gezogen. Denn die Leibeigenschaft haftet eigentlich auf dem Mann, und nach den Verbindlichkeiten, die demselben gegen die Herrschaft obliegen, muß auch die Verpflichtung, worinn dessen ganze Familie in Ansehung des Gutsherrn stehet, beurtheilet werden. An einigen Orten wird jedoch auch eine freye Mannsperson dadurch leibeigen, wenn sie wissentlich eine leibeigne Weibsperson heyrathet. Daher die Sprüchwörter entstanden sind: trittst du mein Huhn, wirst du mein Hahn, oder die unfreye Hand zieht die freye nach sich.
b) Wenn Kinder von leibeigenen Eltern sind erzeugt worden, so werden sie durch die Geburt leibeigen, und zwar folgen die ehe- lichen Kinder dem Vater, die unehelichen aber der Mutter, nach der Regel: partus sequitur ventrem.
c) Wenn ein vorhin freyer Mensch sich freywillig in die Leibeigenschaft begiebt, so kann solches auf zweyer- ley Art geschehen: 1) ausdrücklich durch einen Er- gebebrief; 2) stillschweigend, wenn er sich an einen solchen Orte, wo die Luft eigen macht, nie- dergelassen, und daselbst Jahr und Tag gewohnt hat 16). Die blose Annehmung eines der Leibeigenschaft unterwor- fenen Hofes ist wenigstens nicht überall als eine still- schweigende Ergebung in die Leibeigenschaft anzusehen, wenn nicht entweder besondere Gesetze, oder der Gutsherr selbst bey Annehmung des Guts es zur Bedingung ge- macht, daß der Annehmer sich der Leibeigenschaft unter-
wer-
16)Ferd. Aug.hommel Diss de servitutis per pactum consti- tutione. Lipsiae 1736. Io. Phil.carrach Diss. de addictio- ne in servitutem spontanea. Halae 1753.
de Statu Hominum.
gezogen. Denn die Leibeigenſchaft haftet eigentlich auf dem Mann, und nach den Verbindlichkeiten, die demſelben gegen die Herrſchaft obliegen, muß auch die Verpflichtung, worinn deſſen ganze Familie in Anſehung des Gutsherrn ſtehet, beurtheilet werden. An einigen Orten wird jedoch auch eine freye Mannsperſon dadurch leibeigen, wenn ſie wiſſentlich eine leibeigne Weibsperſon heyrathet. Daher die Spruͤchwoͤrter entſtanden ſind: trittſt du mein Huhn, wirſt du mein Hahn, oder die unfreye Hand zieht die freye nach ſich.
b) Wenn Kinder von leibeigenen Eltern ſind erzeugt worden, ſo werden ſie durch die Geburt leibeigen, und zwar folgen die ehe- lichen Kinder dem Vater, die unehelichen aber der Mutter, nach der Regel: partus ſequitur ventrem.
c) Wenn ein vorhin freyer Menſch ſich freywillig in die Leibeigenſchaft begiebt, ſo kann ſolches auf zweyer- ley Art geſchehen: 1) ausdruͤcklich durch einen Er- gebebrief; 2) ſtillſchweigend, wenn er ſich an einen ſolchen Orte, wo die Luft eigen macht, nie- dergelaſſen, und daſelbſt Jahr und Tag gewohnt hat 16). Die bloſe Annehmung eines der Leibeigenſchaft unterwor- fenen Hofes iſt wenigſtens nicht uͤberall als eine ſtill- ſchweigende Ergebung in die Leibeigenſchaft anzuſehen, wenn nicht entweder beſondere Geſetze, oder der Gutsherr ſelbſt bey Annehmung des Guts es zur Bedingung ge- macht, daß der Annehmer ſich der Leibeigenſchaft unter-
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16)Ferd. Aug.hommel Diſſ de ſervitutis per pactum conſti- tutione. Lipſiae 1736. Io. Phil.carrach Diſſ. de addictio- ne in ſervitutem ſpontanea. Halae 1753.
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de Statu Hominum.
gezogen. Denn die Leibeigenſchaft haftet eigentlich
auf dem Mann, und nach den Verbindlichkeiten, die
demſelben gegen die Herrſchaft obliegen, muß auch die
Verpflichtung, worinn deſſen ganze Familie in Anſehung
des Gutsherrn ſtehet, beurtheilet werden. An einigen
Orten wird jedoch auch eine freye Mannsperſon dadurch
leibeigen, wenn ſie wiſſentlich eine leibeigne Weibsperſon
heyrathet. Daher die Spruͤchwoͤrter entſtanden ſind:
trittſt du mein Huhn, wirſt du mein Hahn, oder die
unfreye Hand zieht die freye nach ſich.
b) Wenn Kinder von leibeigenen Eltern
ſind erzeugt worden, ſo werden ſie durch die
Geburt leibeigen, und zwar folgen die ehe-
lichen Kinder dem Vater, die unehelichen
aber der Mutter, nach der Regel: partus ſequitur
ventrem.
c) Wenn ein vorhin freyer Menſch ſich freywillig
in die Leibeigenſchaft begiebt, ſo kann ſolches auf zweyer-
ley Art geſchehen: 1) ausdruͤcklich durch einen Er-
gebebrief; 2) ſtillſchweigend, wenn er ſich an
einen ſolchen Orte, wo die Luft eigen macht, nie-
dergelaſſen, und daſelbſt Jahr und Tag gewohnt hat 16).
Die bloſe Annehmung eines der Leibeigenſchaft unterwor-
fenen Hofes iſt wenigſtens nicht uͤberall als eine ſtill-
ſchweigende Ergebung in die Leibeigenſchaft anzuſehen,
wenn nicht entweder beſondere Geſetze, oder der Gutsherr
ſelbſt bey Annehmung des Guts es zur Bedingung ge-
macht, daß der Annehmer ſich der Leibeigenſchaft unter-
wer-
16) Ferd. Aug. hommel Diſſ de ſervitutis per pactum conſti-
tutione. Lipſiae 1736. Io. Phil. carrach Diſſ. de addictio-
ne in ſervitutem ſpontanea. Halae 1753.
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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/155>, abgerufen am 04.07.2024.
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