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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 6. Tit. §. 147.
deshoheit über dieselben haben? Ist nun die Mutter keine
reichsunmittelbare Person, so wird wohl niemand dem
Landesherrn das Recht, die mit derselben erzeugte Kinder
zu legitimiren, absprechen. Wie aber, wenn die Mut-
ter eine reichsunmittelbare Person ist? Hierin ist die
Praxis, wie Moser 84) gesteht, zwar sehr ungewiß;
weil indessen Unehelichgebohrne dem Stand der Mutter
folgen, mithin ebenfalls für reichsunmittelbare Personen
zu halten sind, so ist zu behaupten, daß nur der Kaiser
sie legitimiren könne 85). Eben so gewiß es nun auch,
daß ein Landesherr in einem fremden Lande dieses Befug-
niß nicht ausüben könne. Ob aber die von einem Lan-
desherrn in seinem Lande ertheilten Legitimationen ihre
Wirkungen auch in anderer Reichsstände Landen und Ge-
bieten äußere, ist sehr streitig. Die meisten Rechtsge-
lehrten streiten für die verneinende Meinung, weil die
gesetzgebende Gewalt ihre Kraft nicht ausser dem Lande
des Gesetzgebers äussere, und daher keine vermöge der-
selben vorgenommene Handlung einen andern Regenten
oder desselben Unterthanen nothwendig verbinde 86). An-
dere bejahen hingegen jene Frage schlechthin 87); und

gründen
84) Compend. I. Publici pag. 323.
85) eisenhart cit. loc. pag. 26.
86) stryck Us. Mod. Pand. h. t. §. 14. I. H. boehmer
doctr. Digest. h. t. §. 15. voet de statutis Sect. IV. cap. 3.
§. 15. anckelmann Diss. cit. Cap I. Sect. I. §. 4. not. t.

Moser im teutschen nachbarlichen Staatsrecht. B. IV.
Kap. 8. §. 6. Eichmann in den Erklärungen des bürgerl.
Rechts. III. Th. S. 299. u. a. m.
87) hert Diss. de collisione legum Sect. IV. §. 14. gribner
Diss. de iure legitimandi principum imp. §. 12--21. myler
ab ehrenbach de Princip. et Statib. Imp. Rom. Germ. P. II.
Cap. 54. §. 10. mascov Princip. iuris publici p. 773. edit.
noviss.

1. Buch. 6. Tit. §. 147.
deshoheit uͤber dieſelben haben? Iſt nun die Mutter keine
reichsunmittelbare Perſon, ſo wird wohl niemand dem
Landesherrn das Recht, die mit derſelben erzeugte Kinder
zu legitimiren, abſprechen. Wie aber, wenn die Mut-
ter eine reichsunmittelbare Perſon iſt? Hierin iſt die
Praxis, wie Moſer 84) geſteht, zwar ſehr ungewiß;
weil indeſſen Unehelichgebohrne dem Stand der Mutter
folgen, mithin ebenfalls fuͤr reichsunmittelbare Perſonen
zu halten ſind, ſo iſt zu behaupten, daß nur der Kaiſer
ſie legitimiren koͤnne 85). Eben ſo gewiß es nun auch,
daß ein Landesherr in einem fremden Lande dieſes Befug-
niß nicht ausuͤben koͤnne. Ob aber die von einem Lan-
desherrn in ſeinem Lande ertheilten Legitimationen ihre
Wirkungen auch in anderer Reichsſtaͤnde Landen und Ge-
bieten aͤußere, iſt ſehr ſtreitig. Die meiſten Rechtsge-
lehrten ſtreiten fuͤr die verneinende Meinung, weil die
geſetzgebende Gewalt ihre Kraft nicht auſſer dem Lande
des Geſetzgebers aͤuſſere, und daher keine vermoͤge der-
ſelben vorgenommene Handlung einen andern Regenten
oder deſſelben Unterthanen nothwendig verbinde 86). An-
dere bejahen hingegen jene Frage ſchlechthin 87); und

gruͤnden
84) Compend. I. Publici pag. 323.
85) eisenhart cit. loc. pag. 26.
86) stryck Uſ. Mod. Pand. h. t. §. 14. I. H. boehmer
doctr. Digeſt. h. t. §. 15. voet de ſtatutis Sect. IV. cap. 3.
§. 15. anckelmann Diſſ. cit. Cap I. Sect. I. §. 4. not. t.

Moſer im teutſchen nachbarlichen Staatsrecht. B. IV.
Kap. 8. §. 6. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl.
Rechts. III. Th. S. 299. u. a. m.
87) hert Diſſ. de colliſione legum Sect. IV. §. 14. gribner
Diſſ. de iure legitimandi principum imp. §. 12—21. myler
ab ehrenbach de Princip. et Statib. Imp. Rom. Germ. P. II.
Cap. 54. §. 10. mascov Princip. iuris publici p. 773. edit.
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[286/0300] 1. Buch. 6. Tit. §. 147. deshoheit uͤber dieſelben haben? Iſt nun die Mutter keine reichsunmittelbare Perſon, ſo wird wohl niemand dem Landesherrn das Recht, die mit derſelben erzeugte Kinder zu legitimiren, abſprechen. Wie aber, wenn die Mut- ter eine reichsunmittelbare Perſon iſt? Hierin iſt die Praxis, wie Moſer 84) geſteht, zwar ſehr ungewiß; weil indeſſen Unehelichgebohrne dem Stand der Mutter folgen, mithin ebenfalls fuͤr reichsunmittelbare Perſonen zu halten ſind, ſo iſt zu behaupten, daß nur der Kaiſer ſie legitimiren koͤnne 85). Eben ſo gewiß es nun auch, daß ein Landesherr in einem fremden Lande dieſes Befug- niß nicht ausuͤben koͤnne. Ob aber die von einem Lan- desherrn in ſeinem Lande ertheilten Legitimationen ihre Wirkungen auch in anderer Reichsſtaͤnde Landen und Ge- bieten aͤußere, iſt ſehr ſtreitig. Die meiſten Rechtsge- lehrten ſtreiten fuͤr die verneinende Meinung, weil die geſetzgebende Gewalt ihre Kraft nicht auſſer dem Lande des Geſetzgebers aͤuſſere, und daher keine vermoͤge der- ſelben vorgenommene Handlung einen andern Regenten oder deſſelben Unterthanen nothwendig verbinde 86). An- dere bejahen hingegen jene Frage ſchlechthin 87); und gruͤnden 84) Compend. I. Publici pag. 323. 85) eisenhart cit. loc. pag. 26. 86) stryck Uſ. Mod. Pand. h. t. §. 14. I. H. boehmer doctr. Digeſt. h. t. §. 15. voet de ſtatutis Sect. IV. cap. 3. §. 15. anckelmann Diſſ. cit. Cap I. Sect. I. §. 4. not. t. Moſer im teutſchen nachbarlichen Staatsrecht. B. IV. Kap. 8. §. 6. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts. III. Th. S. 299. u. a. m. 87) hert Diſſ. de colliſione legum Sect. IV. §. 14. gribner Diſſ. de iure legitimandi principum imp. §. 12—21. myler ab ehrenbach de Princip. et Statib. Imp. Rom. Germ. P. II. Cap. 54. §. 10. mascov Princip. iuris publici p. 773. edit. noviſſ.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/300>, abgerufen am 23.11.2024.