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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 7. Tit. §. 151.
daß sie erst nach geschehener Adoption wären gebohren
worden 86). Da ferner in diesem erstern Fall der Adop-
tirende seinen Enkel oder Enkelin an Sohnes oder Toch-
terstatt annimmt, so wird durch eine solche Adoption eine
doppelte Verwandschaft gewirkt, nehmlich eine bürgerli-
che
und natürliche zugleich, die in Absicht auf die In-
testat-Erbfolge ihre besondere Wirkung hat. Denn wenn
z. B. der mütterliche Großvater seinen Enkel adoptirt,
so bleibt zwar das natürliche Verwandschaftsverhältniß,
vermöge welchem der Adoptirende der Großvater, das
angenommene Kind aber desselben Enkel ist, allein es
tritt nun noch eine neue bürgerliche Verbindung hinzu,
nach welcher der Enkel civiliter als Sohn des adop-
tirenden Großvaters, der Großvater aber als desselben
Vater angesehen wird. Dies hat weiter die Folge, daß
des Adoptirenden leibliche Tochter, welche nach natürli-
chen Verwandschaftsverhältniß des adoptirten Kindes Mut-
ter ist, jetzt civiliter als desselben Schwester, der Adop-
tirte aber als frater civilis seiner leiblichen Mutter ange-
sehen wird, obwohl die natürliche Verbindung zwischen
Mutter und Sohn hierdurch im mindesten nicht aufge-
hoben wird. Nun setze man den Fall, der adoptirende
Großvater stürbe, so succediren beyde, der Enkel und
desselben Mutter, in capita ab intestato. Der Enkel
als Adoptivsohn, desselben leibliche Mutter aber als Toch-
ter des Verstorbenen. Der Enkel bekommt also jetzt als
Adoptivsohn die Halbscheid der Verlassenschaft, da er aus-
serdem als Enkel von seiner Mutter würde ausgeschlossen
worden seyn. Man nehme ferner den Fall an, die Mut-
ter dieses Enkels sey schon vor dem Großvater oder, ei-
gentlich zu reden, vor ihrem Vater verstorben, habe

aber
86) L. 27. D. eod. ex adoptivo natus adoptivi locum obtinet
in iure civili. Ant. faber in Rational. ad h. L.

1. Buch. 7. Tit. §. 151.
daß ſie erſt nach geſchehener Adoption waͤren gebohren
worden 86). Da ferner in dieſem erſtern Fall der Adop-
tirende ſeinen Enkel oder Enkelin an Sohnes oder Toch-
terſtatt annimmt, ſo wird durch eine ſolche Adoption eine
doppelte Verwandſchaft gewirkt, nehmlich eine buͤrgerli-
che
und natuͤrliche zugleich, die in Abſicht auf die In-
teſtat-Erbfolge ihre beſondere Wirkung hat. Denn wenn
z. B. der muͤtterliche Großvater ſeinen Enkel adoptirt,
ſo bleibt zwar das natuͤrliche Verwandſchaftsverhaͤltniß,
vermoͤge welchem der Adoptirende der Großvater, das
angenommene Kind aber deſſelben Enkel iſt, allein es
tritt nun noch eine neue buͤrgerliche Verbindung hinzu,
nach welcher der Enkel civiliter als Sohn des adop-
tirenden Großvaters, der Großvater aber als deſſelben
Vater angeſehen wird. Dies hat weiter die Folge, daß
des Adoptirenden leibliche Tochter, welche nach natuͤrli-
chen Verwandſchaftsverhaͤltniß des adoptirten Kindes Mut-
ter iſt, jetzt civiliter als deſſelben Schweſter, der Adop-
tirte aber als frater civilis ſeiner leiblichen Mutter ange-
ſehen wird, obwohl die natuͤrliche Verbindung zwiſchen
Mutter und Sohn hierdurch im mindeſten nicht aufge-
hoben wird. Nun ſetze man den Fall, der adoptirende
Großvater ſtuͤrbe, ſo ſuccediren beyde, der Enkel und
deſſelben Mutter, in capita ab inteſtato. Der Enkel
als Adoptivſohn, deſſelben leibliche Mutter aber als Toch-
ter des Verſtorbenen. Der Enkel bekommt alſo jetzt als
Adoptivſohn die Halbſcheid der Verlaſſenſchaft, da er auſ-
ſerdem als Enkel von ſeiner Mutter wuͤrde ausgeſchloſſen
worden ſeyn. Man nehme ferner den Fall an, die Mut-
ter dieſes Enkels ſey ſchon vor dem Großvater oder, ei-
gentlich zu reden, vor ihrem Vater verſtorben, habe

aber
86) L. 27. D. eod. ex adoptivo natus adoptivi locum obtinet
in iure civili. Ant. faber in Rational. ad h. L.
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[312/0326] 1. Buch. 7. Tit. §. 151. daß ſie erſt nach geſchehener Adoption waͤren gebohren worden 86). Da ferner in dieſem erſtern Fall der Adop- tirende ſeinen Enkel oder Enkelin an Sohnes oder Toch- terſtatt annimmt, ſo wird durch eine ſolche Adoption eine doppelte Verwandſchaft gewirkt, nehmlich eine buͤrgerli- che und natuͤrliche zugleich, die in Abſicht auf die In- teſtat-Erbfolge ihre beſondere Wirkung hat. Denn wenn z. B. der muͤtterliche Großvater ſeinen Enkel adoptirt, ſo bleibt zwar das natuͤrliche Verwandſchaftsverhaͤltniß, vermoͤge welchem der Adoptirende der Großvater, das angenommene Kind aber deſſelben Enkel iſt, allein es tritt nun noch eine neue buͤrgerliche Verbindung hinzu, nach welcher der Enkel civiliter als Sohn des adop- tirenden Großvaters, der Großvater aber als deſſelben Vater angeſehen wird. Dies hat weiter die Folge, daß des Adoptirenden leibliche Tochter, welche nach natuͤrli- chen Verwandſchaftsverhaͤltniß des adoptirten Kindes Mut- ter iſt, jetzt civiliter als deſſelben Schweſter, der Adop- tirte aber als frater civilis ſeiner leiblichen Mutter ange- ſehen wird, obwohl die natuͤrliche Verbindung zwiſchen Mutter und Sohn hierdurch im mindeſten nicht aufge- hoben wird. Nun ſetze man den Fall, der adoptirende Großvater ſtuͤrbe, ſo ſuccediren beyde, der Enkel und deſſelben Mutter, in capita ab inteſtato. Der Enkel als Adoptivſohn, deſſelben leibliche Mutter aber als Toch- ter des Verſtorbenen. Der Enkel bekommt alſo jetzt als Adoptivſohn die Halbſcheid der Verlaſſenſchaft, da er auſ- ſerdem als Enkel von ſeiner Mutter wuͤrde ausgeſchloſſen worden ſeyn. Man nehme ferner den Fall an, die Mut- ter dieſes Enkels ſey ſchon vor dem Großvater oder, ei- gentlich zu reden, vor ihrem Vater verſtorben, habe aber 86) L. 27. D. eod. ex adoptivo natus adoptivi locum obtinet in iure civili. Ant. faber in Rational. ad h. L.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/326>, abgerufen am 25.07.2024.