9) im angef. Archiv S. 318. ff.
10)mevius in Deciſionib. Part. IV. Dec. 183. Zwar will Me- viusDec. 184. et 185. und Part. V. Deciſ. 152. et 153. be- haupten, daß die Obrigkeit das Recht habe, Kinder ihres
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De adoptionibus, emancipationibus etc.
Jedoch wuͤrde es hinreichend ſeyn, in allen dergleichen
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cher Formalitaͤten des gerichtlichen Proceßes, zu verfah-
ren 8).
Die zweyte Frage anlangend, was eine ſolche
Verſtoßung fuͤr rechtliche Wirkungen habe? ſo ſind auch
hieruͤber die Meynungen der Rechtsgelehrten getheilt. Ich
glaube mit Herrn Prof. Guͤnther 9) daß hier eigentlich
zwey Fragen zu beantworten ſind: die erſte: was wirkt
eine ſolche Verſtoßung in Abſicht der Kinder? die zwey-
te: Was wirkt ſie in Abſicht der Eltern?
Die Kinder verliehren zwar dadurch weder das
Eigenthum an ihrem peculio adventitio, noch ihr
kuͤnftiges Erbrecht in dem elterlichen Vermoͤgen. Denn
die Ausſchließung der Kinder von der Erbſchaft ihrer El-
tern erfordert nothwendig: a) daß ſie in einer letzten
Willensverordnung geſchehe, b) daß eine in der 115ten
Novelle beſtimmte Urſache dabey zum Grunde liege, und
c) daß dieſe Urſache wahr ſey. Dies iſt aber nicht der
Fall bey der Verſtoßung. Denn wenn gleich die Eltern
eine rechtmaͤſige Urſache zur Enterbung haͤtten, ſo iſt
doch eine bloſe Erklaͤrung der Eltern, daß ſie ihr unge-
rathenes Kind nicht mehr als ihr Kind anſehen wollten,
zur Enterbung deſſelben nicht hinreichend, weil dieſe durch
keine Erklaͤrung unter den Lebendigen bewirkt werden
kann, ſondern in einem Teſtamente auf eine legale Art
geſchehen muß 10). Allein es fragt ſich, ob ſolche un-
dank-
8) Hr. v. Globig a. a. O. S. 95.
9) im angef. Archiv S. 318. ff.
10) mevius in Deciſionib. Part. IV. Dec. 183. Zwar will Me-
vius Dec. 184. et 185. und Part. V. Deciſ. 152. et 153. be-
haupten, daß die Obrigkeit das Recht habe, Kinder ihres
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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/385>, abgerufen am 25.07.2024.
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