Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742].

Bild:
<< vorherige Seite

32
und zwar, ie niedriger der Thon ist, in desto dunckelerer, und
ie höher der Thon ist, in desto bläßerer Schattirung. Solchergestalt
nun soll Auge und Ohr auf gleiche Weise vergnüget werden.
Es scheinet aber freilich bey dieser Invention mehr arbitraires,
als würcklich in der Natur gegründetes zu seyn. Wie denn
bloß arbitrair zu seyn scheinet 1) daß er 12 sogenannte Haupt-
Farben gemacht, unter welchen sich verschiedene finden, die
gar wohl vor bloße Schattirungen passiren können, 2) daß
er von ieder Farbe nur 12 Schattirungen gesetzt, da der
Augenschein giebet, daß deren sehr wohl noch mehrere zu
Wege zu bringen, 3) daß er die blaue Farbe dem Thon
C zugeeignet, da kein Grund vorhanden, warum sie nicht mit
einem andern Thone eben so gut harmoniren solte. Welcher-
ley Einwürffe denn auch verschiedentlich gemacht, von ihm
aber dergestalt subtil und kunstmäßig beantwortet wurden,
daß uns nichts, als der Klahre Augenschein, abhalten konnte,
ihm in allen Beyfall zu geben. Er hat 15 Jahr über
dieser Machine gearbeitet, gibt sie aber doch vor nichts
höhers, als eine noch unvollkommene Probe aus, wie sie
denn ohnedis sehr delabriret und nicht sonderlich gangbar
ist. Er erzehlte, daß ihn iedermann hier in Franckreich
mit seiner Invention Anfangs vor einen Visionaire
gehalten, und allegirte eine passage aus dem Plinio, darinn
gleichsam Weißagungsweise enthalten, was ihm disfals
widerfahren. Über das schwartze und weiße erklährte er sich dismal
also, daß man in der höchsten Finsterniß, und in dem höchsten Grad
des weißen, oder des Lichts, nicht capabel sey, das geringste zu sehen.
Was nun kein Auge sehen könne, das sey auch keine Farbe; in-
deßen sey es doch wahr, daß alle Farben, wenn sie auf einmal
zusammen gemischet würden, weiß oder schwartz producireten,
nach dem dieselben nehmlich grob, oder fein wären. Was, außer
seinenm obgedachten 144 Farben, dem Auge sichtbar werden kan,
das nennete er couleurs fausses, meinete auch so gar diese gezählet,
und dererselben etwas über 500 gefunden zu haben. Seine
ietzige Haupt-Beschäftigung ist, die Herausgebung eines Buchs
von denen Farben, und zwar mit beigefügter Illumination,
wie er denn deswegen einen Mahler bey sich sitzen hatte. Wir

32
und zwar, ie niedriger der Thon ist, in desto dunckelerer, und
ie höher der Thon ist, in desto bläßerer Schattirung. Solchergestalt
nun soll Auge und Ohr auf gleiche Weise vergnüget werden.
Es scheinet aber freilich bey dieser Invention mehr arbitraires,
als würcklich in der Natur gegründetes zu seyn. Wie denn
bloß arbitrair zu seyn scheinet 1) daß er 12 sogenannte Haupt-
Farben gemacht, unter welchen sich verschiedene finden, die
gar wohl vor bloße Schattirungen passiren können, 2) daß
er von ieder Farbe nur 12 Schattirungen gesetzt, da der
Augenschein giebet, daß deren sehr wohl noch mehrere zu
Wege zu bringen, 3) daß er die blaue Farbe dem Thon
C zugeeignet, da kein Grund vorhanden, warum sie nicht mit
einem andern Thone eben so gut harmoniren solte. Welcher-
ley Einwürffe denn auch verschiedentlich gemacht, von ihm
aber dergestalt subtil und kunstmäßig beantwortet wurden,
daß uns nichts, als der Klahre Augenschein, abhalten konnte,
ihm in allen Beyfall zu geben. Er hat 15 Jahr über
dieser Machine gearbeitet, gibt sie aber doch vor nichts
höhers, als eine noch unvollkommene Probe aus, wie sie
denn ohnedis sehr delabriret und nicht sonderlich gangbar
ist. Er erzehlte, daß ihn iedermann hier in Franckreich
mit seiner Invention Anfangs vor einen Visionaire
gehalten, und allegirte eine passage aus dem Plinio, darinn
gleichsam Weißagungsweise enthalten, was ihm disfals
widerfahren. Über das schwartze und weiße erklährte er sich dismal
also, daß man in der höchsten Finsterniß, und in dem höchsten Grad
des weißen, oder des Lichts, nicht capabel sey, das geringste zu sehen.
Was nun kein Auge sehen könne, das sey auch keine Farbe; in-
deßen sey es doch wahr, daß alle Farben, wenn sie auf einmal
zusammen gemischet würden, weiß oder schwartz producireten,
nach dem dieselben nehmlich grob, oder fein wären. Was, außer
seinenm obgedachten 144 Farben, dem Auge sichtbar werden kan,
das nennete er couleurs fausses, meinete auch so gar diese gezählet,
und dererselben etwas über 500 gefunden zu haben. Seine
ietzige Haupt-Beschäftigung ist, die Herausgebung eines Buchs
von denen Farben, und zwar mit beigefügter Illumination,
wie er denn deswegen einen Mahler bey sich sitzen hatte. Wir

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter">
        <div type="diaryEntry">
          <p><pb facs="#f0074"/><fw type="folNum" place="top">32</fw><lb/>
und zwar, ie niedriger der Thon ist, in desto dunckelerer, und<lb/>
ie höher der Thon ist, in desto bläßerer Schattirung. Solchergestalt<lb/>
nun soll Auge und Ohr auf gleiche Weise vergnüget werden.<lb/>
Es scheinet aber freilich bey dieser Invention mehr arbitraires,<lb/>
als würcklich in der Natur gegründetes zu seyn. Wie denn<lb/>
bloß arbitrair zu seyn scheinet 1) daß er 12 sogenannte Haupt-<lb/>
Farben gemacht, unter welchen sich verschiedene finden, die<lb/>
gar wohl vor bloße Schattirungen passiren können, 2) daß<lb/>
er von ieder Farbe nur 12 Schattirungen gesetzt, da der<lb/>
Augenschein giebet, daß deren sehr wohl noch mehrere zu<lb/>
Wege zu bringen, 3) daß er die blaue Farbe dem Thon<lb/>
C zugeeignet, da kein Grund vorhanden, warum sie nicht mit<lb/>
einem andern Thone eben so gut harmoniren solte. Welcher-<lb/>
ley Einwürffe denn auch verschiedentlich gemacht, von ihm<lb/>
aber dergestalt subtil und kunstmäßig beantwortet wurden,<lb/>
daß uns nichts, als der Klahre Augenschein, abhalten konnte,<lb/>
ihm in allen Beyfall zu geben. Er hat 15 Jahr über<lb/>
dieser Machine gearbeitet, gibt sie aber doch vor nichts<lb/>
höhers, als eine noch unvollkommene Probe aus, wie sie<lb/>
denn ohnedis sehr delabriret und nicht sonderlich gangbar<lb/>
ist. Er erzehlte, daß ihn iedermann hier in <placeName xml:id="TidB9920" corresp="register.xml#regID_66.lemID_10371">Franckreich</placeName><lb/>
mit seiner Invention Anfangs vor einen Visionaire<lb/>
gehalten, und allegirte eine passage aus dem <name type="artificialWork" xml:id="TidB9921" corresp="register.xml#regID_41.lemID_10616">Plinio</name>, darinn<lb/>
gleichsam Weißagungsweise enthalten, was ihm disfals<lb/>
widerfahren. Über das schwartze und weiße erklährte er sich dismal<lb/>
also, daß man in de<del rendition="#ow">r</del> höchsten Finsterniß, und in dem höchsten Grad<lb/>
des weißen, oder des Lichts, nicht capabel sey, das geringste zu sehen.<lb/>
Was nun kein Auge sehen könne, das sey auch keine Farbe; in-<lb/>
deßen sey es doch wahr, daß alle Farben, wenn sie auf einmal<lb/>
zusammen gemischet würden, weiß oder schwartz producireten,<lb/>
nach dem dieselben nehmlich grob, oder fein wären. Was, außer<lb/>
seinen<del rendition="#s">m</del> obgedachten 144 Farben, dem Auge sichtbar werden kan,<lb/>
das nennete er couleurs fausses, meinete auch so gar diese gezählet,<lb/>
und dererselben etwas über 500 gefunden zu haben. Seine<lb/>
ietzige Haupt-Beschäftigung ist, die Herausgebung eines Buchs<lb/>
von denen Farben, und zwar mit beigefügter Illumination,<lb/>
wie er denn deswegen einen <persName xml:id="TidB9924" corresp="register.xml#regID_37.lemID_10116">Mahler</persName> bey sich sitzen hatte. Wir
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0074] 32 und zwar, ie niedriger der Thon ist, in desto dunckelerer, und ie höher der Thon ist, in desto bläßerer Schattirung. Solchergestalt nun soll Auge und Ohr auf gleiche Weise vergnüget werden. Es scheinet aber freilich bey dieser Invention mehr arbitraires, als würcklich in der Natur gegründetes zu seyn. Wie denn bloß arbitrair zu seyn scheinet 1) daß er 12 sogenannte Haupt- Farben gemacht, unter welchen sich verschiedene finden, die gar wohl vor bloße Schattirungen passiren können, 2) daß er von ieder Farbe nur 12 Schattirungen gesetzt, da der Augenschein giebet, daß deren sehr wohl noch mehrere zu Wege zu bringen, 3) daß er die blaue Farbe dem Thon C zugeeignet, da kein Grund vorhanden, warum sie nicht mit einem andern Thone eben so gut harmoniren solte. Welcher- ley Einwürffe denn auch verschiedentlich gemacht, von ihm aber dergestalt subtil und kunstmäßig beantwortet wurden, daß uns nichts, als der Klahre Augenschein, abhalten konnte, ihm in allen Beyfall zu geben. Er hat 15 Jahr über dieser Machine gearbeitet, gibt sie aber doch vor nichts höhers, als eine noch unvollkommene Probe aus, wie sie denn ohnedis sehr delabriret und nicht sonderlich gangbar ist. Er erzehlte, daß ihn iedermann hier in Franckreich mit seiner Invention Anfangs vor einen Visionaire gehalten, und allegirte eine passage aus dem Plinio, darinn gleichsam Weißagungsweise enthalten, was ihm disfals widerfahren. Über das schwartze und weiße erklährte er sich dismal also, daß man in de höchsten Finsterniß, und in dem höchsten Grad des weißen, oder des Lichts, nicht capabel sey, das geringste zu sehen. Was nun kein Auge sehen könne, das sey auch keine Farbe; in- deßen sey es doch wahr, daß alle Farben, wenn sie auf einmal zusammen gemischet würden, weiß oder schwartz producireten, nach dem dieselben nehmlich grob, oder fein wären. Was, außer seinen obgedachten 144 Farben, dem Auge sichtbar werden kan, das nennete er couleurs fausses, meinete auch so gar diese gezählet, und dererselben etwas über 500 gefunden zu haben. Seine ietzige Haupt-Beschäftigung ist, die Herausgebung eines Buchs von denen Farben, und zwar mit beigefügter Illumination, wie er denn deswegen einen Mahler bey sich sitzen hatte. Wir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Herausgeber:innen
Paul Beckus, Marita Gruner, Thomas Grunewald, Sabrina Mögelin, Martin Prell: Bearbeiter:innen
Martin Prell: Datentransformation
Saskia Jungmann, Nikolas Schröder, Andreas Lewen: Mitarbeit
Thüringer Staatskanzlei: Projektförderer
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena: Bilddigitalisierung von Editionsvorlage und deren Abschrift sowie Bereitstellung der Digitalisate

Weitere Informationen:

Das Endendum der vorliegenden Edition bildet das Tagebuch zur Kavalierstour des pietistischen Grafen Heinrich XI. Reuß zu Obergreiz (1722-1800) durch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, Frankreich, die Schweiz, Italien und Österreich in den Jahren 1740–1742. Es besteht aus 443 Tagebucheinträgen auf 784 Seiten, die in 71 Briefen in die Heimat übersandt wurden. Verfasser des Tagebuchs ist der Köstritzer Hofmeister Anton von Geusau (1695–1749). Im Tagebuch bietet dieser nicht nur Einblicke in die international vernetzte Welt des Hochadels, sondern überliefert auch tiefgehende Einblicke in die wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und politischen Entwicklungen in den besuchten Ländern. Dies ist vor allem für die im politischen System Europas stattfindenden Veränderungen relevant. So führte der Aufstieg Preußens zur Großmacht zu einer Neuordnung des europäischen Mächtesystems. In die Zeit seiner Kavalierstour fallen beispielsweise der Tod des Römisch-Deutschen Kaisers Karl VI. (1685–1740) und der sich daran anschließende Österreichische Erbfolgekrieg mit seinen Auswirkungen auf das europäische Mächtesystem. Besonders aufschlussreich sind die zahlreichen wiedergegebenen Gespräche zwischen den Reisenden und anderen Adligen, Geistlichen und Gelehrten zumeist katholischer Provenienz. Diese ermöglichen vielfältige Einblicke in die Gedanken- und Vorstellungswelt des Verfassers, seiner Mitreisenden und Gesprächspartner. Hieran werden Kontaktzonen für interkonfessionellen Austausch, aber auch Grenzen des Sag- oder Machbaren deutlich: Heinrich XI. und von Geusau waren pietistisch-fromme Lutheraner, die die auf der Reise gemachten Erfahrungen vor ihrem konfessionellen Erfahrungshintergrund spiegelten, werteten und einordneten

Die Edition wurde zunächst mit Hilfe der virtuellen Forschungsumgebung FuD erstellt, die im Rahmen des Projektes Editionenportal Thüringen an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) implementiert wurde. Nach Einstellung dieses Infrastrukturprojekts fand eine Transformation des FuD-XML in das DTABf im Rahmen eines FAIR-Data-Stipendiums der NFDI4Memory statt. Die Digitalisierung des originalen Brieftagebuchs und einer zeitgenössischen Abschrift erfolgte über die ThULB. Die vorliegende Edition umfasst eine vorlagennahe und zeilengenaue Umschrift der kurrenten Handschrift in moderne lateinische Buchstaben. Eine gründliche Ersttranskription ist erfolgt; eine abschließende Kollationierung steht noch aus. Die XML-Daten umfassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem eine grundständige Strukturkodierung (Briefe, Tagebucheinträge, Kopfzeilen, Absätze, Seiten- und Zeilenwechsel) und eine TEI-konforme Auszeichnung grundlegender formal-textkritischer Phänomene (Hervorhebungen, Autorkorrekturen, editorische Konjekturen, Unlesbarkeiten, Abkürzungen mit Auflösungen). Abweichungen der zeitgenössische Abschrift vom originalen Autographen wurden bis dato nicht erfasst. Topographische Informationen der Autorkorrekturen wurden erfasst. Einrückungen am Zeilenbeginn und innerhalb von Zeilen wurden nicht wiedergegeben. Horizontale Leerräume wurden nicht genau, sondern als einfache Leerzeilen wiedergegeben. Für bisher 49 der insgesamt 71 Briefe wurden zudem die darin erwähnten inhaltlich-semantischen Entitäten (Personen/Körperschaften, Gruppen, Geografika, Ereignisse und Objekte (z.B. Bücher, Gebäude, Statuen, Karten, Gemälde etc.)) kodiert und unter Nutzung von GND-Verweisen identifiziert. Ein entsprechendes Register finden Sie auf Github, dort sind auch sämtliche Daten der Edition zu diesem Werk publiziert.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: nicht markiert; Geminations-/Abkürzungsstriche: mnarkiert, expandiert; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht markiert; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: DTABf-getreu; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/74
Zitationshilfe: Geusau, Anton von: Reise Herrn Heinrich d. XI. durch Teutschland Franckr. u. Italien, [1740–1742], S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geusau_reisetagebuchHeinrichxiReuss_1740/74>, abgerufen am 14.08.2024.