Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

de Iustitia et Iure.
einer natürlichen Verbindlichkeit nicht immer dergestalt ein-
geschränkt haben, daß der völlige Effect keinen Anfang
gewinnen
können, sondern es giebt auch Fälle, wo durch
die Gesetze einer bisher völlig wirksamen Verbindlich-
keit der weitere Effeet aus Gründen versagt worden,
welche nach natürlichen Rechten an sich den Schuldner
von seiner Verbindlichkeit nicht befreyen, noch die Be-
fugnis des Gläubigers einschränken. Dahin gehört,
wenn der Gläubiger die zur gerichtlichen Ver-
folgung seines Rechts bestimmte Zeit ver-
säumt hat;
deßgleichen wenn die Gesetze den
Gläubiger zur Strafe wegen Uebertretung
verbietender oder gebietender Gesetze die

Befugnis zu Klagen absprechen, ohne jedoch das
Recht desselben, und die Verbindlichkeit des Schuldners
an sich aufzuheben 18) und dergleichen Fälle mehr 19).
Da in allen diesen Fällen die Gesetze dem Gläubiger
nur blos die Rechtshülfe versagen, und ihn mit
seiner Klage nicht weiter gehört wissen wollen, so ver-
steht es sich von selbst, daß die übrigen Wirkungen der
natürlichen Verbindlichkeit doch noch immer fortdauern,
welche ihm die Gesetze nicht wirklich abgesprochen haben.
So wenig sich also der Schuldner in diesen Fällen ermächti-
gen kann, das Bezahlte wieder zurückzufordern, so muß dem
Gläubiger auch immer noch die Befugnis verbleiben, sich
durch Compensation, Retention u. s. w. zu dem Seini-

gen
18) L. 19. pr. D. de condict. indeb. L. 9. §. 4. D. ad SCt.
Maceaon.
Ein anderes ist es, wenn die Gesetze den
Gläubiger zur Strafe seines ganzen Rechts verlustig
erklärt haben, wovon oben bey den reprobirten natürli-
chen Verbindlichkeiten gehandelt worden ist.
19) Man vergleiche hier Weber im angef. Buch 3. Abth.
6. Abschn. 1. Kap. §. 90. ff.

de Iuſtitia et Iure.
einer natuͤrlichen Verbindlichkeit nicht immer dergeſtalt ein-
geſchraͤnkt haben, daß der voͤllige Effect keinen Anfang
gewinnen
koͤnnen, ſondern es giebt auch Faͤlle, wo durch
die Geſetze einer bisher voͤllig wirkſamen Verbindlich-
keit der weitere Effeet aus Gruͤnden verſagt worden,
welche nach natuͤrlichen Rechten an ſich den Schuldner
von ſeiner Verbindlichkeit nicht befreyen, noch die Be-
fugnis des Glaͤubigers einſchraͤnken. Dahin gehoͤrt,
wenn der Glaͤubiger die zur gerichtlichen Ver-
folgung ſeines Rechts beſtimmte Zeit ver-
ſaͤumt hat;
deßgleichen wenn die Geſetze den
Glaͤubiger zur Strafe wegen Uebertretung
verbietender oder gebietender Geſetze die

Befugnis zu Klagen abſprechen, ohne jedoch das
Recht deſſelben, und die Verbindlichkeit des Schuldners
an ſich aufzuheben 18) und dergleichen Faͤlle mehr 19).
Da in allen dieſen Faͤllen die Geſetze dem Glaͤubiger
nur blos die Rechtshuͤlfe verſagen, und ihn mit
ſeiner Klage nicht weiter gehoͤrt wiſſen wollen, ſo ver-
ſteht es ſich von ſelbſt, daß die uͤbrigen Wirkungen der
natuͤrlichen Verbindlichkeit doch noch immer fortdauern,
welche ihm die Geſetze nicht wirklich abgeſprochen haben.
So wenig ſich alſo der Schuldner in dieſen Faͤllen ermaͤchti-
gen kann, das Bezahlte wieder zuruͤckzufordern, ſo muß dem
Glaͤubiger auch immer noch die Befugnis verbleiben, ſich
durch Compenſation, Retention u. ſ. w. zu dem Seini-

gen
18) L. 19. pr. D. de condict. indeb. L. 9. §. 4. D. ad SCt.
Maceaon.
Ein anderes iſt es, wenn die Geſetze den
Glaͤubiger zur Strafe ſeines ganzen Rechts verluſtig
erklaͤrt haben, wovon oben bey den reprobirten natuͤrli-
chen Verbindlichkeiten gehandelt worden iſt.
19) Man vergleiche hier Weber im angef. Buch 3. Abth.
6. Abſchn. 1. Kap. §. 90. ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0211" n="191"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Iu&#x017F;titia et Iure.</hi></fw><lb/>
einer natu&#x0364;rlichen Verbindlichkeit nicht immer derge&#x017F;talt ein-<lb/>
ge&#x017F;chra&#x0364;nkt haben, daß der vo&#x0364;llige Effect <hi rendition="#g">keinen Anfang<lb/>
gewinnen</hi> ko&#x0364;nnen, &#x017F;ondern es giebt auch Fa&#x0364;lle, wo durch<lb/>
die Ge&#x017F;etze einer <hi rendition="#g">bisher vo&#x0364;llig wirk&#x017F;amen</hi> Verbindlich-<lb/>
keit der weitere Effeet aus Gru&#x0364;nden ver&#x017F;agt worden,<lb/>
welche nach natu&#x0364;rlichen Rechten an &#x017F;ich den Schuldner<lb/>
von &#x017F;einer Verbindlichkeit nicht befreyen, noch die Be-<lb/>
fugnis des Gla&#x0364;ubigers ein&#x017F;chra&#x0364;nken. Dahin geho&#x0364;rt,<lb/><hi rendition="#g">wenn der Gla&#x0364;ubiger die zur gerichtlichen Ver-<lb/>
folgung &#x017F;eines Rechts be&#x017F;timmte Zeit ver-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;umt hat;</hi> deßgleichen <hi rendition="#g">wenn die Ge&#x017F;etze den<lb/>
Gla&#x0364;ubiger zur Strafe wegen Uebertretung<lb/>
verbietender oder gebietender Ge&#x017F;etze die</hi><lb/><hi rendition="#fr">Befugnis zu Klagen</hi> <hi rendition="#g">ab&#x017F;prechen,</hi> ohne jedoch das<lb/>
Recht de&#x017F;&#x017F;elben, und die Verbindlichkeit des Schuldners<lb/>
an &#x017F;ich aufzuheben <note place="foot" n="18)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L. 19. pr. D. de condict. indeb. L. 9.</hi> §. <hi rendition="#i">4. D. ad SCt.<lb/>
Maceaon.</hi></hi> Ein anderes i&#x017F;t es, wenn die Ge&#x017F;etze den<lb/>
Gla&#x0364;ubiger zur Strafe &#x017F;eines ganzen <hi rendition="#fr">Rechts verlu&#x017F;tig</hi><lb/>
erkla&#x0364;rt haben, wovon oben bey den reprobirten natu&#x0364;rli-<lb/>
chen Verbindlichkeiten gehandelt worden i&#x017F;t.</note> und dergleichen Fa&#x0364;lle mehr <note place="foot" n="19)">Man vergleiche hier <hi rendition="#fr">Weber</hi> im angef. Buch 3. Abth.<lb/>
6. Ab&#x017F;chn. 1. Kap. §. 90. ff.</note>.<lb/>
Da in allen die&#x017F;en Fa&#x0364;llen die Ge&#x017F;etze dem Gla&#x0364;ubiger<lb/>
nur blos die <hi rendition="#g">Rechtshu&#x0364;lfe</hi> ver&#x017F;agen, und ihn mit<lb/>
&#x017F;einer Klage nicht weiter geho&#x0364;rt wi&#x017F;&#x017F;en wollen, &#x017F;o ver-<lb/>
&#x017F;teht es &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t, daß die u&#x0364;brigen Wirkungen der<lb/>
natu&#x0364;rlichen Verbindlichkeit doch noch immer fortdauern,<lb/>
welche ihm die Ge&#x017F;etze nicht wirklich abge&#x017F;prochen haben.<lb/>
So wenig &#x017F;ich al&#x017F;o der Schuldner in die&#x017F;en Fa&#x0364;llen erma&#x0364;chti-<lb/>
gen kann, das Bezahlte wieder zuru&#x0364;ckzufordern, &#x017F;o muß dem<lb/>
Gla&#x0364;ubiger auch immer noch die Befugnis verbleiben, &#x017F;ich<lb/>
durch Compen&#x017F;ation, Retention u. &#x017F;. w. zu dem Seini-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0211] de Iuſtitia et Iure. einer natuͤrlichen Verbindlichkeit nicht immer dergeſtalt ein- geſchraͤnkt haben, daß der voͤllige Effect keinen Anfang gewinnen koͤnnen, ſondern es giebt auch Faͤlle, wo durch die Geſetze einer bisher voͤllig wirkſamen Verbindlich- keit der weitere Effeet aus Gruͤnden verſagt worden, welche nach natuͤrlichen Rechten an ſich den Schuldner von ſeiner Verbindlichkeit nicht befreyen, noch die Be- fugnis des Glaͤubigers einſchraͤnken. Dahin gehoͤrt, wenn der Glaͤubiger die zur gerichtlichen Ver- folgung ſeines Rechts beſtimmte Zeit ver- ſaͤumt hat; deßgleichen wenn die Geſetze den Glaͤubiger zur Strafe wegen Uebertretung verbietender oder gebietender Geſetze die Befugnis zu Klagen abſprechen, ohne jedoch das Recht deſſelben, und die Verbindlichkeit des Schuldners an ſich aufzuheben 18) und dergleichen Faͤlle mehr 19). Da in allen dieſen Faͤllen die Geſetze dem Glaͤubiger nur blos die Rechtshuͤlfe verſagen, und ihn mit ſeiner Klage nicht weiter gehoͤrt wiſſen wollen, ſo ver- ſteht es ſich von ſelbſt, daß die uͤbrigen Wirkungen der natuͤrlichen Verbindlichkeit doch noch immer fortdauern, welche ihm die Geſetze nicht wirklich abgeſprochen haben. So wenig ſich alſo der Schuldner in dieſen Faͤllen ermaͤchti- gen kann, das Bezahlte wieder zuruͤckzufordern, ſo muß dem Glaͤubiger auch immer noch die Befugnis verbleiben, ſich durch Compenſation, Retention u. ſ. w. zu dem Seini- gen 18) L. 19. pr. D. de condict. indeb. L. 9. §. 4. D. ad SCt. Maceaon. Ein anderes iſt es, wenn die Geſetze den Glaͤubiger zur Strafe ſeines ganzen Rechts verluſtig erklaͤrt haben, wovon oben bey den reprobirten natuͤrli- chen Verbindlichkeiten gehandelt worden iſt. 19) Man vergleiche hier Weber im angef. Buch 3. Abth. 6. Abſchn. 1. Kap. §. 90. ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/211
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/211>, abgerufen am 12.10.2024.