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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 2. Tit.

Accursius, mit welchem in der Geschichte der
Glossatoren eine neue Epoche anfängt, verließ zuerst,
wo nicht ganz, doch wenigstens in etwas die Lehrart
des Irnerius. Er wurde zu Florenz ums Jahr
1182. gebohren, und starb zu Bologna im Jahr
1260. 100). Dieser Accursius führte nicht nur ei-
ne weitläuftigere Art zu glossiren ein, welche nehmlich
darin bestand, daß er den casum legis überall formir-
te, und Fragen aufwarf, welche er sodann nach den
Inhalt des Gesetzes zu entscheiden suchte; sondern er
schrieb auch selbst weitläuftige Commentarien über das
justinianeische Recht, wobey er die Glossen seiner Vor-
gänger vorzüglich benuzte. Diese accursianische Glosse
erlangte nun ein solches erstaunendes Ansehen, daß man
hierüber nicht nur die Irnerianische vergaß, sondern auch
alle Sectirerey beylegte, und nun sich gleichsam zur
Fahne des Accursius bekannte 1).

Mit diesen Glossen versehen erhielten auch wir in
Teutschland die justinianeischen Gesezsammlungen durch
die jungen Teutschen, die aus Mangel einheimischer
Academien die Rechte jenseits der Alpen studieret, und
bey den Glossatoren gehöret hatten. Was Wunder

also,
sitates dominorum in iure noch ungedruckt in
der Bibliotheca regali Collegii Hispanorum zu Bologna
sich befindet Ein Beispiel einer solchen unter jenen bei-
den Männem geführten Streitigkeit hat Herr geh. Ju-
stiz R. Walch Reliquiae controversiae inter Bulgarum et
Gosiam de pr[o]elatione dotis.
Ienae
1785.
100) sartius de claris Archigymn. Bonon. Pro.
fess
. in accursio T. I. P. I.
S. 141. und folgg.
1) Wie groß das Ansehen der accursianischen Glosse gewe-
sen, beweißt der Ausspruch des Jasons: Glossae auctori-
tatem omnes excellere, et illi tanquam Carotio veritatis
perpetuo adhaerendum esse;
und Cynus pflegte zu sagen:
volo pro me Glossatorem potius, quam textum.
1. Buch. 2. Tit.

Accurſius, mit welchem in der Geſchichte der
Gloſſatoren eine neue Epoche anfaͤngt, verließ zuerſt,
wo nicht ganz, doch wenigſtens in etwas die Lehrart
des Irnerius. Er wurde zu Florenz ums Jahr
1182. gebohren, und ſtarb zu Bologna im Jahr
1260. 100). Dieſer Accurſius fuͤhrte nicht nur ei-
ne weitlaͤuftigere Art zu gloſſiren ein, welche nehmlich
darin beſtand, daß er den caſum legis uͤberall formir-
te, und Fragen aufwarf, welche er ſodann nach den
Inhalt des Geſetzes zu entſcheiden ſuchte; ſondern er
ſchrieb auch ſelbſt weitlaͤuftige Commentarien uͤber das
juſtinianeiſche Recht, wobey er die Gloſſen ſeiner Vor-
gaͤnger vorzuͤglich benuzte. Dieſe accurſianiſche Gloſſe
erlangte nun ein ſolches erſtaunendes Anſehen, daß man
hieruͤber nicht nur die Irnerianiſche vergaß, ſondern auch
alle Sectirerey beylegte, und nun ſich gleichſam zur
Fahne des Accurſius bekannte 1).

Mit dieſen Gloſſen verſehen erhielten auch wir in
Teutſchland die juſtinianeiſchen Geſezſammlungen durch
die jungen Teutſchen, die aus Mangel einheimiſcher
Academien die Rechte jenſeits der Alpen ſtudieret, und
bey den Gloſſatoren gehoͤret hatten. Was Wunder

alſo,
ſitates dominorum in iure noch ungedruckt in
der Bibliotheca regali Collegii Hiſpanorum zu Bologna
ſich befindet Ein Beiſpiel einer ſolchen unter jenen bei-
den Maͤnnem gefuͤhrten Streitigkeit hat Herr geh. Ju-
ſtiz R. Walch Reliquiae controverſiae inter Bulgarum et
Goſiam de pr[o]elatione dotis.
Ienae
1785.
100) sartius de claris Archigymn. Bonon. Pro.
feſſ
. in accursio T. I. P. I.
S. 141. und folgg.
1) Wie groß das Anſehen der accurſianiſchen Gloſſe gewe-
ſen, beweißt der Ausſpruch des Jaſons: Gloſſae auctori-
tatem omnes excellere, et illi tanquam Carotio veritatis
perpetuo adhaerendum eſſe;
und Cynus pflegte zu ſagen:
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[348/0368] 1. Buch. 2. Tit. Accurſius, mit welchem in der Geſchichte der Gloſſatoren eine neue Epoche anfaͤngt, verließ zuerſt, wo nicht ganz, doch wenigſtens in etwas die Lehrart des Irnerius. Er wurde zu Florenz ums Jahr 1182. gebohren, und ſtarb zu Bologna im Jahr 1260. 100). Dieſer Accurſius fuͤhrte nicht nur ei- ne weitlaͤuftigere Art zu gloſſiren ein, welche nehmlich darin beſtand, daß er den caſum legis uͤberall formir- te, und Fragen aufwarf, welche er ſodann nach den Inhalt des Geſetzes zu entſcheiden ſuchte; ſondern er ſchrieb auch ſelbſt weitlaͤuftige Commentarien uͤber das juſtinianeiſche Recht, wobey er die Gloſſen ſeiner Vor- gaͤnger vorzuͤglich benuzte. Dieſe accurſianiſche Gloſſe erlangte nun ein ſolches erſtaunendes Anſehen, daß man hieruͤber nicht nur die Irnerianiſche vergaß, ſondern auch alle Sectirerey beylegte, und nun ſich gleichſam zur Fahne des Accurſius bekannte 1). Mit dieſen Gloſſen verſehen erhielten auch wir in Teutſchland die juſtinianeiſchen Geſezſammlungen durch die jungen Teutſchen, die aus Mangel einheimiſcher Academien die Rechte jenſeits der Alpen ſtudieret, und bey den Gloſſatoren gehoͤret hatten. Was Wunder alſo, 99) 100) sartius de claris Archigymn. Bonon. Pro. feſſ. in accursio T. I. P. I. S. 141. und folgg. 1) Wie groß das Anſehen der accurſianiſchen Gloſſe gewe- ſen, beweißt der Ausſpruch des Jaſons: Gloſſae auctori- tatem omnes excellere, et illi tanquam Carotio veritatis perpetuo adhaerendum eſſe; und Cynus pflegte zu ſagen: volo pro me Gloſſatorem potius, quam textum. 99) ſitates dominorum in iure noch ungedruckt in der Bibliotheca regali Collegii Hiſpanorum zu Bologna ſich befindet Ein Beiſpiel einer ſolchen unter jenen bei- den Maͤnnem gefuͤhrten Streitigkeit hat Herr geh. Ju- ſtiz R. Walch Reliquiae controverſiae inter Bulgarum et Goſiam de proelatione dotis. Ienae 1785.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/368>, abgerufen am 24.11.2024.