in dem Fall, da er zugleich ehelich gebohrne hat, durch Schenkung oder Testament mehr, als ein Zwölftheil, zu hinterlassen. Kann also der Vater auch nicht durch Schenkung, Testament und andere dergleichen Disposi- tionen das Erbrecht der ehelichgebohrnen Kinder zum Vor- theil der unehelichen schmälern, so läßt sich daraus schlies- sen, daß er letztere zum Nachtheil der erstern auch nicht durch ein Rescript legitimiren lassen könne. Allein die Frage ist nur, ob dies auch bey uns noch statt finden könne.?
Man muß, dünkt mich, hier zwey Fragen unterschei- den. Erstlich: was im Zweifel zu vermuthen, daß der Regent gewollt habe? Zweytens: ob sich die Gewalt des Regenten soweit erstrecke, uneheliche Kinder auf des Vaters Verlangen völlig und ad effectum successionis zu legitimiren, ohngeachtet eheliche Kinder vorhanden sind? Soviel die erste Frage anbetrift, so glaube ich, man müsse im Zweifel immer vermuthen, daß der Regent dasjenige gewollt habe, was dem gemeinen Rechte am ge- mäßesten ist. Hat daher der Vater den Umstand, daß eheliche Kinder vorhanden sind, in seiner Supplic ver- schwiegen, so daß die von demselben ausgewirkte Legiti- mation unter der Clausel: ohngeachtet eheliche Kin- der vorhanden, (non obstantibus liberis legitimis) nicht ertheilet worden ist, so ist das Rescript für erschlichen zu halten, und kann den ehelichen Kindern um so weniger praejudiciren, je bekannter es ist, daß Privilegien sine praeiudicio et diminutione iuris tertii verstanden wer- den müssen 48). Die zweyte Frage anlangend, so lassen sich für die bejahende Meinung folgende Gründe anfüh- ren. Erstens, ist es ausser allen Zweifel, daß ein Re-
gent
48)caill pract. observat. Lib. II. Obs. 142. n. 10. stryk Us. Mod. Pand. h. t. §. 16. fin.
1. Buch. 6. Tit. §. 144.
in dem Fall, da er zugleich ehelich gebohrne hat, durch Schenkung oder Teſtament mehr, als ein Zwoͤlftheil, zu hinterlaſſen. Kann alſo der Vater auch nicht durch Schenkung, Teſtament und andere dergleichen Dispoſi- tionen das Erbrecht der ehelichgebohrnen Kinder zum Vor- theil der unehelichen ſchmaͤlern, ſo laͤßt ſich daraus ſchlieſ- ſen, daß er letztere zum Nachtheil der erſtern auch nicht durch ein Reſcript legitimiren laſſen koͤnne. Allein die Frage iſt nur, ob dies auch bey uns noch ſtatt finden koͤnne.?
Man muß, duͤnkt mich, hier zwey Fragen unterſchei- den. Erſtlich: was im Zweifel zu vermuthen, daß der Regent gewollt habe? Zweytens: ob ſich die Gewalt des Regenten ſoweit erſtrecke, uneheliche Kinder auf des Vaters Verlangen voͤllig und ad effectum ſucceſſionis zu legitimiren, ohngeachtet eheliche Kinder vorhanden ſind? Soviel die erſte Frage anbetrift, ſo glaube ich, man muͤſſe im Zweifel immer vermuthen, daß der Regent dasjenige gewollt habe, was dem gemeinen Rechte am ge- maͤßeſten iſt. Hat daher der Vater den Umſtand, daß eheliche Kinder vorhanden ſind, in ſeiner Supplic ver- ſchwiegen, ſo daß die von demſelben ausgewirkte Legiti- mation unter der Clauſel: ohngeachtet eheliche Kin- der vorhanden, (non obſtantibus liberis legitimis) nicht ertheilet worden iſt, ſo iſt das Reſcript fuͤr erſchlichen zu halten, und kann den ehelichen Kindern um ſo weniger praejudiciren, je bekannter es iſt, daß Privilegien ſine praeiudicio et diminutione iuris tertii verſtanden wer- den muͤſſen 48). Die zweyte Frage anlangend, ſo laſſen ſich fuͤr die bejahende Meinung folgende Gruͤnde anfuͤh- ren. Erſtens, iſt es auſſer allen Zweifel, daß ein Re-
gent
48)caill pract. obſervat. Lib. II. Obſ. 142. n. 10. stryk Us. Mod. Pand. h. t. §. 16. fin.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0288"n="274"/><fwplace="top"type="header">1. Buch. 6. Tit. §. 144.</fw><lb/>
in dem Fall, da er zugleich ehelich gebohrne hat, durch<lb/>
Schenkung oder Teſtament mehr, als ein Zwoͤlftheil, zu<lb/>
hinterlaſſen. Kann alſo der Vater auch nicht durch<lb/>
Schenkung, Teſtament und andere dergleichen Dispoſi-<lb/>
tionen das Erbrecht der ehelichgebohrnen Kinder zum Vor-<lb/>
theil der unehelichen ſchmaͤlern, ſo laͤßt ſich daraus ſchlieſ-<lb/>ſen, daß er letztere zum Nachtheil der erſtern auch nicht<lb/>
durch ein Reſcript legitimiren laſſen koͤnne. Allein die<lb/>
Frage iſt nur, ob dies auch <hirendition="#g">bey uns</hi> noch ſtatt finden<lb/>
koͤnne.?</p><lb/><p>Man muß, duͤnkt mich, hier zwey Fragen unterſchei-<lb/>
den. Erſtlich: was im Zweifel zu vermuthen, daß der<lb/>
Regent gewollt habe? Zweytens: ob ſich die Gewalt<lb/>
des Regenten ſoweit erſtrecke, uneheliche Kinder auf des<lb/>
Vaters Verlangen voͤllig und <hirendition="#aq">ad effectum ſucceſſionis</hi><lb/>
zu legitimiren, ohngeachtet eheliche Kinder vorhanden<lb/>ſind? Soviel die erſte Frage anbetrift, ſo glaube ich,<lb/>
man muͤſſe im Zweifel immer vermuthen, daß der Regent<lb/>
dasjenige gewollt habe, was dem gemeinen Rechte am ge-<lb/>
maͤßeſten iſt. Hat daher der Vater den Umſtand, daß<lb/>
eheliche Kinder vorhanden ſind, in ſeiner Supplic ver-<lb/>ſchwiegen, ſo daß die von demſelben ausgewirkte Legiti-<lb/>
mation unter der Clauſel: <hirendition="#g">ohngeachtet eheliche Kin-<lb/>
der vorhanden</hi>, (<hirendition="#aq">non obſtantibus liberis legitimis</hi>)<lb/>
nicht ertheilet worden iſt, ſo iſt das Reſcript fuͤr erſchlichen<lb/>
zu halten, und kann den ehelichen Kindern um ſo weniger<lb/>
praejudiciren, je bekannter es iſt, daß Privilegien <hirendition="#aq">ſine<lb/>
praeiudicio et diminutione iuris tertii</hi> verſtanden wer-<lb/>
den muͤſſen <noteplace="foot"n="48)"><hirendition="#aq"><hirendition="#k">caill</hi> pract. obſervat. Lib. II. Obſ. 142. n. 10. <hirendition="#k">stryk</hi><lb/>
Us. Mod. Pand. h. t. §. 16. fin.</hi></note>. Die zweyte Frage anlangend, ſo laſſen<lb/>ſich fuͤr die bejahende Meinung folgende Gruͤnde anfuͤh-<lb/>
ren. Erſtens, iſt es auſſer allen Zweifel, daß ein Re-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gent</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[274/0288]
1. Buch. 6. Tit. §. 144.
in dem Fall, da er zugleich ehelich gebohrne hat, durch
Schenkung oder Teſtament mehr, als ein Zwoͤlftheil, zu
hinterlaſſen. Kann alſo der Vater auch nicht durch
Schenkung, Teſtament und andere dergleichen Dispoſi-
tionen das Erbrecht der ehelichgebohrnen Kinder zum Vor-
theil der unehelichen ſchmaͤlern, ſo laͤßt ſich daraus ſchlieſ-
ſen, daß er letztere zum Nachtheil der erſtern auch nicht
durch ein Reſcript legitimiren laſſen koͤnne. Allein die
Frage iſt nur, ob dies auch bey uns noch ſtatt finden
koͤnne.?
Man muß, duͤnkt mich, hier zwey Fragen unterſchei-
den. Erſtlich: was im Zweifel zu vermuthen, daß der
Regent gewollt habe? Zweytens: ob ſich die Gewalt
des Regenten ſoweit erſtrecke, uneheliche Kinder auf des
Vaters Verlangen voͤllig und ad effectum ſucceſſionis
zu legitimiren, ohngeachtet eheliche Kinder vorhanden
ſind? Soviel die erſte Frage anbetrift, ſo glaube ich,
man muͤſſe im Zweifel immer vermuthen, daß der Regent
dasjenige gewollt habe, was dem gemeinen Rechte am ge-
maͤßeſten iſt. Hat daher der Vater den Umſtand, daß
eheliche Kinder vorhanden ſind, in ſeiner Supplic ver-
ſchwiegen, ſo daß die von demſelben ausgewirkte Legiti-
mation unter der Clauſel: ohngeachtet eheliche Kin-
der vorhanden, (non obſtantibus liberis legitimis)
nicht ertheilet worden iſt, ſo iſt das Reſcript fuͤr erſchlichen
zu halten, und kann den ehelichen Kindern um ſo weniger
praejudiciren, je bekannter es iſt, daß Privilegien ſine
praeiudicio et diminutione iuris tertii verſtanden wer-
den muͤſſen 48). Die zweyte Frage anlangend, ſo laſſen
ſich fuͤr die bejahende Meinung folgende Gruͤnde anfuͤh-
ren. Erſtens, iſt es auſſer allen Zweifel, daß ein Re-
gent
48) caill pract. obſervat. Lib. II. Obſ. 142. n. 10. stryk
Us. Mod. Pand. h. t. §. 16. fin.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/288>, abgerufen am 25.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.