Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.de Iustitia et Iure. wird, dasjenige, was ihm unschädlich ist, einem andernzu leisten; der sehr unbestimmte Zusatz: ad id poteris compelli, schließt wenigstens diese Erklärung auf keine Weise aus. Wollte man nun statt der bisherigen Regel eine andere eintretten lassen, so würde folgende Abände- rung: was mir nöthig ist, um einen Schaden von mei- nem Eigenthum abzuwenden, dir aber unschädlich ist, das bist du zu leiden schuldig, wenn ich auch gleich des- halb auf deinen Grund und Boden etwas unternehmen müßte; zwar dem Sinn gedachter Gesetzstelle angemes- sener seyn. Allein ich zweifle dennoch sehr, ob auch diese Regel nach der Absicht des Gesetzes als allgemeine Vor- schrift gelten könne. Denn auch dann lässet sich noch nicht behaupten, daß der Eigenthümer allemal schul- dig sey, etwas auf seinem Grund und Boden zu leiden, wenn es ihm gleich unschädlich ist, sondern es beschränkt sich alles auf die besondern Fälle, wo die Gesetze es namentlich vorgeschrieben, und dem Eigenthümer diese Verbindlichkeit auferlegt haben; denn nicht aus der Acht zu lassen ist der allerdings merkwürdige Umstand, daß mich jenes Gesetz nur berechtiget, ein schon dagewesenes Werk, so aber durch die Gewalt des Wassers war weggeris- sen worden, auf meines Nachbahrs Grundstücke wieder herzu- stellen, wodurch ihm auf keine Weise geschadet wurde 55). Dieses mag zur Erläuterung der Eintheilung der Verbindlich- keit in die vollkommene und unvollkommene aus denen positi- ven Gesetzen genügen. So wie nun die Verbindlichkeit ent- weder eine vollkommene oder unvollkommene seyn kann, so ist 55) Ich darf nicht unterlassen, hierbey zu gedenken, daß ich
bey Erklärung gedachter L. 2. §. 5. D. de aqua et aquae pluv. arc. von denen eleganten Bemerkungen des Herrn Prof. Webers a. a. O. S. 105. f. Gebrauch gemacht habe. Man vergleiche jedoch hierbey auch Em. merillii Variant. ex Cuiacio. Lib. III. cap. 39. de Iuſtitia et Iure. wird, dasjenige, was ihm unſchaͤdlich iſt, einem andernzu leiſten; der ſehr unbeſtimmte Zuſatz: ad id poteris compelli, ſchließt wenigſtens dieſe Erklaͤrung auf keine Weiſe aus. Wollte man nun ſtatt der bisherigen Regel eine andere eintretten laſſen, ſo wuͤrde folgende Abaͤnde- rung: was mir noͤthig iſt, um einen Schaden von mei- nem Eigenthum abzuwenden, dir aber unſchaͤdlich iſt, das biſt du zu leiden ſchuldig, wenn ich auch gleich des- halb auf deinen Grund und Boden etwas unternehmen muͤßte; zwar dem Sinn gedachter Geſetzſtelle angemeſ- ſener ſeyn. Allein ich zweifle dennoch ſehr, ob auch dieſe Regel nach der Abſicht des Geſetzes als allgemeine Vor- ſchrift gelten koͤnne. Denn auch dann laͤſſet ſich noch nicht behaupten, daß der Eigenthuͤmer allemal ſchul- dig ſey, etwas auf ſeinem Grund und Boden zu leiden, wenn es ihm gleich unſchaͤdlich iſt, ſondern es beſchraͤnkt ſich alles auf die beſondern Faͤlle, wo die Geſetze es namentlich vorgeſchrieben, und dem Eigenthuͤmer dieſe Verbindlichkeit auferlegt haben; denn nicht aus der Acht zu laſſen iſt der allerdings merkwuͤrdige Umſtand, daß mich jenes Geſetz nur berechtiget, ein ſchon dageweſenes Werk, ſo aber durch die Gewalt des Waſſers war weggeriſ- ſen worden, auf meines Nachbahrs Grundſtuͤcke wieder herzu- ſtellen, wodurch ihm auf keine Weiſe geſchadet wurde 55). Dieſes mag zur Erlaͤuterung der Eintheilung der Verbindlich- keit in die vollkommene und unvollkommene aus denen poſiti- ven Geſetzen genuͤgen. So wie nun die Verbindlichkeit ent- weder eine vollkommene oder unvollkommene ſeyn kann, ſo iſt 55) Ich darf nicht unterlaſſen, hierbey zu gedenken, daß ich
bey Erklaͤrung gedachter L. 2. §. 5. D. de aqua et aquae pluv. arc. von denen eleganten Bemerkungen des Herrn Prof. Webers a. a. O. S. 105. f. Gebrauch gemacht habe. Man vergleiche jedoch hierbey auch Em. merillii Variant. ex Cuiacio. Lib. III. cap. 39. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0063" n="43"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Iuſtitia et Iure.</hi></fw><lb/> wird, dasjenige, was ihm unſchaͤdlich iſt, einem andern<lb/> zu leiſten; der ſehr unbeſtimmte Zuſatz: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ad id poteris<lb/> compelli</hi>,</hi> ſchließt wenigſtens dieſe Erklaͤrung auf keine<lb/> Weiſe aus. Wollte man nun ſtatt der bisherigen Regel<lb/> eine andere eintretten laſſen, ſo wuͤrde folgende Abaͤnde-<lb/> rung: was mir noͤthig iſt, um einen Schaden von mei-<lb/> nem Eigenthum abzuwenden, dir aber unſchaͤdlich iſt,<lb/> das biſt du zu leiden ſchuldig, wenn ich auch gleich des-<lb/> halb auf deinen Grund und Boden etwas unternehmen<lb/> muͤßte; zwar dem Sinn gedachter Geſetzſtelle angemeſ-<lb/> ſener ſeyn. Allein ich zweifle dennoch ſehr, ob auch dieſe<lb/> Regel nach der Abſicht des Geſetzes als allgemeine Vor-<lb/> ſchrift gelten koͤnne. Denn auch dann laͤſſet ſich noch<lb/> nicht behaupten, daß der Eigenthuͤmer <hi rendition="#g">allemal</hi> ſchul-<lb/> dig ſey, etwas auf ſeinem Grund und Boden zu leiden,<lb/> wenn es ihm gleich unſchaͤdlich iſt, ſondern es beſchraͤnkt<lb/> ſich alles auf die beſondern Faͤlle, wo die Geſetze es<lb/> namentlich vorgeſchrieben, und dem Eigenthuͤmer dieſe<lb/> Verbindlichkeit auferlegt haben; denn nicht aus der Acht<lb/> zu laſſen iſt der allerdings merkwuͤrdige Umſtand, daß<lb/> mich jenes Geſetz nur berechtiget, ein ſchon dageweſenes<lb/> Werk, ſo aber durch die Gewalt des Waſſers war weggeriſ-<lb/> ſen worden, auf meines Nachbahrs Grundſtuͤcke wieder herzu-<lb/> ſtellen, wodurch ihm auf keine Weiſe geſchadet wurde <note place="foot" n="55)">Ich darf nicht unterlaſſen, hierbey zu gedenken, daß ich<lb/> bey Erklaͤrung gedachter <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 2. §. 5. <hi rendition="#i">D. de aqua et aquae<lb/> pluv. arc.</hi></hi> von denen eleganten Bemerkungen des Herrn<lb/> Prof. Webers a. a. O. S. 105. f. Gebrauch gemacht<lb/> habe. Man vergleiche jedoch hierbey auch <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Em</hi>. <hi rendition="#k">merillii</hi><lb/><hi rendition="#i">Variant. ex Cuiacio</hi>. Lib. III. cap.</hi> 39.</note>.<lb/> Dieſes mag zur Erlaͤuterung der Eintheilung der Verbindlich-<lb/> keit in die vollkommene und unvollkommene aus denen poſiti-<lb/> ven Geſetzen genuͤgen. So wie nun die Verbindlichkeit ent-<lb/> weder eine vollkommene oder unvollkommene ſeyn kann, ſo<lb/> <fw place="bottom" type="catch">iſt</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0063]
de Iuſtitia et Iure.
wird, dasjenige, was ihm unſchaͤdlich iſt, einem andern
zu leiſten; der ſehr unbeſtimmte Zuſatz: ad id poteris
compelli, ſchließt wenigſtens dieſe Erklaͤrung auf keine
Weiſe aus. Wollte man nun ſtatt der bisherigen Regel
eine andere eintretten laſſen, ſo wuͤrde folgende Abaͤnde-
rung: was mir noͤthig iſt, um einen Schaden von mei-
nem Eigenthum abzuwenden, dir aber unſchaͤdlich iſt,
das biſt du zu leiden ſchuldig, wenn ich auch gleich des-
halb auf deinen Grund und Boden etwas unternehmen
muͤßte; zwar dem Sinn gedachter Geſetzſtelle angemeſ-
ſener ſeyn. Allein ich zweifle dennoch ſehr, ob auch dieſe
Regel nach der Abſicht des Geſetzes als allgemeine Vor-
ſchrift gelten koͤnne. Denn auch dann laͤſſet ſich noch
nicht behaupten, daß der Eigenthuͤmer allemal ſchul-
dig ſey, etwas auf ſeinem Grund und Boden zu leiden,
wenn es ihm gleich unſchaͤdlich iſt, ſondern es beſchraͤnkt
ſich alles auf die beſondern Faͤlle, wo die Geſetze es
namentlich vorgeſchrieben, und dem Eigenthuͤmer dieſe
Verbindlichkeit auferlegt haben; denn nicht aus der Acht
zu laſſen iſt der allerdings merkwuͤrdige Umſtand, daß
mich jenes Geſetz nur berechtiget, ein ſchon dageweſenes
Werk, ſo aber durch die Gewalt des Waſſers war weggeriſ-
ſen worden, auf meines Nachbahrs Grundſtuͤcke wieder herzu-
ſtellen, wodurch ihm auf keine Weiſe geſchadet wurde 55).
Dieſes mag zur Erlaͤuterung der Eintheilung der Verbindlich-
keit in die vollkommene und unvollkommene aus denen poſiti-
ven Geſetzen genuͤgen. So wie nun die Verbindlichkeit ent-
weder eine vollkommene oder unvollkommene ſeyn kann, ſo
iſt
55) Ich darf nicht unterlaſſen, hierbey zu gedenken, daß ich
bey Erklaͤrung gedachter L. 2. §. 5. D. de aqua et aquae
pluv. arc. von denen eleganten Bemerkungen des Herrn
Prof. Webers a. a. O. S. 105. f. Gebrauch gemacht
habe. Man vergleiche jedoch hierbey auch Em. merillii
Variant. ex Cuiacio. Lib. III. cap. 39.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |