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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.
Handlungen sind, die an sich zwar unerlaubt und sträf-
lich sind, jedoch entweder nach den Regeln der morali-
schen Imputation, oder doch wenigstens nach sonstigen
Vorschriften des strengen Rechts diejenige Würkung
nicht geradezu hervorbringen würden, welche vermöge
besonderer Verordnungen daraus entspringt, d. i. nach
sonstigen Grundsäzen des strengen Röm. Rechts demje-
nigen nicht geradezu zur Last gereichen würden, welcher
nach besondern gesetzlichen Vorschriften dafür haften
muß. Die Verbindlichkeiten der erstern Art sind die
Obligationes, quae ex delictis nascuntur.
Die Verbindlichkeiten der letztern Art aber werden obli-
gationes quasi ex delicto
genennt. Dahin rech-
nen z. B. die Gesetze die Verbindlichkeit eines Richters
zur Schadensersetzung, wenn er aus Versehen und Un-
wissenheit einem streitenden Theile zu nahe gethan. Si
iudex,
sagt Gajus L. 6. D. de extraord. cognit.,
litem suam fecerit, non proprie ex maleficio obliga-
tus videtur, sed quia neque ex contractu obligatus
est, et utique peccasse aliquid intelligitur, licet per
imprudentiam,
ideo videtur, quasi ex maleficio, te-
neri in factum actione.
Nach den Grundsätzen des
strengen Civilrechts konnte eigentlich nur vorsätzliche Par-
theylichkeit und grobe Unachtsamkeit einem Richter als
ein Verbrechen angerechnet werden, weil er sein Amt
nicht mercede conductus verrichtet, sondern, als
Rechtsgelehrter, eine artem liberalem ausübt arg.
L. 1. D. si mensor falsum modum dixerit.
Ein an-
deres Beispiel, wo den Röm. Rechten nach eine obli-
gatio quasi ex delicto
vorhanden, giebt die Verbind-
lichkeit eines Wirths, für den Schaden zu haften, der
durch unvorsichtiges Herunterschütten oder Herunterwerf-
fen seiner Hausleuthe auf die Strasse angerichtet wor-
den. Der Wirth kann moralisch betrachtet ganz un-

schul-

1. Buch. 1. Tit.
Handlungen ſind, die an ſich zwar unerlaubt und ſtraͤf-
lich ſind, jedoch entweder nach den Regeln der morali-
ſchen Imputation, oder doch wenigſtens nach ſonſtigen
Vorſchriften des ſtrengen Rechts diejenige Wuͤrkung
nicht geradezu hervorbringen wuͤrden, welche vermoͤge
beſonderer Verordnungen daraus entſpringt, d. i. nach
ſonſtigen Grundſaͤzen des ſtrengen Roͤm. Rechts demje-
nigen nicht geradezu zur Laſt gereichen wuͤrden, welcher
nach beſondern geſetzlichen Vorſchriften dafuͤr haften
muß. Die Verbindlichkeiten der erſtern Art ſind die
Obligationes, quae ex delictis naſcuntur.
Die Verbindlichkeiten der letztern Art aber werden obli-
gationes quaſi ex delicto
genennt. Dahin rech-
nen z. B. die Geſetze die Verbindlichkeit eines Richters
zur Schadenserſetzung, wenn er aus Verſehen und Un-
wiſſenheit einem ſtreitenden Theile zu nahe gethan. Si
iudex,
ſagt Gajus L. 6. D. de extraord. cognit.,
litem ſuam fecerit, non proprie ex maleficio obliga-
tus videtur, ſed quia neque ex contractu obligatus
eſt, et utique peccaſſe aliquid intelligitur, licet per
imprudentiam,
ideo videtur, quaſi ex maleficio, te-
neri in factum actione.
Nach den Grundſaͤtzen des
ſtrengen Civilrechts konnte eigentlich nur vorſaͤtzliche Par-
theylichkeit und grobe Unachtſamkeit einem Richter als
ein Verbrechen angerechnet werden, weil er ſein Amt
nicht mercede conductus verrichtet, ſondern, als
Rechtsgelehrter, eine artem liberalem ausuͤbt arg.
L. 1. D. ſi menſor falſum modum dixerit.
Ein an-
deres Beiſpiel, wo den Roͤm. Rechten nach eine obli-
gatio quaſi ex delicto
vorhanden, giebt die Verbind-
lichkeit eines Wirths, fuͤr den Schaden zu haften, der
durch unvorſichtiges Herunterſchuͤtten oder Herunterwerf-
fen ſeiner Hausleuthe auf die Straſſe angerichtet wor-
den. Der Wirth kann moraliſch betrachtet ganz un-

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[34/0054] 1. Buch. 1. Tit. Handlungen ſind, die an ſich zwar unerlaubt und ſtraͤf- lich ſind, jedoch entweder nach den Regeln der morali- ſchen Imputation, oder doch wenigſtens nach ſonſtigen Vorſchriften des ſtrengen Rechts diejenige Wuͤrkung nicht geradezu hervorbringen wuͤrden, welche vermoͤge beſonderer Verordnungen daraus entſpringt, d. i. nach ſonſtigen Grundſaͤzen des ſtrengen Roͤm. Rechts demje- nigen nicht geradezu zur Laſt gereichen wuͤrden, welcher nach beſondern geſetzlichen Vorſchriften dafuͤr haften muß. Die Verbindlichkeiten der erſtern Art ſind die Obligationes, quae ex delictis naſcuntur. Die Verbindlichkeiten der letztern Art aber werden obli- gationes quaſi ex delicto genennt. Dahin rech- nen z. B. die Geſetze die Verbindlichkeit eines Richters zur Schadenserſetzung, wenn er aus Verſehen und Un- wiſſenheit einem ſtreitenden Theile zu nahe gethan. Si iudex, ſagt Gajus L. 6. D. de extraord. cognit., litem ſuam fecerit, non proprie ex maleficio obliga- tus videtur, ſed quia neque ex contractu obligatus eſt, et utique peccaſſe aliquid intelligitur, licet per imprudentiam, ideo videtur, quaſi ex maleficio, te- neri in factum actione. Nach den Grundſaͤtzen des ſtrengen Civilrechts konnte eigentlich nur vorſaͤtzliche Par- theylichkeit und grobe Unachtſamkeit einem Richter als ein Verbrechen angerechnet werden, weil er ſein Amt nicht mercede conductus verrichtet, ſondern, als Rechtsgelehrter, eine artem liberalem ausuͤbt arg. L. 1. D. ſi menſor falſum modum dixerit. Ein an- deres Beiſpiel, wo den Roͤm. Rechten nach eine obli- gatio quaſi ex delicto vorhanden, giebt die Verbind- lichkeit eines Wirths, fuͤr den Schaden zu haften, der durch unvorſichtiges Herunterſchuͤtten oder Herunterwerf- fen ſeiner Hausleuthe auf die Straſſe angerichtet wor- den. Der Wirth kann moraliſch betrachtet ganz un- ſchul-

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/54>, abgerufen am 21.11.2024.