Doch glaube ich, daß sie wegen ihres schwe- ren Körpers nie, oder sehr selten, ohne gewaltsame Ursache reisen. Es ist auch zu ihrer Begattung nicht nöthig, da die Männchen mit einem sehr mun- tern Fluge allenthalben umherstreichen, und die Weibchen aufsuchen. Von den mehresten weibli- chen Raupen ist es gewiß, daß sie nahe an der Stelle, wo sie ausgekommen sind, sitzen bleiben, gleich an dem Tage, da sie das Licht erblicket ha- ben, ganz der Vergänglichkeit ihres Lebens ange- messen, schon wieder Hochzeit halten, und ihre Brut demselben Orte anvertrauen, den sie vorher als Raupen zu ihrer Schlafstätte erwählt hatten.
Das ganze Leben des Schmetterlings wird wiederum einen Zeitraum von etwa 14 Tagen ausma- chen. Den 18ten July sahe ich die ersten; vom 22ten bis 28ten hielten sie ihren stärksten Flug, am 6ten August flog kein einziger mehr, nur noch einige Weibchen saßen sterbend auf ihren Brutstellen, und hatten nur noch ein Paar Faden über ihre letz- tern zwey Eyer zu würken, mit welchen sie ihr Le- ben ausspannen.
Da in der Natur alles seine Absichten hat, und diese Absicht im Ganzen allezeit wohlthätig ist, so muß auch dieses so schädlich erscheinende Insekt dennoch in der großen Oekonomie der Natur seinen Nutzen zu stiften bestimmt seyn, und so kann man auch an dem verachtesten Insekt die Wunder der Allmacht erkennen. Denn bey aufmerksamer
Beob-
Botan. Abhdl.IIB. S
Doch glaube ich, daß ſie wegen ihres ſchwe- ren Koͤrpers nie, oder ſehr ſelten, ohne gewaltſame Urſache reiſen. Es iſt auch zu ihrer Begattung nicht noͤthig, da die Maͤnnchen mit einem ſehr mun- tern Fluge allenthalben umherſtreichen, und die Weibchen aufſuchen. Von den mehreſten weibli- chen Raupen iſt es gewiß, daß ſie nahe an der Stelle, wo ſie ausgekommen ſind, ſitzen bleiben, gleich an dem Tage, da ſie das Licht erblicket ha- ben, ganz der Vergaͤnglichkeit ihres Lebens ange- meſſen, ſchon wieder Hochzeit halten, und ihre Brut demſelben Orte anvertrauen, den ſie vorher als Raupen zu ihrer Schlafſtaͤtte erwaͤhlt hatten.
Das ganze Leben des Schmetterlings wird wiederum einen Zeitraum von etwa 14 Tagen ausma- chen. Den 18ten July ſahe ich die erſten; vom 22ten bis 28ten hielten ſie ihren ſtaͤrkſten Flug, am 6ten Auguſt flog kein einziger mehr, nur noch einige Weibchen ſaßen ſterbend auf ihren Brutſtellen, und hatten nur noch ein Paar Faden uͤber ihre letz- tern zwey Eyer zu wuͤrken, mit welchen ſie ihr Le- ben ausſpannen.
Da in der Natur alles ſeine Abſichten hat, und dieſe Abſicht im Ganzen allezeit wohlthaͤtig iſt, ſo muß auch dieſes ſo ſchaͤdlich erſcheinende Inſekt dennoch in der großen Oekonomie der Natur ſeinen Nutzen zu ſtiften beſtimmt ſeyn, und ſo kann man auch an dem verachteſten Inſekt die Wunder der Allmacht erkennen. Denn bey aufmerkſamer
Beob-
Botan. Abhdl.IIB. S
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[273[271]/0281]
Doch glaube ich, daß ſie wegen ihres ſchwe-
ren Koͤrpers nie, oder ſehr ſelten, ohne gewaltſame
Urſache reiſen. Es iſt auch zu ihrer Begattung
nicht noͤthig, da die Maͤnnchen mit einem ſehr mun-
tern Fluge allenthalben umherſtreichen, und die
Weibchen aufſuchen. Von den mehreſten weibli-
chen Raupen iſt es gewiß, daß ſie nahe an der
Stelle, wo ſie ausgekommen ſind, ſitzen bleiben,
gleich an dem Tage, da ſie das Licht erblicket ha-
ben, ganz der Vergaͤnglichkeit ihres Lebens ange-
meſſen, ſchon wieder Hochzeit halten, und ihre
Brut demſelben Orte anvertrauen, den ſie vorher
als Raupen zu ihrer Schlafſtaͤtte erwaͤhlt hatten.
Das ganze Leben des Schmetterlings wird
wiederum einen Zeitraum von etwa 14 Tagen ausma-
chen. Den 18ten July ſahe ich die erſten; vom
22ten bis 28ten hielten ſie ihren ſtaͤrkſten Flug, am
6ten Auguſt flog kein einziger mehr, nur noch einige
Weibchen ſaßen ſterbend auf ihren Brutſtellen,
und hatten nur noch ein Paar Faden uͤber ihre letz-
tern zwey Eyer zu wuͤrken, mit welchen ſie ihr Le-
ben ausſpannen.
Da in der Natur alles ſeine Abſichten hat,
und dieſe Abſicht im Ganzen allezeit wohlthaͤtig iſt,
ſo muß auch dieſes ſo ſchaͤdlich erſcheinende Inſekt
dennoch in der großen Oekonomie der Natur ſeinen
Nutzen zu ſtiften beſtimmt ſeyn, und ſo kann man
auch an dem verachteſten Inſekt die Wunder der
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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische und ökonomische Abhandlungen. Bd. 2. Berlin, 1789, S. 273[271]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen02_1789/281>, abgerufen am 24.11.2024.
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