Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.1. Buch. 7. Tit. §. 160. ob die Eltern ein solches ausgeartetes Kind, welches sichdurch Undank, Ungehorsam, und andere schändliche Ver- gehungen der fernern Erziehung und Hülfe der Eltern unwürdig gemacht hat, mit eigener Gewalt verstoßen, und seinem Schicksal Preiß geben dürfen? Dieß glaube ich nicht, sondern halte dafür, daß die Eltern in solchen Fällen, wo die erlaubte häußliche Züchtigung nichts mehr helfen will, die Obrigkeit um ihren Beystand er- suchen, und auf deren Urtheil es ankommen laßen müßen, ob das durch nichts zu bessernde Kind aller fernern Er- ziehung unwürdig? oder welcher Erziehung dasselbe, nach verbüßter obrigkeitlichen Strafe, noch würdig zu achten sey 6)? Denn wenn einem römischen Vater eine solche Verstoßung des ungerathenen Sohnes vermöge der ihm als Vater zugestandenen häußlichen Gerichtsbarkeit erlaubt war; so kann dieß heutiges Tages darum keine Anwendung finden, weil die teutschen Rechte dem Vater keine richterliche Gewalt über seine Kinder zueignen 7). Jedoch rechtiget sind. Allein, sagt man, die Gesetze geben den El- tern darum ein Recht, ihre Kinder aus verschiedenen Ursachen zu enterben, weil sie glauben, daß dieselben, wenn die Kin- der sich gebessert, zu der Zeit, da sie an den Tod gedenken, keinen Gebrauch davon zum Unglück der letztern machen wer- den. Gut! Können denn aber nicht auch Eltern sich mit ih- ren verstoßenen Kindern wieder aussöhnen, wenn sich diese gebessert haben? Ueberdem da die Verstoßung an sich denen Kindern ihr Erbrecht in dem elterlichen Vermögen nicht ipso iure nimmt, so kommt es ja noch immer auf die Gesinnung der Eltern an, ob sie sich ihres Rechts, das verstoßene Kind zu enterben bedienen wollen, oder nicht? 6) Eben dieser Meinung ist Hr. Appell. Rath von Globig in der Preisschr. über die Gründe und Gränzen der väterlichen Gewalt. S. 94. und 95. 7) Man vergleiche, was ich hiervon schon oben ad §. 138.
S. 236. bemerkt habe. 1. Buch. 7. Tit. §. 160. ob die Eltern ein ſolches ausgeartetes Kind, welches ſichdurch Undank, Ungehorſam, und andere ſchaͤndliche Ver- gehungen der fernern Erziehung und Huͤlfe der Eltern unwuͤrdig gemacht hat, mit eigener Gewalt verſtoßen, und ſeinem Schickſal Preiß geben duͤrfen? Dieß glaube ich nicht, ſondern halte dafuͤr, daß die Eltern in ſolchen Faͤllen, wo die erlaubte haͤußliche Zuͤchtigung nichts mehr helfen will, die Obrigkeit um ihren Beyſtand er- ſuchen, und auf deren Urtheil es ankommen laßen muͤßen, ob das durch nichts zu beſſernde Kind aller fernern Er- ziehung unwuͤrdig? oder welcher Erziehung daſſelbe, nach verbuͤßter obrigkeitlichen Strafe, noch wuͤrdig zu achten ſey 6)? Denn wenn einem roͤmiſchen Vater eine ſolche Verſtoßung des ungerathenen Sohnes vermoͤge der ihm als Vater zugeſtandenen haͤußlichen Gerichtsbarkeit erlaubt war; ſo kann dieß heutiges Tages darum keine Anwendung finden, weil die teutſchen Rechte dem Vater keine richterliche Gewalt uͤber ſeine Kinder zueignen 7). Jedoch rechtiget ſind. Allein, ſagt man, die Geſetze geben den El- tern darum ein Recht, ihre Kinder aus verſchiedenen Urſachen zu enterben, weil ſie glauben, daß dieſelben, wenn die Kin- der ſich gebeſſert, zu der Zeit, da ſie an den Tod gedenken, keinen Gebrauch davon zum Ungluͤck der letztern machen wer- den. Gut! Koͤnnen denn aber nicht auch Eltern ſich mit ih- ren verſtoßenen Kindern wieder ausſoͤhnen, wenn ſich dieſe gebeſſert haben? Ueberdem da die Verſtoßung an ſich denen Kindern ihr Erbrecht in dem elterlichen Vermoͤgen nicht ipſo iure nimmt, ſo kommt es ja noch immer auf die Geſinnung der Eltern an, ob ſie ſich ihres Rechts, das verſtoßene Kind zu enterben bedienen wollen, oder nicht? 6) Eben dieſer Meinung iſt Hr. Appell. Rath von Globig in der Preisſchr. uͤber die Gruͤnde und Graͤnzen der vaͤterlichen Gewalt. S. 94. und 95. 7) Man vergleiche, was ich hiervon ſchon oben ad §. 138.
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1. Buch. 7. Tit. §. 160.
ob die Eltern ein ſolches ausgeartetes Kind, welches ſich
durch Undank, Ungehorſam, und andere ſchaͤndliche Ver-
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unwuͤrdig gemacht hat, mit eigener Gewalt verſtoßen,
und ſeinem Schickſal Preiß geben duͤrfen? Dieß glaube
ich nicht, ſondern halte dafuͤr, daß die Eltern in ſolchen
Faͤllen, wo die erlaubte haͤußliche Zuͤchtigung nichts
mehr helfen will, die Obrigkeit um ihren Beyſtand er-
ſuchen, und auf deren Urtheil es ankommen laßen muͤßen,
ob das durch nichts zu beſſernde Kind aller fernern Er-
ziehung unwuͤrdig? oder welcher Erziehung daſſelbe,
nach verbuͤßter obrigkeitlichen Strafe, noch wuͤrdig zu
achten ſey 6)? Denn wenn einem roͤmiſchen Vater eine
ſolche Verſtoßung des ungerathenen Sohnes vermoͤge der
ihm als Vater zugeſtandenen haͤußlichen Gerichtsbarkeit
erlaubt war; ſo kann dieß heutiges Tages darum keine
Anwendung finden, weil die teutſchen Rechte dem Vater
keine richterliche Gewalt uͤber ſeine Kinder zueignen 7).
Jedoch
5)
6) Eben dieſer Meinung iſt Hr. Appell. Rath von Globig in
der Preisſchr. uͤber die Gruͤnde und Graͤnzen der vaͤterlichen
Gewalt. S. 94. und 95.
7) Man vergleiche, was ich hiervon ſchon oben ad §. 138.
S. 236. bemerkt habe.
5) rechtiget ſind. Allein, ſagt man, die Geſetze geben den El-
tern darum ein Recht, ihre Kinder aus verſchiedenen Urſachen
zu enterben, weil ſie glauben, daß dieſelben, wenn die Kin-
der ſich gebeſſert, zu der Zeit, da ſie an den Tod gedenken,
keinen Gebrauch davon zum Ungluͤck der letztern machen wer-
den. Gut! Koͤnnen denn aber nicht auch Eltern ſich mit ih-
ren verſtoßenen Kindern wieder ausſoͤhnen, wenn ſich dieſe
gebeſſert haben? Ueberdem da die Verſtoßung an ſich denen
Kindern ihr Erbrecht in dem elterlichen Vermoͤgen nicht ipſo
iure nimmt, ſo kommt es ja noch immer auf die Geſinnung
der Eltern an, ob ſie ſich ihres Rechts, das verſtoßene Kind
zu enterben bedienen wollen, oder nicht?
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