Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

1. B. 1. Tit.
denen Römischen Rechtsgelehrten genommen werde? Die
gewöhnliche Erklärung ist, daß ius daselbst soviel als
Civilrecht, factum aber natürliches Recht, natürliche
Verbindlichkeit heisse 9) Ich kann nicht umhin, die Worte
eines unserer heutigen eleganten Civilisten 10) selbst hier
anzuführen: "Die alten Römischen Juristen hatten, sagt
derselbe, wenn sie von Rechten und Verbindlichkeiten re-
deten, ihre eigne Sprache, die aus der seientivischen
Behandlung derselben entstanden ist. Sie beobachteten
zwo Hauptgattungen von Rechten und Verbindlichkeiten.
Einige, welche die vor ihnen liegende Gesetze dafür er-
kannt, modificirt und bestimmt hatten, und andere, de-
nen dieselben keine bestimmte Form gegeben, sie über-
haupt nicht in ihren Schuz genommen, und für Rechte
und Verbindlichkeiten anerkannt haben. Jene waren al-
so in den Gesetzen gegründet, diese hingegen nicht. Da-
her sagten sie von den letztern, daß sie mehr in facto
bestehen, weil man dabey auf kein positives Gesetz, son-
dern hauptsächlich auf das Factum, als die unmittelbare
Quelle derselben und die besonders dabei vorgefallene

Umstän-
9) S. Ger. noodt de pactis et transact. c. 8. Tom. I.
Oper. p. 501. Gregor. maiansius in disputat. iuris.
Tom I. Disp. XVIII. §. 9. p. 319. Io. van nispen in Ex-
ercit. ad Fragmenta, quae in Digestis ex
Herennii Modestini
IX. libris Differentiar.
supersunt;
in oelrich Thes. Dissert. Belgicar. Vol. I. T. I.
N. I. rossmann
Abh. Warum die Habitation viel-
mehr in facto als iure bestehe?
in den Erlang.
gelehrt. Anzeigen auf das
J. 1751. N. XXXIII.
10) Ich meyne den verehrungswürdigen Herrn Hofr. Gmelin
zu Tübingen, dessen Abhandl. von der eigentlichen
Beschaffenheit der Habitation nach dem röm.
Rechtssystem,
sich in den gemeinnützigen jurist. Beobach-
tungen und Rechtsfällen Dritt. Band N. VII. S. 78. f.
befindet; siehe besonders §. 57.

1. B. 1. Tit.
denen Roͤmiſchen Rechtsgelehrten genommen werde? Die
gewoͤhnliche Erklaͤrung iſt, daß ius daſelbſt ſoviel als
Civilrecht, factum aber natuͤrliches Recht, natuͤrliche
Verbindlichkeit heiſſe 9) Ich kann nicht umhin, die Worte
eines unſerer heutigen eleganten Civiliſten 10) ſelbſt hier
anzufuͤhren: „Die alten Roͤmiſchen Juriſten hatten, ſagt
derſelbe, wenn ſie von Rechten und Verbindlichkeiten re-
deten, ihre eigne Sprache, die aus der ſeientiviſchen
Behandlung derſelben entſtanden iſt. Sie beobachteten
zwo Hauptgattungen von Rechten und Verbindlichkeiten.
Einige, welche die vor ihnen liegende Geſetze dafuͤr er-
kannt, modificirt und beſtimmt hatten, und andere, de-
nen dieſelben keine beſtimmte Form gegeben, ſie uͤber-
haupt nicht in ihren Schuz genommen, und fuͤr Rechte
und Verbindlichkeiten anerkannt haben. Jene waren al-
ſo in den Geſetzen gegruͤndet, dieſe hingegen nicht. Da-
her ſagten ſie von den letztern, daß ſie mehr in facto
beſtehen, weil man dabey auf kein poſitives Geſetz, ſon-
dern hauptſaͤchlich auf das Factum, als die unmittelbare
Quelle derſelben und die beſonders dabei vorgefallene

Umſtaͤn-
9) S. Ger. noodt de pactis et transact. c. 8. Tom. I.
Oper. p. 501. Gregor. maiansius in diſputat. iuris.
Tom I. Disp. XVIII. §. 9. p. 319. Io. van nispen in Ex-
ercit. ad Fragmenta, quae in Digeſtis ex
Herennii Modeſtini
IX. libris Differentiar.
ſuperſunt;
in oelrich Theſ. Diſſert. Belgicar. Vol. I. T. I.
N. I. rossmann
Abh. Warum die Habitation viel-
mehr in facto als iure beſtehe?
in den Erlang.
gelehrt. Anzeigen auf das
J. 1751. N. XXXIII.
10) Ich meyne den verehrungswuͤrdigen Herrn Hofr. Gmelin
zu Tuͤbingen, deſſen Abhandl. von der eigentlichen
Beſchaffenheit der Habitation nach dem roͤm.
Rechtsſyſtem,
ſich in den gemeinnuͤtzigen juriſt. Beobach-
tungen und Rechtsfaͤllen Dritt. Band N. VII. S. 78. f.
befindet; ſiehe beſonders §. 57.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0032" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. B. 1. Tit.</hi></fw><lb/>
denen Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Rechtsgelehrten genommen werde? Die<lb/>
gewo&#x0364;hnliche Erkla&#x0364;rung i&#x017F;t, daß <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">ius</hi></hi> da&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;oviel als<lb/>
Civilrecht, <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">factum</hi></hi> aber natu&#x0364;rliches Recht, natu&#x0364;rliche<lb/>
Verbindlichkeit hei&#x017F;&#x017F;e <note place="foot" n="9)">S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Ger.</hi><hi rendition="#k">noodt</hi><hi rendition="#g">de pactis et transact.</hi> c. 8. Tom. I.<lb/>
Oper. p. 501. <hi rendition="#i">Gregor.</hi> <hi rendition="#k">maiansius</hi> <hi rendition="#g">in di&#x017F;putat. iuris.</hi><lb/>
Tom I. Disp. XVIII. §. 9. p. 319. <hi rendition="#i">Io. van</hi> <hi rendition="#k">nispen</hi> <hi rendition="#g">in Ex-<lb/>
ercit. ad Fragmenta, quae in Dige&#x017F;tis ex<lb/>
Herennii Mode&#x017F;tini</hi> IX. <hi rendition="#g">libris Differentiar.<lb/>
&#x017F;uper&#x017F;unt;</hi> in <hi rendition="#k">oelrich</hi> <hi rendition="#i">The&#x017F;. Di&#x017F;&#x017F;ert. Belgicar.</hi> Vol. I. T. I.<lb/>
N. I. <hi rendition="#k">rossmann</hi></hi> Abh. <hi rendition="#g">Warum die Habitation viel-<lb/>
mehr in <hi rendition="#aq">facto</hi> als <hi rendition="#aq">iure</hi> be&#x017F;tehe?</hi> in den <hi rendition="#g">Erlang.<lb/>
gelehrt. Anzeigen auf das</hi> J. 1751. <hi rendition="#aq">N. XXXIII.</hi></note> Ich kann nicht umhin, die Worte<lb/>
eines un&#x017F;erer heutigen eleganten Civili&#x017F;ten <note place="foot" n="10)">Ich meyne den verehrungswu&#x0364;rdigen Herrn Hofr. Gmelin<lb/>
zu Tu&#x0364;bingen, de&#x017F;&#x017F;en Abhandl. <hi rendition="#g">von der eigentlichen<lb/>
Be&#x017F;chaffenheit der Habitation nach dem ro&#x0364;m.<lb/>
Rechts&#x017F;y&#x017F;tem,</hi> &#x017F;ich in den gemeinnu&#x0364;tzigen juri&#x017F;t. Beobach-<lb/>
tungen und Rechtsfa&#x0364;llen Dritt. Band <hi rendition="#aq">N. VII.</hi> S. 78. f.<lb/>
befindet; &#x017F;iehe be&#x017F;onders §. 57.</note> &#x017F;elb&#x017F;t hier<lb/>
anzufu&#x0364;hren: &#x201E;Die alten Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Juri&#x017F;ten hatten, &#x017F;agt<lb/>
der&#x017F;elbe, wenn &#x017F;ie von Rechten und Verbindlichkeiten re-<lb/>
deten, ihre eigne Sprache, die aus der &#x017F;eientivi&#x017F;chen<lb/>
Behandlung der&#x017F;elben ent&#x017F;tanden i&#x017F;t. Sie beobachteten<lb/>
zwo Hauptgattungen von Rechten und Verbindlichkeiten.<lb/>
Einige, welche die vor ihnen liegende Ge&#x017F;etze dafu&#x0364;r er-<lb/>
kannt, modificirt und be&#x017F;timmt hatten, und andere, de-<lb/>
nen die&#x017F;elben keine be&#x017F;timmte Form gegeben, &#x017F;ie u&#x0364;ber-<lb/>
haupt nicht in ihren Schuz genommen, und fu&#x0364;r Rechte<lb/>
und Verbindlichkeiten anerkannt haben. Jene waren al-<lb/>
&#x017F;o in den Ge&#x017F;etzen gegru&#x0364;ndet, die&#x017F;e hingegen nicht. Da-<lb/>
her &#x017F;agten &#x017F;ie von den letztern, daß &#x017F;ie mehr <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">in facto</hi></hi><lb/>
be&#x017F;tehen, weil man dabey auf kein po&#x017F;itives Ge&#x017F;etz, &#x017F;on-<lb/>
dern haupt&#x017F;a&#x0364;chlich auf das Factum, als die unmittelbare<lb/>
Quelle der&#x017F;elben und die be&#x017F;onders dabei vorgefallene<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Um&#x017F;ta&#x0364;n-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0032] 1. B. 1. Tit. denen Roͤmiſchen Rechtsgelehrten genommen werde? Die gewoͤhnliche Erklaͤrung iſt, daß ius daſelbſt ſoviel als Civilrecht, factum aber natuͤrliches Recht, natuͤrliche Verbindlichkeit heiſſe 9) Ich kann nicht umhin, die Worte eines unſerer heutigen eleganten Civiliſten 10) ſelbſt hier anzufuͤhren: „Die alten Roͤmiſchen Juriſten hatten, ſagt derſelbe, wenn ſie von Rechten und Verbindlichkeiten re- deten, ihre eigne Sprache, die aus der ſeientiviſchen Behandlung derſelben entſtanden iſt. Sie beobachteten zwo Hauptgattungen von Rechten und Verbindlichkeiten. Einige, welche die vor ihnen liegende Geſetze dafuͤr er- kannt, modificirt und beſtimmt hatten, und andere, de- nen dieſelben keine beſtimmte Form gegeben, ſie uͤber- haupt nicht in ihren Schuz genommen, und fuͤr Rechte und Verbindlichkeiten anerkannt haben. Jene waren al- ſo in den Geſetzen gegruͤndet, dieſe hingegen nicht. Da- her ſagten ſie von den letztern, daß ſie mehr in facto beſtehen, weil man dabey auf kein poſitives Geſetz, ſon- dern hauptſaͤchlich auf das Factum, als die unmittelbare Quelle derſelben und die beſonders dabei vorgefallene Umſtaͤn- 9) S. Ger. noodt de pactis et transact. c. 8. Tom. I. Oper. p. 501. Gregor. maiansius in diſputat. iuris. Tom I. Disp. XVIII. §. 9. p. 319. Io. van nispen in Ex- ercit. ad Fragmenta, quae in Digeſtis ex Herennii Modeſtini IX. libris Differentiar. ſuperſunt; in oelrich Theſ. Diſſert. Belgicar. Vol. I. T. I. N. I. rossmann Abh. Warum die Habitation viel- mehr in facto als iure beſtehe? in den Erlang. gelehrt. Anzeigen auf das J. 1751. N. XXXIII. 10) Ich meyne den verehrungswuͤrdigen Herrn Hofr. Gmelin zu Tuͤbingen, deſſen Abhandl. von der eigentlichen Beſchaffenheit der Habitation nach dem roͤm. Rechtsſyſtem, ſich in den gemeinnuͤtzigen juriſt. Beobach- tungen und Rechtsfaͤllen Dritt. Band N. VII. S. 78. f. befindet; ſiehe beſonders §. 57.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/32
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/32>, abgerufen am 24.11.2024.