Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

1. Buch. 6. Tit. §. 130.
proximis solche Personen verstehet, die nahe bey vier-
zehn Jahren alt sind.

Mündig (Puberes) werden nun hingegen Personen
männlichen Geschlechts mit dem zurückgelegten vierzehn-
ten, Personen weiblichen Geschlechts aber mit dem eben-
falls zurückgelegten zwölften Jahre genennt. Warum
Weibspersonen zwey Jahre eher die Pubertät erreichen,
ist wahrscheinlich diese, weil sie ehe die Zeugungsfähig-
keit erlangen, und zum Ehestande reif werden, als Manns-
personen, und da das Temperament allerdings auch auf
den Verstand wirkt, so glaubten die Alten, daß sie auch
eher gescheid würden, als die Mannspersonen 58). Ob
nun gleich die Pubertät in Ansehung der Weibspersonen
schon vor Justinian durch ein gewisses Gesetz, nämlich
durch die Lex Papia Poppaea bestimmt war 59); so fehlte
es doch an einer solchen gesetzlichen Bestimmung in An-
sehung der männlichen Pubertät vor den Zeiten Justi-

nians
58) S. huber in Digressionib. Iustinian. lib. II. cap. 13.
59) dio cassius lib. LIV. pag. 531. heineccius in Commen-
tar. ad Legem Iuliam et Pap. Poppaeam lib. II. cap. V.
§. 2.
S. 181. u. folg. merillius in Observat. lib. V. cap. 17,
Daher kommen so viele Stellen in den Pandekten vor, in
welchen gesagt wird, daß Weibspersonen nicht eher als nach
zurückgelegten zwölften Jahre mannbar, und tüchtig wären,
sich zu verehelichen. S. L. 4. de ritu nuptiar. L. 32. § 27,
D. de donat, inter vir. et uxor. L. 17. §. 1. de rebus auct.
iud. possid.
Dieses anfänglich blos wegen der Ehen gesetzlich
bestimmte Alter der weiblichen Mündigkeit wurde in der Folge
durch die Gutachten der römischen Rechtsgelehrten in allen
übrigen bürgerlichen Rechtsfällen, wo von Mündigkeit der
Weibspersonen die Frage ist, festgesetzt. Z. B. bey Testa-
menten, Pupillar-Substitution, Tutelen u. d. L. 5. D qui
testam. fac. poss. L.
2. pr. D. de vulg. et pup. substitut.
L.
11. pr. quod fals. tutore. L. 3. de censib.

1. Buch. 6. Tit. §. 130.
proximis ſolche Perſonen verſtehet, die nahe bey vier-
zehn Jahren alt ſind.

Muͤndig (Puberes) werden nun hingegen Perſonen
maͤnnlichen Geſchlechts mit dem zuruͤckgelegten vierzehn-
ten, Perſonen weiblichen Geſchlechts aber mit dem eben-
falls zuruͤckgelegten zwoͤlften Jahre genennt. Warum
Weibsperſonen zwey Jahre eher die Pubertaͤt erreichen,
iſt wahrſcheinlich dieſe, weil ſie ehe die Zeugungsfaͤhig-
keit erlangen, und zum Eheſtande reif werden, als Manns-
perſonen, und da das Temperament allerdings auch auf
den Verſtand wirkt, ſo glaubten die Alten, daß ſie auch
eher geſcheid wuͤrden, als die Mannsperſonen 58). Ob
nun gleich die Pubertaͤt in Anſehung der Weibsperſonen
ſchon vor Juſtinian durch ein gewiſſes Geſetz, naͤmlich
durch die Lex Papia Poppaea beſtimmt war 59); ſo fehlte
es doch an einer ſolchen geſetzlichen Beſtimmung in An-
ſehung der maͤnnlichen Pubertaͤt vor den Zeiten Juſti-

nians
58) S. huber in Digreſſionib. Iuſtinian. lib. II. cap. 13.
59) dio cassius lib. LIV. pag. 531. heineccius in Commen-
tar. ad Legem Iuliam et Pap. Poppaeam lib. II. cap. V.
§. 2.
S. 181. u. folg. merillius in Obſervat. lib. V. cap. 17,
Daher kommen ſo viele Stellen in den Pandekten vor, in
welchen geſagt wird, daß Weibsperſonen nicht eher als nach
zuruͤckgelegten zwoͤlften Jahre mannbar, und tuͤchtig waͤren,
ſich zu verehelichen. S. L. 4. de ritu nuptiar. L. 32. § 27,
D. de donat, inter vir. et uxor. L. 17. §. 1. de rebus auct.
iud. poſſid.
Dieſes anfaͤnglich blos wegen der Ehen geſetzlich
beſtimmte Alter der weiblichen Muͤndigkeit wurde in der Folge
durch die Gutachten der roͤmiſchen Rechtsgelehrten in allen
uͤbrigen buͤrgerlichen Rechtsfaͤllen, wo von Muͤndigkeit der
Weibsperſonen die Frage iſt, feſtgeſetzt. Z. B. bey Teſta-
menten, Pupillar-Subſtitution, Tutelen u. d. L. 5. D qui
teſtam. fac. poſſ. L.
2. pr. D. de vulg. et pup. ſubſtitut.
L.
11. pr. quod falſ. tutore. L. 3. de cenſib.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0204" n="190"/><fw place="top" type="header">1. Buch. 6. Tit. §. 130.</fw><lb/><hi rendition="#aq">proximis</hi> &#x017F;olche Per&#x017F;onen ver&#x017F;tehet, <hi rendition="#fr">die nahe bey vier-<lb/>
zehn Jahren alt &#x017F;ind.</hi></p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Mu&#x0364;ndig</hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Puberes</hi></hi>) werden nun hingegen Per&#x017F;onen<lb/>
ma&#x0364;nnlichen Ge&#x017F;chlechts mit dem zuru&#x0364;ckgelegten vierzehn-<lb/>
ten, Per&#x017F;onen weiblichen Ge&#x017F;chlechts aber mit dem eben-<lb/>
falls zuru&#x0364;ckgelegten zwo&#x0364;lften Jahre genennt. Warum<lb/>
Weibsper&#x017F;onen zwey Jahre eher die Puberta&#x0364;t erreichen,<lb/>
i&#x017F;t wahr&#x017F;cheinlich die&#x017F;e, weil &#x017F;ie ehe die Zeugungsfa&#x0364;hig-<lb/>
keit erlangen, und zum Ehe&#x017F;tande reif werden, als Manns-<lb/>
per&#x017F;onen, und da das Temperament allerdings auch auf<lb/>
den Ver&#x017F;tand wirkt, &#x017F;o glaubten die Alten, daß &#x017F;ie auch<lb/>
eher ge&#x017F;cheid wu&#x0364;rden, als die Mannsper&#x017F;onen <note place="foot" n="58)">S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">huber</hi> in Digre&#x017F;&#x017F;ionib. Iu&#x017F;tinian. lib. II. cap.</hi> 13.</note>. Ob<lb/>
nun gleich die Puberta&#x0364;t in An&#x017F;ehung der Weibsper&#x017F;onen<lb/>
&#x017F;chon vor <hi rendition="#fr">Ju&#x017F;tinian</hi> durch ein gewi&#x017F;&#x017F;es Ge&#x017F;etz, na&#x0364;mlich<lb/>
durch die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Lex Papia Poppaea</hi></hi> be&#x017F;timmt war <note place="foot" n="59)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">dio cassius</hi> lib. LIV. pag. 531. <hi rendition="#k">heineccius</hi> in Commen-<lb/>
tar. ad Legem Iuliam et Pap. Poppaeam lib. II. cap. V.</hi> §. 2.<lb/>
S. 181. u. folg. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">merillius</hi> in Ob&#x017F;ervat. lib. V. cap.</hi> 17,<lb/>
Daher kommen &#x017F;o viele Stellen in den Pandekten vor, in<lb/>
welchen ge&#x017F;agt wird, daß Weibsper&#x017F;onen nicht eher als nach<lb/>
zuru&#x0364;ckgelegten zwo&#x0364;lften Jahre mannbar, und tu&#x0364;chtig wa&#x0364;ren,<lb/>
&#x017F;ich zu verehelichen. S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 4. <hi rendition="#i">de ritu nuptiar. L.</hi> 32. <hi rendition="#i">§</hi> 27,<lb/><hi rendition="#i">D. de donat, inter vir. et uxor. L.</hi> 17. <hi rendition="#i">§.</hi> 1. <hi rendition="#i">de rebus auct.<lb/>
iud. po&#x017F;&#x017F;id.</hi></hi> Die&#x017F;es anfa&#x0364;nglich blos wegen der Ehen ge&#x017F;etzlich<lb/>
be&#x017F;timmte Alter der weiblichen Mu&#x0364;ndigkeit wurde in der Folge<lb/>
durch die Gutachten der ro&#x0364;mi&#x017F;chen Rechtsgelehrten in allen<lb/>
u&#x0364;brigen bu&#x0364;rgerlichen Rechtsfa&#x0364;llen, wo von Mu&#x0364;ndigkeit der<lb/>
Weibsper&#x017F;onen die Frage i&#x017F;t, fe&#x017F;tge&#x017F;etzt. Z. B. bey Te&#x017F;ta-<lb/>
menten, Pupillar-Sub&#x017F;titution, Tutelen u. d. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 5. <hi rendition="#i">D qui<lb/>
te&#x017F;tam. fac. po&#x017F;&#x017F;. L.</hi> 2. <hi rendition="#i">pr. D. de vulg. et pup. &#x017F;ub&#x017F;titut.<lb/>
L.</hi> 11. <hi rendition="#i">pr. quod fal&#x017F;. tutore. L.</hi> 3. <hi rendition="#i">de cen&#x017F;ib.</hi></hi></note>; &#x017F;o fehlte<lb/>
es doch an einer &#x017F;olchen ge&#x017F;etzlichen Be&#x017F;timmung in An-<lb/>
&#x017F;ehung der ma&#x0364;nnlichen Puberta&#x0364;t vor den Zeiten <hi rendition="#fr">Ju&#x017F;ti-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">nians</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0204] 1. Buch. 6. Tit. §. 130. proximis ſolche Perſonen verſtehet, die nahe bey vier- zehn Jahren alt ſind. Muͤndig (Puberes) werden nun hingegen Perſonen maͤnnlichen Geſchlechts mit dem zuruͤckgelegten vierzehn- ten, Perſonen weiblichen Geſchlechts aber mit dem eben- falls zuruͤckgelegten zwoͤlften Jahre genennt. Warum Weibsperſonen zwey Jahre eher die Pubertaͤt erreichen, iſt wahrſcheinlich dieſe, weil ſie ehe die Zeugungsfaͤhig- keit erlangen, und zum Eheſtande reif werden, als Manns- perſonen, und da das Temperament allerdings auch auf den Verſtand wirkt, ſo glaubten die Alten, daß ſie auch eher geſcheid wuͤrden, als die Mannsperſonen 58). Ob nun gleich die Pubertaͤt in Anſehung der Weibsperſonen ſchon vor Juſtinian durch ein gewiſſes Geſetz, naͤmlich durch die Lex Papia Poppaea beſtimmt war 59); ſo fehlte es doch an einer ſolchen geſetzlichen Beſtimmung in An- ſehung der maͤnnlichen Pubertaͤt vor den Zeiten Juſti- nians 58) S. huber in Digreſſionib. Iuſtinian. lib. II. cap. 13. 59) dio cassius lib. LIV. pag. 531. heineccius in Commen- tar. ad Legem Iuliam et Pap. Poppaeam lib. II. cap. V. §. 2. S. 181. u. folg. merillius in Obſervat. lib. V. cap. 17, Daher kommen ſo viele Stellen in den Pandekten vor, in welchen geſagt wird, daß Weibsperſonen nicht eher als nach zuruͤckgelegten zwoͤlften Jahre mannbar, und tuͤchtig waͤren, ſich zu verehelichen. S. L. 4. de ritu nuptiar. L. 32. § 27, D. de donat, inter vir. et uxor. L. 17. §. 1. de rebus auct. iud. poſſid. Dieſes anfaͤnglich blos wegen der Ehen geſetzlich beſtimmte Alter der weiblichen Muͤndigkeit wurde in der Folge durch die Gutachten der roͤmiſchen Rechtsgelehrten in allen uͤbrigen buͤrgerlichen Rechtsfaͤllen, wo von Muͤndigkeit der Weibsperſonen die Frage iſt, feſtgeſetzt. Z. B. bey Teſta- menten, Pupillar-Subſtitution, Tutelen u. d. L. 5. D qui teſtam. fac. poſſ. L. 2. pr. D. de vulg. et pup. ſubſtitut. L. 11. pr. quod falſ. tutore. L. 3. de cenſib.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/204
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/204>, abgerufen am 23.11.2024.