Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet.
wohnheit, als vernunftwidrig, ist aufge-
hoben worden
21).

II) Können positive Gesetze unterweilen selbst aus
Nothwendigkeit
ihre Gültigkeit verliehren, wenn
die Umstände sich gänzlich geändert haben, unter welchen
ein gewisses Gesetz gegeben worden ist, so daß es nun
schlechterdings keine Anwendung mehr finden kann 22).
Denn so gewiß es ist, daß das System eines Staats
und die Sitten eines Volks auf die Gesetzgebung selbst
einen wichtigen Einfluß haben, so gewiß ist es auch, daß
die Veränderungen des Staatssystems und der Sitten
eine Veränderung der Gesetze nach sich ziehen müssen 23).
Gesetze können daher nicht mehr gelten

1) wenn der Gegenstand, nehmlich die Personen oder
Sachen, von denen dieselben reden, jetzt nicht mehr vor-
handen sind; oder


2) die-
21) S. kemmerich de probat. Consuetud. Sect. I. §. XIII.
not. c.
22) Joh. Heinr. Eberhards Abhandlung von der Clau-
sula rebus sic stantibus,
und besonders von deren Anwendung
auf die teutschen Reichsgesetze; in desselben Beiträgen
zur Erläuterung der teutschen Rechte
. 1. Th.
N. I.
23) Vortreflich philosophirt hierüber Sextus Caecilius
beym gellius Noct. Atticar. Lib. XX. c. 1. -- Non pro-
fecto ignoras
,
so sagt dieser röm. Jurist, legum opportunita-
tes, et medelas pro temporum moribus et pro rerum publica-
rum generibus, ac pro utilitatum praesentium rationibus, pro-
que vitiorum, quibus medendum est, fervoribus mutari atque
flecti: neque uno statu consistere, quin, ut facies coeli ac ma-
ris, ita rerum atque fortunae tempestatibus, varientur.
J i 5

de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet.
wohnheit, als vernunftwidrig, iſt aufge-
hoben worden
21).

II) Koͤnnen poſitive Geſetze unterweilen ſelbſt aus
Nothwendigkeit
ihre Guͤltigkeit verliehren, wenn
die Umſtaͤnde ſich gaͤnzlich geaͤndert haben, unter welchen
ein gewiſſes Geſetz gegeben worden iſt, ſo daß es nun
ſchlechterdings keine Anwendung mehr finden kann 22).
Denn ſo gewiß es iſt, daß das Syſtem eines Staats
und die Sitten eines Volks auf die Geſetzgebung ſelbſt
einen wichtigen Einfluß haben, ſo gewiß iſt es auch, daß
die Veraͤnderungen des Staatsſyſtems und der Sitten
eine Veraͤnderung der Geſetze nach ſich ziehen muͤſſen 23).
Geſetze koͤnnen daher nicht mehr gelten

1) wenn der Gegenſtand, nehmlich die Perſonen oder
Sachen, von denen dieſelben reden, jetzt nicht mehr vor-
handen ſind; oder


2) die-
21) S. kemmerich de probat. Conſuetud. Sect. I. §. XIII.
not. c.
22) Joh. Heinr. Eberhards Abhandlung von der Clau-
ſula rebus ſic ſtantibus,
und beſonders von deren Anwendung
auf die teutſchen Reichsgeſetze; in deſſelben Beitraͤgen
zur Erlaͤuterung der teutſchen Rechte
. 1. Th.
N. I.
23) Vortreflich philoſophirt hieruͤber Sextus Caecilius
beym gellius Noct. Atticar. Lib. XX. c. 1. — Non pro-
fecto ignoras
,
ſo ſagt dieſer roͤm. Juriſt, legum opportunita-
tes, et medelas pro temporum moribus et pro rerum publica-
rum generibus, ac pro utilitatum praeſentium rationibus, pro-
que vitiorum, quibus medendum eſt, fervoribus mutari atque
flecti: neque uno ſtatu conſiſtere, quin, ut facies coeli ac ma-
ris, ita rerum atque fortunae tempeſtatibus, varientur.
J i 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0523" n="503"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Legibus, Senatuscon&#x017F;ultis et longa con&#x017F;uet.</hi></fw><lb/><hi rendition="#g">wohnheit, als vernunftwidrig, i&#x017F;t aufge-<lb/>
hoben worden</hi><note place="foot" n="21)">S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">kemmerich</hi> de probat. Con&#x017F;uetud. Sect. I. §. XIII.<lb/>
not. c.</hi></note>.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">II</hi>) Ko&#x0364;nnen po&#x017F;itive Ge&#x017F;etze unterweilen &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#g">aus<lb/>
Nothwendigkeit</hi> ihre Gu&#x0364;ltigkeit verliehren, wenn<lb/>
die Um&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;ich ga&#x0364;nzlich gea&#x0364;ndert haben, unter welchen<lb/>
ein gewi&#x017F;&#x017F;es Ge&#x017F;etz gegeben worden i&#x017F;t, &#x017F;o daß es nun<lb/>
&#x017F;chlechterdings keine Anwendung mehr finden kann <note place="foot" n="22)"><hi rendition="#g">Joh. Heinr. Eberhards</hi> Abhandlung von der <hi rendition="#aq">Clau-<lb/>
&#x017F;ula rebus &#x017F;ic &#x017F;tantibus,</hi> und be&#x017F;onders von deren Anwendung<lb/>
auf die teut&#x017F;chen Reichsge&#x017F;etze; in <hi rendition="#g">de&#x017F;&#x017F;elben Beitra&#x0364;gen<lb/>
zur Erla&#x0364;uterung der teut&#x017F;chen Rechte</hi>. 1. Th.<lb/><hi rendition="#aq">N. I.</hi></note>.<lb/>
Denn &#x017F;o gewiß es i&#x017F;t, daß das Sy&#x017F;tem eines Staats<lb/>
und die Sitten eines Volks auf die Ge&#x017F;etzgebung &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
einen wichtigen Einfluß haben, &#x017F;o gewiß i&#x017F;t es auch, daß<lb/>
die Vera&#x0364;nderungen des Staats&#x017F;y&#x017F;tems und der Sitten<lb/>
eine Vera&#x0364;nderung der Ge&#x017F;etze nach &#x017F;ich ziehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en <note place="foot" n="23)">Vortreflich philo&#x017F;ophirt hieru&#x0364;ber <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Sextus Caecilius</hi></hi><lb/>
beym <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">gellius</hi> Noct. Atticar. Lib. XX. c. 1. &#x2014; <hi rendition="#i">Non pro-<lb/>
fecto ignoras</hi>,</hi> &#x017F;o &#x017F;agt die&#x017F;er ro&#x0364;m. Juri&#x017F;t, <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">legum opportunita-<lb/>
tes, et medelas pro temporum moribus et pro rerum publica-<lb/>
rum generibus, ac pro utilitatum prae&#x017F;entium rationibus, pro-<lb/>
que vitiorum, quibus medendum e&#x017F;t, fervoribus mutari atque<lb/>
flecti: neque uno &#x017F;tatu con&#x017F;i&#x017F;tere, quin, ut facies coeli ac ma-<lb/>
ris, ita rerum atque fortunae tempe&#x017F;tatibus, varientur.</hi></hi></note>.<lb/>
Ge&#x017F;etze ko&#x0364;nnen daher nicht mehr gelten</p><lb/>
              <p>1) wenn der Gegen&#x017F;tand, nehmlich die Per&#x017F;onen oder<lb/>
Sachen, von denen die&#x017F;elben reden, jetzt nicht mehr vor-<lb/>
handen &#x017F;ind; oder</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">J i 5</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">2) die-</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[503/0523] de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet. wohnheit, als vernunftwidrig, iſt aufge- hoben worden 21). II) Koͤnnen poſitive Geſetze unterweilen ſelbſt aus Nothwendigkeit ihre Guͤltigkeit verliehren, wenn die Umſtaͤnde ſich gaͤnzlich geaͤndert haben, unter welchen ein gewiſſes Geſetz gegeben worden iſt, ſo daß es nun ſchlechterdings keine Anwendung mehr finden kann 22). Denn ſo gewiß es iſt, daß das Syſtem eines Staats und die Sitten eines Volks auf die Geſetzgebung ſelbſt einen wichtigen Einfluß haben, ſo gewiß iſt es auch, daß die Veraͤnderungen des Staatsſyſtems und der Sitten eine Veraͤnderung der Geſetze nach ſich ziehen muͤſſen 23). Geſetze koͤnnen daher nicht mehr gelten 1) wenn der Gegenſtand, nehmlich die Perſonen oder Sachen, von denen dieſelben reden, jetzt nicht mehr vor- handen ſind; oder 2) die- 21) S. kemmerich de probat. Conſuetud. Sect. I. §. XIII. not. c. 22) Joh. Heinr. Eberhards Abhandlung von der Clau- ſula rebus ſic ſtantibus, und beſonders von deren Anwendung auf die teutſchen Reichsgeſetze; in deſſelben Beitraͤgen zur Erlaͤuterung der teutſchen Rechte. 1. Th. N. I. 23) Vortreflich philoſophirt hieruͤber Sextus Caecilius beym gellius Noct. Atticar. Lib. XX. c. 1. — Non pro- fecto ignoras, ſo ſagt dieſer roͤm. Juriſt, legum opportunita- tes, et medelas pro temporum moribus et pro rerum publica- rum generibus, ac pro utilitatum praeſentium rationibus, pro- que vitiorum, quibus medendum eſt, fervoribus mutari atque flecti: neque uno ſtatu conſiſtere, quin, ut facies coeli ac ma- ris, ita rerum atque fortunae tempeſtatibus, varientur. J i 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/523
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/523>, abgerufen am 23.11.2024.