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Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische Abhandlungen. Bd. 1. Berlin, 1789.

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einen noch steifern Splint schlechterdings dermaßen
geschwind verwandeln sollte, wie es seyn müßte,
wie wir es nach unsern Absichten verlangen zu kön-
nen glauben, oder doch nöthig zu haben denken, daß
es hernach eben so bald zu einen reinen gesunden
und kernfesten Eichenholze werden könnte: dieses
ist so wenig zu erweisen, als es durch Künste zu be-
wirken, oder durch Befehle zu erzwingen stehet.

Dieser ganz sichern Umstände ungeachtet, und,
da sich der Mangel der Eichen bey vielen sehr be-
trächtlichen Nahrungszweigen fast gar zu sehr ver-
größert, so wird man den Eichen dennoch die schon
erwähnten Erhaltungsvorzüge und Ausnahmen beym
Hau eben so wenig zugestehen, als der gemeine Wirth-
schaftsmann die Cedern von Libanon oder den
Brodbaum von Otaheite vor dem Hiebe verscho-
nen würde, wenn er beyde in seine Gewalt bekäme.
Da sich aber bey den aus besondern fast herrschend
gewordenen Leidenschaften, dem Verfahren, den Ein-
und Absichten mancher anfänglich eben so wenig mit
Gewalt sichere Grenzen setzen lassen, als man die
Wuth eines reißenden Stromes aufhalten kann, so
muß man die dazu nöthige Besserung und Anstalten
der Zeit selbst, als den am besten unterrichtenden Lehr-
meister, überlassen. Denn dieser allein ist im Stan-
de, alle Meynungen und Widersprüche am besten zu
heben, und durch sie wird es klar, wenn selbst die
Vernunft zur Ueberzeugung nichts mehr vermocht
hat; da sonst kein Vernünftiger in Zweifel ziehet,

daß

einen noch ſteifern Splint ſchlechterdings dermaßen
geſchwind verwandeln ſollte, wie es ſeyn muͤßte,
wie wir es nach unſern Abſichten verlangen zu koͤn-
nen glauben, oder doch noͤthig zu haben denken, daß
es hernach eben ſo bald zu einen reinen geſunden
und kernfeſten Eichenholze werden koͤnnte: dieſes
iſt ſo wenig zu erweiſen, als es durch Kuͤnſte zu be-
wirken, oder durch Befehle zu erzwingen ſtehet.

Dieſer ganz ſichern Umſtaͤnde ungeachtet, und,
da ſich der Mangel der Eichen bey vielen ſehr be-
traͤchtlichen Nahrungszweigen faſt gar zu ſehr ver-
groͤßert, ſo wird man den Eichen dennoch die ſchon
erwaͤhnten Erhaltungsvorzuͤge und Ausnahmen beym
Hau eben ſo wenig zugeſtehen, als der gemeine Wirth-
ſchaftsmann die Cedern von Libanon oder den
Brodbaum von Otaheite vor dem Hiebe verſcho-
nen wuͤrde, wenn er beyde in ſeine Gewalt bekaͤme.
Da ſich aber bey den aus beſondern faſt herrſchend
gewordenen Leidenſchaften, dem Verfahren, den Ein-
und Abſichten mancher anfaͤnglich eben ſo wenig mit
Gewalt ſichere Grenzen ſetzen laſſen, als man die
Wuth eines reißenden Stromes aufhalten kann, ſo
muß man die dazu noͤthige Beſſerung und Anſtalten
der Zeit ſelbſt, als den am beſten unterrichtenden Lehr-
meiſter, uͤberlaſſen. Denn dieſer allein iſt im Stan-
de, alle Meynungen und Widerſpruͤche am beſten zu
heben, und durch ſie wird es klar, wenn ſelbſt die
Vernunft zur Ueberzeugung nichts mehr vermocht
hat; da ſonſt kein Vernuͤnftiger in Zweifel ziehet,

daß
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[244/0256] einen noch ſteifern Splint ſchlechterdings dermaßen geſchwind verwandeln ſollte, wie es ſeyn muͤßte, wie wir es nach unſern Abſichten verlangen zu koͤn- nen glauben, oder doch noͤthig zu haben denken, daß es hernach eben ſo bald zu einen reinen geſunden und kernfeſten Eichenholze werden koͤnnte: dieſes iſt ſo wenig zu erweiſen, als es durch Kuͤnſte zu be- wirken, oder durch Befehle zu erzwingen ſtehet. Dieſer ganz ſichern Umſtaͤnde ungeachtet, und, da ſich der Mangel der Eichen bey vielen ſehr be- traͤchtlichen Nahrungszweigen faſt gar zu ſehr ver- groͤßert, ſo wird man den Eichen dennoch die ſchon erwaͤhnten Erhaltungsvorzuͤge und Ausnahmen beym Hau eben ſo wenig zugeſtehen, als der gemeine Wirth- ſchaftsmann die Cedern von Libanon oder den Brodbaum von Otaheite vor dem Hiebe verſcho- nen wuͤrde, wenn er beyde in ſeine Gewalt bekaͤme. Da ſich aber bey den aus beſondern faſt herrſchend gewordenen Leidenſchaften, dem Verfahren, den Ein- und Abſichten mancher anfaͤnglich eben ſo wenig mit Gewalt ſichere Grenzen ſetzen laſſen, als man die Wuth eines reißenden Stromes aufhalten kann, ſo muß man die dazu noͤthige Beſſerung und Anſtalten der Zeit ſelbſt, als den am beſten unterrichtenden Lehr- meiſter, uͤberlaſſen. Denn dieſer allein iſt im Stan- de, alle Meynungen und Widerſpruͤche am beſten zu heben, und durch ſie wird es klar, wenn ſelbſt die Vernunft zur Ueberzeugung nichts mehr vermocht hat; da ſonſt kein Vernuͤnftiger in Zweifel ziehet, daß

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Zitationshilfe: Gleditsch, Johann Gottlieb: Vermischte botanische Abhandlungen. Bd. 1. Berlin, 1789, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gleditsch_abhandlungen01_1789/256>, abgerufen am 23.11.2024.