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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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De his, qui sui vel alieni iuris sunt.
gent heutiges Tages uneheliche Kinder durch sein Rescript
legitimiren könne, es mögen eheliche Kinder vorhanden
seyn, oder nicht. Warum soll nun der Regent seinen
Rescript nicht eben die Wirkung beylegen können, die Ju-
stinian
der Ehe beygelegt hat 49)? Man wende nicht
ein, daß nach dem Gesetz des Justinians der landesherr-
lichen Ehelichmachung keine vollkommene Wirkung zuge-
schrieben werden dürfe, wenn zur Zeit der verlangten Le-
gitimation schon eheliche Kinder vorhanden gewesen sind.
Denn wie konnte Justinian der gesetzgebenden Gewalt
seiner Nachfolger Schranken setzen? Zweytens haben
eheliche Kinder eigentlich nur ein ius quaesitum auf den
Pflichttheil; dieser darf ihnen weder entzogen noch ge-
schmälert werden. Das übrige Vermögen kann der Va-
ter zuwenden, wem er will. Hat nun gleich Justinian
dem Vater, wenn er zugleich ehelichgebohrne Kinder hat,
seinen natürlichen Kindern, mehr, als ein Zwölftheil,
zu hinterlassen nicht erlaubt, so bindet doch diese gesetz-
liche Vorschrift keinesweges unsere Landesherrn, daß sie
nun eben deswegen solche uneheliche Kinder auch nicht
vollkommen legitimiren dürften, zumahl heutige Rechts-
gelehrten überhaupt noch daran zweifeln, ob jene Vor-
schrift bey uns, selbst auf Seiten des Vaters, annoch
gelten könne 50). Es läßt sich also nach heutigen Rech-
ten wohl rechtfertigen, wenn unser Verf. sagt: his (sc.
liberis legitimis) vero extantibus, non succedunt legiti-
mati per rescriptum, nisi pater id voluerit, et princeps di-

serte
49) Nov. XII. cap. 4. Nov. LXXXIX. cap. 8. madihn cit.
Diss. §. XI. et in Princip. iur. Rom. P. V. §. 5. not. a.
50) mommel Rhapsod. quaestion. forens. Vol. II. Obs. 373.
welche die Ueberschrift hat: Si pater vel mater legitimos libe-
ros in portione legitima instituat, licere ei omne reliquum pa-
trimonium illegitimis aut concubinae legare.
Add. Ge. Steph.
wiesand in Opuscul. pag. 274. not. m.
S 2

De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt.
gent heutiges Tages uneheliche Kinder durch ſein Reſcript
legitimiren koͤnne, es moͤgen eheliche Kinder vorhanden
ſeyn, oder nicht. Warum ſoll nun der Regent ſeinen
Reſcript nicht eben die Wirkung beylegen koͤnnen, die Ju-
ſtinian
der Ehe beygelegt hat 49)? Man wende nicht
ein, daß nach dem Geſetz des Juſtinians der landesherr-
lichen Ehelichmachung keine vollkommene Wirkung zuge-
ſchrieben werden duͤrfe, wenn zur Zeit der verlangten Le-
gitimation ſchon eheliche Kinder vorhanden geweſen ſind.
Denn wie konnte Juſtinian der geſetzgebenden Gewalt
ſeiner Nachfolger Schranken ſetzen? Zweytens haben
eheliche Kinder eigentlich nur ein ius quaeſitum auf den
Pflichttheil; dieſer darf ihnen weder entzogen noch ge-
ſchmaͤlert werden. Das uͤbrige Vermoͤgen kann der Va-
ter zuwenden, wem er will. Hat nun gleich Juſtinian
dem Vater, wenn er zugleich ehelichgebohrne Kinder hat,
ſeinen natuͤrlichen Kindern, mehr, als ein Zwoͤlftheil,
zu hinterlaſſen nicht erlaubt, ſo bindet doch dieſe geſetz-
liche Vorſchrift keinesweges unſere Landesherrn, daß ſie
nun eben deswegen ſolche uneheliche Kinder auch nicht
vollkommen legitimiren duͤrften, zumahl heutige Rechts-
gelehrten uͤberhaupt noch daran zweifeln, ob jene Vor-
ſchrift bey uns, ſelbſt auf Seiten des Vaters, annoch
gelten koͤnne 50). Es laͤßt ſich alſo nach heutigen Rech-
ten wohl rechtfertigen, wenn unſer Verf. ſagt: his (ſc.
liberis legitimis) vero extantibus, non ſuccedunt legiti-
mati per reſcriptum, niſi pater id voluerit, et princeps di-

ſerte
49) Nov. XII. cap. 4. Nov. LXXXIX. cap. 8. madihn cit.
Diſſ. §. XI. et in Princip. iur. Rom. P. V. §. 5. not. a.
50) mommel Rhapſod. quaeſtion. forens. Vol. II. Obſ. 373.
welche die Ueberſchrift hat: Si pater vel mater legitimos libe-
ros in portione legitima inſtituat, licere ei omne reliquum pa-
trimonium illegitimis aut concubinae legare.
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S 2
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[275/0289] De his, qui ſui vel alieni iuris ſunt. gent heutiges Tages uneheliche Kinder durch ſein Reſcript legitimiren koͤnne, es moͤgen eheliche Kinder vorhanden ſeyn, oder nicht. Warum ſoll nun der Regent ſeinen Reſcript nicht eben die Wirkung beylegen koͤnnen, die Ju- ſtinian der Ehe beygelegt hat 49)? Man wende nicht ein, daß nach dem Geſetz des Juſtinians der landesherr- lichen Ehelichmachung keine vollkommene Wirkung zuge- ſchrieben werden duͤrfe, wenn zur Zeit der verlangten Le- gitimation ſchon eheliche Kinder vorhanden geweſen ſind. Denn wie konnte Juſtinian der geſetzgebenden Gewalt ſeiner Nachfolger Schranken ſetzen? Zweytens haben eheliche Kinder eigentlich nur ein ius quaeſitum auf den Pflichttheil; dieſer darf ihnen weder entzogen noch ge- ſchmaͤlert werden. Das uͤbrige Vermoͤgen kann der Va- ter zuwenden, wem er will. Hat nun gleich Juſtinian dem Vater, wenn er zugleich ehelichgebohrne Kinder hat, ſeinen natuͤrlichen Kindern, mehr, als ein Zwoͤlftheil, zu hinterlaſſen nicht erlaubt, ſo bindet doch dieſe geſetz- liche Vorſchrift keinesweges unſere Landesherrn, daß ſie nun eben deswegen ſolche uneheliche Kinder auch nicht vollkommen legitimiren duͤrften, zumahl heutige Rechts- gelehrten uͤberhaupt noch daran zweifeln, ob jene Vor- ſchrift bey uns, ſelbſt auf Seiten des Vaters, annoch gelten koͤnne 50). Es laͤßt ſich alſo nach heutigen Rech- ten wohl rechtfertigen, wenn unſer Verf. ſagt: his (ſc. liberis legitimis) vero extantibus, non ſuccedunt legiti- mati per reſcriptum, niſi pater id voluerit, et princeps di- ſerte 49) Nov. XII. cap. 4. Nov. LXXXIX. cap. 8. madihn cit. Diſſ. §. XI. et in Princip. iur. Rom. P. V. §. 5. not. a. 50) mommel Rhapſod. quaeſtion. forens. Vol. II. Obſ. 373. welche die Ueberſchrift hat: Si pater vel mater legitimos libe- ros in portione legitima inſtituat, licere ei omne reliquum pa- trimonium illegitimis aut concubinae legare. Add. Ge. Steph. wiesand in Opuſcul. pag. 274. not. m. S 2

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/289>, abgerufen am 21.11.2024.