Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

Meilen lang auf andere Dörfer hin, wo sie ohne
ihr Geschlecht fortpflanzen zu können, in trauriger
Einsamkeit ihre Tage beschließen.

Ob Spechte und Meisen den Eyern und der
Raupe nachgehen, habe ich nicht beobachtet. Allein
die Sperlinge sind ein beständiger Feind dieses In-
sekts. Sie fressen die Raupen, holen die Puppen
von den Bäumen, und sind endlich auch geschickt
genug, den fliegenden Schmetterling zu fangen.
Doch werden sie in dieser Geschicklichkeit von den
Schwalben noch übertroffen. Die Nachtschwalbe
oder der Caprimulgus würde ihrer noch mehrere
auftreiben, denn er hat einen Rachen, in welchem
ein solcher Schmetterling, fast ohne anzustoßen,
hineinfahren kann. Nur Schade, daß dieser Vo-
gel nicht häufiger ist.

Es ist aber das Schicksal der Raupen, daß sie
oft noch viel schmählichere Todesarten erfahren
müssen, als diese ist, daß sie von andern gefressen
werden. Ich habe mehrmahlen Raupen einge-
sperrt gehabt, die sich verwandeln sollten, allein
ehe ihre Verwandelungszeit kam, starb die Raupe,
und Würmer krochen ihr aus allen Theilen des
Leibes. Diese waren die Jungen von einer
Ichnevmons-Fliege, welche sich die Freyheit ge-
nommen hatte, ihre Eyer mit ihren Legestachel in
die lebendige Raupe hineinzulegen, daß sie an dieser

wider-

Meilen lang auf andere Doͤrfer hin, wo ſie ohne
ihr Geſchlecht fortpflanzen zu koͤnnen, in trauriger
Einſamkeit ihre Tage beſchließen.

Ob Spechte und Meiſen den Eyern und der
Raupe nachgehen, habe ich nicht beobachtet. Allein
die Sperlinge ſind ein beſtaͤndiger Feind dieſes In-
ſekts. Sie freſſen die Raupen, holen die Puppen
von den Baͤumen, und ſind endlich auch geſchickt
genug, den fliegenden Schmetterling zu fangen.
Doch werden ſie in dieſer Geſchicklichkeit von den
Schwalben noch uͤbertroffen. Die Nachtſchwalbe
oder der Caprimulgus wuͤrde ihrer noch mehrere
auftreiben, denn er hat einen Rachen, in welchem
ein ſolcher Schmetterling, faſt ohne anzuſtoßen,
hineinfahren kann. Nur Schade, daß dieſer Vo-
gel nicht haͤufiger iſt.

Es iſt aber das Schickſal der Raupen, daß ſie
oft noch viel ſchmaͤhlichere Todesarten erfahren
muͤſſen, als dieſe iſt, daß ſie von andern gefreſſen
werden. Ich habe mehrmahlen Raupen einge-
ſperrt gehabt, die ſich verwandeln ſollten, allein
ehe ihre Verwandelungszeit kam, ſtarb die Raupe,
und Wuͤrmer krochen ihr aus allen Theilen des
Leibes. Dieſe waren die Jungen von einer
Ichnevmons-Fliege, welche ſich die Freyheit ge-
nommen hatte, ihre Eyer mit ihren Legeſtachel in
die lebendige Raupe hineinzulegen, daß ſie an dieſer

wider-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0288" n="280[278]"/>
Meilen lang auf andere Do&#x0364;rfer hin, wo &#x017F;ie ohne<lb/>
ihr Ge&#x017F;chlecht fortpflanzen zu ko&#x0364;nnen, in trauriger<lb/>
Ein&#x017F;amkeit ihre Tage be&#x017F;chließen.</p><lb/>
        <p>Ob Spechte und Mei&#x017F;en den Eyern und der<lb/>
Raupe nachgehen, habe ich nicht beobachtet. Allein<lb/>
die Sperlinge &#x017F;ind ein be&#x017F;ta&#x0364;ndiger Feind die&#x017F;es In-<lb/>
&#x017F;ekts. Sie fre&#x017F;&#x017F;en die Raupen, holen die Puppen<lb/>
von den Ba&#x0364;umen, und &#x017F;ind endlich auch ge&#x017F;chickt<lb/>
genug, den fliegenden Schmetterling zu fangen.<lb/>
Doch werden &#x017F;ie in die&#x017F;er Ge&#x017F;chicklichkeit von den<lb/>
Schwalben noch u&#x0364;bertroffen. Die Nacht&#x017F;chwalbe<lb/>
oder der Caprimulgus wu&#x0364;rde ihrer noch mehrere<lb/>
auftreiben, denn er hat einen Rachen, in welchem<lb/>
ein &#x017F;olcher Schmetterling, fa&#x017F;t ohne anzu&#x017F;toßen,<lb/>
hineinfahren kann. Nur Schade, daß die&#x017F;er Vo-<lb/>
gel nicht ha&#x0364;ufiger i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t aber das Schick&#x017F;al der Raupen, daß &#x017F;ie<lb/>
oft noch viel &#x017F;chma&#x0364;hlichere Todesarten erfahren<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, als die&#x017F;e i&#x017F;t, daß &#x017F;ie von andern gefre&#x017F;&#x017F;en<lb/>
werden. Ich habe mehrmahlen Raupen einge-<lb/>
&#x017F;perrt gehabt, die &#x017F;ich verwandeln &#x017F;ollten, allein<lb/>
ehe ihre Verwandelungszeit kam, &#x017F;tarb die Raupe,<lb/>
und Wu&#x0364;rmer krochen ihr aus allen Theilen des<lb/>
Leibes. Die&#x017F;e waren die Jungen von einer<lb/>
Ichnevmons-Fliege, welche &#x017F;ich die Freyheit ge-<lb/>
nommen hatte, ihre Eyer mit ihren Lege&#x017F;tachel in<lb/>
die lebendige Raupe hineinzulegen, daß &#x017F;ie an die&#x017F;er<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wider-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280[278]/0288] Meilen lang auf andere Doͤrfer hin, wo ſie ohne ihr Geſchlecht fortpflanzen zu koͤnnen, in trauriger Einſamkeit ihre Tage beſchließen. Ob Spechte und Meiſen den Eyern und der Raupe nachgehen, habe ich nicht beobachtet. Allein die Sperlinge ſind ein beſtaͤndiger Feind dieſes In- ſekts. Sie freſſen die Raupen, holen die Puppen von den Baͤumen, und ſind endlich auch geſchickt genug, den fliegenden Schmetterling zu fangen. Doch werden ſie in dieſer Geſchicklichkeit von den Schwalben noch uͤbertroffen. Die Nachtſchwalbe oder der Caprimulgus wuͤrde ihrer noch mehrere auftreiben, denn er hat einen Rachen, in welchem ein ſolcher Schmetterling, faſt ohne anzuſtoßen, hineinfahren kann. Nur Schade, daß dieſer Vo- gel nicht haͤufiger iſt. Es iſt aber das Schickſal der Raupen, daß ſie oft noch viel ſchmaͤhlichere Todesarten erfahren muͤſſen, als dieſe iſt, daß ſie von andern gefreſſen werden. Ich habe mehrmahlen Raupen einge- ſperrt gehabt, die ſich verwandeln ſollten, allein ehe ihre Verwandelungszeit kam, ſtarb die Raupe, und Wuͤrmer krochen ihr aus allen Theilen des Leibes. Dieſe waren die Jungen von einer Ichnevmons-Fliege, welche ſich die Freyheit ge- nommen hatte, ihre Eyer mit ihren Legeſtachel in die lebendige Raupe hineinzulegen, daß ſie an dieſer wider-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/288
Zitationshilfe: Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789, S. 280[278]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/288>, abgerufen am 18.05.2024.