Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 1. Tit. aber jedem die grose bürgerliche Vorrechte der Christengiebt, an welchen die Unglaubigen keinen Antheil ha- ben. Zu diesen gehört ferner die Trauung, welche Aufrufung des göttlichen Segens zu einer angehenden Ehe, und Erklärung, sie nach den göttlichen Vorschrif- ten führen zu wollen, also Gottesverehrung zur Absicht hat, welche aber auch zugleich die grose bürgerliche Wir- kung erzeuget, daß ohne sie jede Verbindung zum Bei- schlaf, wenn sie auch in der Absicht, Kinder zu erzeu- gen, und folglich aus ehelicher Zuneigung geschähe, für eine unerlaubte Beiwohnung, wenigstens unter Pri- vatpersohnen in Deutschland gehalten wird; zugleich aber auch den Persohnen, die durch die Trauung sind verbunden worden, die eheliche und elterliche Rechte beygelegt werden. Dahin gehört ferner auch die Beerdigung der Tod[e]n. Leichnahme aus dem Creis der Lebenden wegzuschaffen, ist zwar nicht Religions- sondern Staatszweck. Aber Leich- name auf die Art, wie es nach christlichen Sitten ge- schiehet, durch Einsenkung in die Erde, zur sinnlichen Erinnerung an das allgemeine Gesetz des Menschenge- schlechts: du bist Erde, und solst wieder zur Erde werden, unter Einsegnung, Begleitung, und Ermahnung der Geistlichkeit, wegzubringen, ist Handlung, die Gottesverehrung zum Ziel hat. Zugleich aber ist sie öffentliche Erklärung, daß, wer begraben sey, die Rechte der Lebenden im Staat verlohren habe, und des- selben Nachlaß denen Erben, oder in deren Ermanglung dem Staat als herrenloses Guth zugefallen sey. Ferner daß der auf jene Art beerdigte von der peinlichen Zurech- nung begangener Verbrechen entbunden sey, (den über- wiesenen Verbrechern gestattet man eben deswegen jene feierliche Beerdigung nicht;) deßgleichen daß auch über die Schuld oder Unschuld anderer Menschen an seinem Tode richterlich erkannt sey, (denn keinen, dessen gewalt- samer
1. Buch. 1. Tit. aber jedem die groſe buͤrgerliche Vorrechte der Chriſtengiebt, an welchen die Unglaubigen keinen Antheil ha- ben. Zu dieſen gehoͤrt ferner die Trauung, welche Aufrufung des goͤttlichen Segens zu einer angehenden Ehe, und Erklaͤrung, ſie nach den goͤttlichen Vorſchrif- ten fuͤhren zu wollen, alſo Gottesverehrung zur Abſicht hat, welche aber auch zugleich die groſe buͤrgerliche Wir- kung erzeuget, daß ohne ſie jede Verbindung zum Bei- ſchlaf, wenn ſie auch in der Abſicht, Kinder zu erzeu- gen, und folglich aus ehelicher Zuneigung geſchaͤhe, fuͤr eine unerlaubte Beiwohnung, wenigſtens unter Pri- vatperſohnen in Deutſchland gehalten wird; zugleich aber auch den Perſohnen, die durch die Trauung ſind verbunden worden, die eheliche und elterliche Rechte beygelegt werden. Dahin gehoͤrt ferner auch die Beerdigung der Tod[e]n. Leichnahme aus dem Creis der Lebenden wegzuſchaffen, iſt zwar nicht Religions- ſondern Staatszweck. Aber Leich- name auf die Art, wie es nach chriſtlichen Sitten ge- ſchiehet, durch Einſenkung in die Erde, zur ſinnlichen Erinnerung an das allgemeine Geſetz des Menſchenge- ſchlechts: du biſt Erde, und ſolſt wieder zur Erde werden, unter Einſegnung, Begleitung, und Ermahnung der Geiſtlichkeit, wegzubringen, iſt Handlung, die Gottesverehrung zum Ziel hat. Zugleich aber iſt ſie oͤffentliche Erklaͤrung, daß, wer begraben ſey, die Rechte der Lebenden im Staat verlohren habe, und deſ- ſelben Nachlaß denen Erben, oder in deren Ermanglung dem Staat als herrenloſes Guth zugefallen ſey. Ferner daß der auf jene Art beerdigte von der peinlichen Zurech- nung begangener Verbrechen entbunden ſey, (den uͤber- wieſenen Verbrechern geſtattet man eben deswegen jene feierliche Beerdigung nicht;) deßgleichen daß auch uͤber die Schuld oder Unſchuld anderer Menſchen an ſeinem Tode richterlich erkannt ſey, (denn keinen, deſſen gewalt- ſamer
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1. Buch. 1. Tit.
aber jedem die groſe buͤrgerliche Vorrechte der Chriſten
giebt, an welchen die Unglaubigen keinen Antheil ha-
ben. Zu dieſen gehoͤrt ferner die Trauung, welche
Aufrufung des goͤttlichen Segens zu einer angehenden
Ehe, und Erklaͤrung, ſie nach den goͤttlichen Vorſchrif-
ten fuͤhren zu wollen, alſo Gottesverehrung zur Abſicht
hat, welche aber auch zugleich die groſe buͤrgerliche Wir-
kung erzeuget, daß ohne ſie jede Verbindung zum Bei-
ſchlaf, wenn ſie auch in der Abſicht, Kinder zu erzeu-
gen, und folglich aus ehelicher Zuneigung geſchaͤhe,
fuͤr eine unerlaubte Beiwohnung, wenigſtens unter Pri-
vatperſohnen in Deutſchland gehalten wird; zugleich aber
auch den Perſohnen, die durch die Trauung ſind verbunden
worden, die eheliche und elterliche Rechte beygelegt werden.
Dahin gehoͤrt ferner auch die Beerdigung der Toden.
Leichnahme aus dem Creis der Lebenden wegzuſchaffen, iſt
zwar nicht Religions- ſondern Staatszweck. Aber Leich-
name auf die Art, wie es nach chriſtlichen Sitten ge-
ſchiehet, durch Einſenkung in die Erde, zur ſinnlichen
Erinnerung an das allgemeine Geſetz des Menſchenge-
ſchlechts: du biſt Erde, und ſolſt wieder zur
Erde werden, unter Einſegnung, Begleitung, und
Ermahnung der Geiſtlichkeit, wegzubringen, iſt Handlung,
die Gottesverehrung zum Ziel hat. Zugleich aber iſt
ſie oͤffentliche Erklaͤrung, daß, wer begraben ſey, die
Rechte der Lebenden im Staat verlohren habe, und deſ-
ſelben Nachlaß denen Erben, oder in deren Ermanglung
dem Staat als herrenloſes Guth zugefallen ſey. Ferner
daß der auf jene Art beerdigte von der peinlichen Zurech-
nung begangener Verbrechen entbunden ſey, (den uͤber-
wieſenen Verbrechern geſtattet man eben deswegen jene
feierliche Beerdigung nicht;) deßgleichen daß auch uͤber
die Schuld oder Unſchuld anderer Menſchen an ſeinem
Tode richterlich erkannt ſey, (denn keinen, deſſen gewalt-
ſamer
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