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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet.
heißt, es müssen diejenigen, durch deren gleichförmige
Handlungsart eine rechtliche Gewohnheit bewirkt werden
soll, darum so, wie bisher geschehen, gehandelt haben,
weil sie sich verbunden hielten, ihren Handlungen gerade
diese und keine andere Richtung zu geben. Denn hier
ist von Einführung einer solchen Gewohnheit die Rede,
durch welche eine verbindliche Richtschnur für die Unter-
thanen aufgestellet wird. Da nun diese Regel aus den
Handlungen derselben gefolgert werden muß, so müssen
nothwendig auch diese an sich verbindlich seyn. Mich
dünkt, nicht nur Ulpian 89) gebe dieses selbst dadurch
zu erkennen, wenn er bey der Beweisführung einer strei-
tigen Gewohnheit vor allen Dingen nachzuforschen rathet,
ob etwa schon vorhin einmahl über die nämliche Ge-
wohnheit in den Gerichten sey gestritten, und solche
gegnerischen Widerspruchs ohngeachtet durch das rechts-
kräftig gewordene Urtheil des Richters bestättiget wor-
den; sondern es scheint dieses auch die Meinung des K.
Alexanders 90) zu seyn, wenn er hinführo dasjenige
als eine gesetzliche Norm beobachtet wissen will, was
man bisher in eo controversiarum genere, nämlich
von welchem daselbst die Rede ist, zum Grundsatz an-
genommen; denn nur über vollkommene Rechte und Ver-
bindlichkeiten entstehen Processe. Hieraus folgt, daß
durch Handlungen, die das Gepräge der blosen Will-
kührlichkeit an sich tragen, oder nur aus Freundschaft,

oder
Obs. 65. n. IV. S. 96. Beispiele hiervon haben boehmer
Consultat. et Decis. T. I. Part. II. Resp. 45. n.
417. folgg. und
T. II. Resp. 869. n. 12. sqq. auch de ludolf Observat. forens.
P. II. Obs.
169. S. 382.
89) L. 34. D. de LL.
90) L. 3. Cod. de aedific. privat.
F f 2

de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet.
heißt, es muͤſſen diejenigen, durch deren gleichfoͤrmige
Handlungsart eine rechtliche Gewohnheit bewirkt werden
ſoll, darum ſo, wie bisher geſchehen, gehandelt haben,
weil ſie ſich verbunden hielten, ihren Handlungen gerade
dieſe und keine andere Richtung zu geben. Denn hier
iſt von Einfuͤhrung einer ſolchen Gewohnheit die Rede,
durch welche eine verbindliche Richtſchnur fuͤr die Unter-
thanen aufgeſtellet wird. Da nun dieſe Regel aus den
Handlungen derſelben gefolgert werden muß, ſo muͤſſen
nothwendig auch dieſe an ſich verbindlich ſeyn. Mich
duͤnkt, nicht nur Ulpian 89) gebe dieſes ſelbſt dadurch
zu erkennen, wenn er bey der Beweisfuͤhrung einer ſtrei-
tigen Gewohnheit vor allen Dingen nachzuforſchen rathet,
ob etwa ſchon vorhin einmahl uͤber die naͤmliche Ge-
wohnheit in den Gerichten ſey geſtritten, und ſolche
gegneriſchen Widerſpruchs ohngeachtet durch das rechts-
kraͤftig gewordene Urtheil des Richters beſtaͤttiget wor-
den; ſondern es ſcheint dieſes auch die Meinung des K.
Alexanders 90) zu ſeyn, wenn er hinfuͤhro dasjenige
als eine geſetzliche Norm beobachtet wiſſen will, was
man bisher in eo controverſiarum genere, naͤmlich
von welchem daſelbſt die Rede iſt, zum Grundſatz an-
genommen; denn nur uͤber vollkommene Rechte und Ver-
bindlichkeiten entſtehen Proceſſe. Hieraus folgt, daß
durch Handlungen, die das Gepraͤge der bloſen Will-
kuͤhrlichkeit an ſich tragen, oder nur aus Freundſchaft,

oder
Obſ. 65. n. IV. S. 96. Beiſpiele hiervon haben boehmer
Conſultat. et Deciſ. T. I. Part. II. Reſp. 45. n.
417. folgg. und
T. II. Reſp. 869. n. 12. ſqq. auch de ludolf Obſervat. forens.
P. II. Obſ.
169. S. 382.
89) L. 34. D. de LL.
90) L. 3. Cod. de aedific. privat.
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[449/0469] de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet. heißt, es muͤſſen diejenigen, durch deren gleichfoͤrmige Handlungsart eine rechtliche Gewohnheit bewirkt werden ſoll, darum ſo, wie bisher geſchehen, gehandelt haben, weil ſie ſich verbunden hielten, ihren Handlungen gerade dieſe und keine andere Richtung zu geben. Denn hier iſt von Einfuͤhrung einer ſolchen Gewohnheit die Rede, durch welche eine verbindliche Richtſchnur fuͤr die Unter- thanen aufgeſtellet wird. Da nun dieſe Regel aus den Handlungen derſelben gefolgert werden muß, ſo muͤſſen nothwendig auch dieſe an ſich verbindlich ſeyn. Mich duͤnkt, nicht nur Ulpian 89) gebe dieſes ſelbſt dadurch zu erkennen, wenn er bey der Beweisfuͤhrung einer ſtrei- tigen Gewohnheit vor allen Dingen nachzuforſchen rathet, ob etwa ſchon vorhin einmahl uͤber die naͤmliche Ge- wohnheit in den Gerichten ſey geſtritten, und ſolche gegneriſchen Widerſpruchs ohngeachtet durch das rechts- kraͤftig gewordene Urtheil des Richters beſtaͤttiget wor- den; ſondern es ſcheint dieſes auch die Meinung des K. Alexanders 90) zu ſeyn, wenn er hinfuͤhro dasjenige als eine geſetzliche Norm beobachtet wiſſen will, was man bisher in eo controverſiarum genere, naͤmlich von welchem daſelbſt die Rede iſt, zum Grundſatz an- genommen; denn nur uͤber vollkommene Rechte und Ver- bindlichkeiten entſtehen Proceſſe. Hieraus folgt, daß durch Handlungen, die das Gepraͤge der bloſen Will- kuͤhrlichkeit an ſich tragen, oder nur aus Freundſchaft, oder 88) 89) L. 34. D. de LL. 90) L. 3. Cod. de aedific. privat. 88) Obſ. 65. n. IV. S. 96. Beiſpiele hiervon haben boehmer Conſultat. et Deciſ. T. I. Part. II. Reſp. 45. n. 417. folgg. und T. II. Reſp. 869. n. 12. ſqq. auch de ludolf Obſervat. forens. P. II. Obſ. 169. S. 382. F f 2

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/469>, abgerufen am 21.06.2024.