einen stärkern Gebrauch gemacht, so wie Aber- glaube und Gewinnsucht einen starken Misbrauch; so haben doch die neuern Aerzte, wegen anwachsen- der Menge theils besserer Mittel, ihn weit seltener unter den Arzeneyen verordnet, und nun beynahe ganz vergessen.
Die Alten standen, vor der Entdeckung und rechten Anwendung der vernünftigen physikalisch- chymischen Gründe bey dem Arzeneywesen, und aus einem besondern Misverstande, größtentheils in den Gedanken, daß diese damahls, als eine ihrer nar- kotischen, oder berauschenden, betäubenden, schmerz- stillenden und unempfindlich machenden Eigenschaft halber, gebräuchliche Arzeney eine sehr kühlende Na- tur habe und daher eine erschlaffende und schlaf- machende Wirkung erweise. Die neuern vernunft- mäßiger handelnden Aerzte haben aus physikalisch- chymischen und medicinisch-praktischen Gründen, und den aus der natürlichen Grundmischung des Opii und anderer ähnlichen narcotischen Mittel entsprin- genden Eigenschaften und ihrer Wirkungsart, die dabey obwaltenden Zweifel gehoben, daß uns die davon herkommenden und nach den verschiedenen Zustande des menschlichen Körpers abwechselnde Veränderungen oder Wirkungen in denselben deut- licher und verständlicher geworden sind. Nur hat man von den Kräften und Wirkungen der ganz fri- schen Mandragorawurzeln, Blätter, Früchte und Saamen anders zu urtheilen, als wenn sie bereits
durch
B 3
einen ſtaͤrkern Gebrauch gemacht, ſo wie Aber- glaube und Gewinnſucht einen ſtarken Misbrauch; ſo haben doch die neuern Aerzte, wegen anwachſen- der Menge theils beſſerer Mittel, ihn weit ſeltener unter den Arzeneyen verordnet, und nun beynahe ganz vergeſſen.
Die Alten ſtanden, vor der Entdeckung und rechten Anwendung der vernuͤnftigen phyſikaliſch- chymiſchen Gruͤnde bey dem Arzeneyweſen, und aus einem beſondern Misverſtande, groͤßtentheils in den Gedanken, daß dieſe damahls, als eine ihrer nar- kotiſchen, oder berauſchenden, betaͤubenden, ſchmerz- ſtillenden und unempfindlich machenden Eigenſchaft halber, gebraͤuchliche Arzeney eine ſehr kuͤhlende Na- tur habe und daher eine erſchlaffende und ſchlaf- machende Wirkung erweiſe. Die neuern vernunft- maͤßiger handelnden Aerzte haben aus phyſikaliſch- chymiſchen und mediciniſch-praktiſchen Gruͤnden, und den aus der natuͤrlichen Grundmiſchung des Opii und anderer aͤhnlichen narcotiſchen Mittel entſprin- genden Eigenſchaften und ihrer Wirkungsart, die dabey obwaltenden Zweifel gehoben, daß uns die davon herkommenden und nach den verſchiedenen Zuſtande des menſchlichen Koͤrpers abwechſelnde Veraͤnderungen oder Wirkungen in denſelben deut- licher und verſtaͤndlicher geworden ſind. Nur hat man von den Kraͤften und Wirkungen der ganz fri- ſchen Mandragorawurzeln, Blaͤtter, Fruͤchte und Saamen anders zu urtheilen, als wenn ſie bereits
durch
B 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0031"n="21"/>
einen ſtaͤrkern Gebrauch gemacht, ſo wie Aber-<lb/>
glaube und Gewinnſucht einen ſtarken Misbrauch;<lb/>ſo haben doch die neuern Aerzte, wegen anwachſen-<lb/>
der Menge theils beſſerer Mittel, ihn weit ſeltener<lb/>
unter den Arzeneyen verordnet, und nun beynahe<lb/>
ganz vergeſſen.</p><lb/><p>Die Alten ſtanden, vor der Entdeckung und<lb/>
rechten Anwendung der vernuͤnftigen phyſikaliſch-<lb/>
chymiſchen Gruͤnde bey dem Arzeneyweſen, und<lb/>
aus einem beſondern Misverſtande, groͤßtentheils in<lb/>
den Gedanken, daß dieſe damahls, als eine ihrer nar-<lb/>
kotiſchen, oder berauſchenden, betaͤubenden, ſchmerz-<lb/>ſtillenden und unempfindlich machenden Eigenſchaft<lb/>
halber, gebraͤuchliche Arzeney eine ſehr kuͤhlende Na-<lb/>
tur habe und daher eine erſchlaffende und ſchlaf-<lb/>
machende Wirkung erweiſe. Die neuern vernunft-<lb/>
maͤßiger handelnden Aerzte haben aus phyſikaliſch-<lb/>
chymiſchen und mediciniſch-praktiſchen Gruͤnden,<lb/>
und den aus der natuͤrlichen Grundmiſchung des Opii<lb/>
und anderer aͤhnlichen narcotiſchen Mittel entſprin-<lb/>
genden Eigenſchaften und ihrer Wirkungsart, die<lb/>
dabey obwaltenden Zweifel gehoben, daß uns die<lb/>
davon herkommenden und nach den verſchiedenen<lb/>
Zuſtande des menſchlichen Koͤrpers abwechſelnde<lb/>
Veraͤnderungen oder Wirkungen in denſelben deut-<lb/>
licher und verſtaͤndlicher geworden ſind. Nur hat<lb/>
man von den Kraͤften und Wirkungen der ganz fri-<lb/>ſchen <hirendition="#fr">Mandragorawurzeln</hi>, Blaͤtter, Fruͤchte und<lb/>
Saamen anders zu urtheilen, als wenn ſie bereits<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">durch</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[21/0031]
einen ſtaͤrkern Gebrauch gemacht, ſo wie Aber-
glaube und Gewinnſucht einen ſtarken Misbrauch;
ſo haben doch die neuern Aerzte, wegen anwachſen-
der Menge theils beſſerer Mittel, ihn weit ſeltener
unter den Arzeneyen verordnet, und nun beynahe
ganz vergeſſen.
Die Alten ſtanden, vor der Entdeckung und
rechten Anwendung der vernuͤnftigen phyſikaliſch-
chymiſchen Gruͤnde bey dem Arzeneyweſen, und
aus einem beſondern Misverſtande, groͤßtentheils in
den Gedanken, daß dieſe damahls, als eine ihrer nar-
kotiſchen, oder berauſchenden, betaͤubenden, ſchmerz-
ſtillenden und unempfindlich machenden Eigenſchaft
halber, gebraͤuchliche Arzeney eine ſehr kuͤhlende Na-
tur habe und daher eine erſchlaffende und ſchlaf-
machende Wirkung erweiſe. Die neuern vernunft-
maͤßiger handelnden Aerzte haben aus phyſikaliſch-
chymiſchen und mediciniſch-praktiſchen Gruͤnden,
und den aus der natuͤrlichen Grundmiſchung des Opii
und anderer aͤhnlichen narcotiſchen Mittel entſprin-
genden Eigenſchaften und ihrer Wirkungsart, die
dabey obwaltenden Zweifel gehoben, daß uns die
davon herkommenden und nach den verſchiedenen
Zuſtande des menſchlichen Koͤrpers abwechſelnde
Veraͤnderungen oder Wirkungen in denſelben deut-
licher und verſtaͤndlicher geworden ſind. Nur hat
man von den Kraͤften und Wirkungen der ganz fri-
ſchen Mandragorawurzeln, Blaͤtter, Fruͤchte und
Saamen anders zu urtheilen, als wenn ſie bereits
durch
B 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/31>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.