Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.de Iustitia et Iure. stern Art nennt man eine unmittelbare, dahin ge-hört z. B. die Verbindlichkeit zur Vergütung des Scha- dens, welchen ein unvernünftiges Thier ungereizt auf ei- ne bey der Art von Thieren, zu welchen das schädliche gehört, sonst nicht gewöhnliche Weise angerichtet hat (si quadrupes pauperiem tecisse dicatur): denn hier ist kein factum hominis, geschweige denn eine Handlung des Besitzers, welchen die Verbindlichkeit zur Schadens- ersetzung obliegt, vorhanden, die den nächsten Entste- hungsgrund der Verbindlichkeit abgeben könnte; und da nur freye Handlungen als obligatorische angesehen wer- den können, so verstehet sich's von selbst, daß die Handlung eines unvernünftigen Thieres ohnmöglich da- hin gerechnet werden kann. Diese Verbindlichkeit ent- stehet also unmittelbar aus den Gesetzen. Dahin gehört ferner die Verbindlichkeit eines Besitzers, demjenigen eine innehabende Sache vorzuzeigen, welchem, um seine ver- meintlich daran habende Ansprüche geltend machen zu können, besonders daran gelegen ist, selbige zu sehen (obligatio ad exhibendum). Wenn im Gegentheil nicht die Vorschrift des Gesetzes unmittelbar, sondern eine besondere vom Gesetz bestimmte moralische Handlung desjenigen, dem die Verbindlichkeit obliegen soll, den nächsten Entstehungsgrund derselben ausmacht, so wird sie eine mittelbare Verbindlichkeit genennt 39). Fünf- 39) Es giebt einige Rechtsgelehrten, welche die Eintheilung
der Verbindlichkeiten in mittelbare und unmittel- bare schlechterdings verwerffen, weil, ihrer Einsicht nach, ohne alles Factum gar keine Verbindlichkeit denkbar sey. Siehe Dr. Meurers juristische Abhandlungen und Beobachtungen. 1. Sammlung 1. Aufsatz. Allein L. 52. pr. und §. 5. D. de obl. et act. beweißt diese Eintheilung deutlich. Ueberdies kommt es bey dieser Distinction nicht darauf de Iuſtitia et Iure. ſtern Art nennt man eine unmittelbare, dahin ge-hoͤrt z. B. die Verbindlichkeit zur Verguͤtung des Scha- dens, welchen ein unvernuͤnftiges Thier ungereizt auf ei- ne bey der Art von Thieren, zu welchen das ſchaͤdliche gehoͤrt, ſonſt nicht gewoͤhnliche Weiſe angerichtet hat (ſi quadrupes pauperiem teciſſe dicatur): denn hier iſt kein factum hominis, geſchweige denn eine Handlung des Beſitzers, welchen die Verbindlichkeit zur Schadens- erſetzung obliegt, vorhanden, die den naͤchſten Entſte- hungsgrund der Verbindlichkeit abgeben koͤnnte; und da nur freye Handlungen als obligatoriſche angeſehen wer- den koͤnnen, ſo verſtehet ſich’s von ſelbſt, daß die Handlung eines unvernuͤnftigen Thieres ohnmoͤglich da- hin gerechnet werden kann. Dieſe Verbindlichkeit ent- ſtehet alſo unmittelbar aus den Geſetzen. Dahin gehoͤrt ferner die Verbindlichkeit eines Beſitzers, demjenigen eine innehabende Sache vorzuzeigen, welchem, um ſeine ver- meintlich daran habende Anſpruͤche geltend machen zu koͤnnen, beſonders daran gelegen iſt, ſelbige zu ſehen (obligatio ad exhibendum). Wenn im Gegentheil nicht die Vorſchrift des Geſetzes unmittelbar, ſondern eine beſondere vom Geſetz beſtimmte moraliſche Handlung desjenigen, dem die Verbindlichkeit obliegen ſoll, den naͤchſten Entſtehungsgrund derſelben ausmacht, ſo wird ſie eine mittelbare Verbindlichkeit genennt 39). Fuͤnf- 39) Es giebt einige Rechtsgelehrten, welche die Eintheilung
der Verbindlichkeiten in mittelbare und unmittel- bare ſchlechterdings verwerffen, weil, ihrer Einſicht nach, ohne alles Factum gar keine Verbindlichkeit denkbar ſey. Siehe Dr. Meurers juriſtiſche Abhandlungen und Beobachtungen. 1. Sammlung 1. Aufſatz. Allein L. 52. pr. und §. 5. D. de obl. et act. beweißt dieſe Eintheilung deutlich. Ueberdies kommt es bey dieſer Diſtinction nicht darauf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0047" n="27"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Iuſtitia et Iure.</hi></fw><lb/> ſtern Art nennt man eine <hi rendition="#g">unmittelbare,</hi> dahin ge-<lb/> hoͤrt z. B. die Verbindlichkeit zur Verguͤtung des Scha-<lb/> dens, welchen ein unvernuͤnftiges Thier ungereizt auf ei-<lb/> ne bey der Art von Thieren, zu welchen das ſchaͤdliche<lb/> gehoͤrt, ſonſt nicht gewoͤhnliche Weiſe angerichtet hat<lb/> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">ſi quadrupes pauperiem teciſſe dicatur</hi></hi>)<hi rendition="#i">:</hi> denn hier iſt<lb/> kein <hi rendition="#aq">factum hominis,</hi> geſchweige denn eine Handlung<lb/> des Beſitzers, welchen die Verbindlichkeit zur Schadens-<lb/> erſetzung obliegt, vorhanden, die den naͤchſten Entſte-<lb/> hungsgrund der Verbindlichkeit abgeben koͤnnte; und da<lb/> nur freye Handlungen als obligatoriſche angeſehen wer-<lb/> den koͤnnen, ſo verſtehet ſich’s von ſelbſt, daß die<lb/> Handlung eines unvernuͤnftigen Thieres ohnmoͤglich da-<lb/> hin gerechnet werden kann. Dieſe Verbindlichkeit ent-<lb/> ſtehet alſo unmittelbar aus den Geſetzen. Dahin gehoͤrt<lb/> ferner die Verbindlichkeit eines Beſitzers, demjenigen eine<lb/> innehabende Sache vorzuzeigen, welchem, um ſeine ver-<lb/> meintlich daran habende Anſpruͤche geltend machen zu<lb/> koͤnnen, beſonders daran gelegen iſt, ſelbige zu ſehen<lb/> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">obligatio ad exhibendum</hi></hi>). Wenn im Gegentheil nicht<lb/> die Vorſchrift des Geſetzes unmittelbar, ſondern eine<lb/> beſondere vom Geſetz beſtimmte moraliſche Handlung<lb/> desjenigen, dem die Verbindlichkeit obliegen ſoll, den<lb/> naͤchſten Entſtehungsgrund derſelben ausmacht, ſo wird<lb/> ſie eine <hi rendition="#g">mittelbare</hi> Verbindlichkeit genennt <note xml:id="seg2pn_7_1" next="#seg2pn_7_2" place="foot" n="39)">Es giebt einige Rechtsgelehrten, welche die Eintheilung<lb/> der Verbindlichkeiten in <hi rendition="#g">mittelbare</hi> und <hi rendition="#g">unmittel-<lb/> bare</hi> ſchlechterdings verwerffen, weil, ihrer Einſicht nach,<lb/> ohne alles Factum gar keine Verbindlichkeit denkbar ſey.<lb/> Siehe Dr. Meurers <hi rendition="#g">juriſtiſche Abhandlungen und</hi><lb/> Beobachtungen. 1. Sammlung 1. Aufſatz. Allein <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L. 52.<lb/> pr.</hi></hi> und §. <hi rendition="#i">5. <hi rendition="#aq">D. de obl. et act.</hi></hi> beweißt dieſe Eintheilung<lb/> deutlich. Ueberdies kommt es bey dieſer Diſtinction nicht<lb/> <fw place="bottom" type="catch">darauf</fw></note>.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Fuͤnf-</hi> </fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [27/0047]
de Iuſtitia et Iure.
ſtern Art nennt man eine unmittelbare, dahin ge-
hoͤrt z. B. die Verbindlichkeit zur Verguͤtung des Scha-
dens, welchen ein unvernuͤnftiges Thier ungereizt auf ei-
ne bey der Art von Thieren, zu welchen das ſchaͤdliche
gehoͤrt, ſonſt nicht gewoͤhnliche Weiſe angerichtet hat
(ſi quadrupes pauperiem teciſſe dicatur): denn hier iſt
kein factum hominis, geſchweige denn eine Handlung
des Beſitzers, welchen die Verbindlichkeit zur Schadens-
erſetzung obliegt, vorhanden, die den naͤchſten Entſte-
hungsgrund der Verbindlichkeit abgeben koͤnnte; und da
nur freye Handlungen als obligatoriſche angeſehen wer-
den koͤnnen, ſo verſtehet ſich’s von ſelbſt, daß die
Handlung eines unvernuͤnftigen Thieres ohnmoͤglich da-
hin gerechnet werden kann. Dieſe Verbindlichkeit ent-
ſtehet alſo unmittelbar aus den Geſetzen. Dahin gehoͤrt
ferner die Verbindlichkeit eines Beſitzers, demjenigen eine
innehabende Sache vorzuzeigen, welchem, um ſeine ver-
meintlich daran habende Anſpruͤche geltend machen zu
koͤnnen, beſonders daran gelegen iſt, ſelbige zu ſehen
(obligatio ad exhibendum). Wenn im Gegentheil nicht
die Vorſchrift des Geſetzes unmittelbar, ſondern eine
beſondere vom Geſetz beſtimmte moraliſche Handlung
desjenigen, dem die Verbindlichkeit obliegen ſoll, den
naͤchſten Entſtehungsgrund derſelben ausmacht, ſo wird
ſie eine mittelbare Verbindlichkeit genennt 39).
Fuͤnf-
39) Es giebt einige Rechtsgelehrten, welche die Eintheilung
der Verbindlichkeiten in mittelbare und unmittel-
bare ſchlechterdings verwerffen, weil, ihrer Einſicht nach,
ohne alles Factum gar keine Verbindlichkeit denkbar ſey.
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